"Kampagne für Saubere Kleidung“

Von Christina Selzer · 17.11.2010
Lange Schichten, Hitze, Dreck, ständige Angst vor dem Verlust der Arbeit und 50 Euro Monatslohn für Akkord - so ergeht es einer Näherin in Bangladesch, damit hierzulande das von ihr genähte Hemd nur zehn Euro kosten kann.
Jessmin Begum hält ein in Plastik verschweißtes Herren-Hemd aus dem Supermarkt in ihrer Hand. Es hat 10 Euro gekostet. Sie reißt die Packung auf, nimmt das weiße Hemd heraus, prüft mit fachmännischem Blick, wie der Kragen gemacht ist. Dann sucht sie in der Innenseite das kleine Schild, auf dem steht, wo es produziert wurde. Die 26-jährige Näherin aus Bangladesch kennt diese Hemden genau. Sie arbeitet in einer Fabrik, die überwiegend Hemden herstellt.

"Ich muss in einer Stunde 120 Kragen nähen. Wenn ich kleine Fehler mache, dann beschimpft mich der Aufseher. Wenn ich mich eine Minute verspätet habe, bekomme ich einen Tag Lohnabzug."

Jessmin Begum ist mit einer Kollegin nach Deutschland gekommen, um von ihrer Arbeit in der Fabrik zu erzählen. Die zierliche Frau arbeitet seit zehn Jahren in Textilfabriken, darunter waren auch Zulieferer des Discounters Lidl.

"Jeden Tag ich arbeite ich zwölf bis vierzehn Stunden. Mein Grundlohn reicht nicht für mich und meine Familie. Ich muss deshalb Überstunden machen. Ich kann abends nicht einfach nach Hause gehen. Ich arbeite mindestens bis 20 Uhr und oft sogar bis 22 Uhr."

Mit den Überstunden verdient sie umgerechnet 50 Euro im Monat. Davon muss sie den Unterhalt für ihre Familie zahlen. Es reicht aber nicht. Allein die Miete für die Wohnung, die nur aus einem Zimmer besteht, kostet 25 Euro pro Monat. Die Hälfte ihres Lohns. Zu dem geringen Verdienst kommen die Arbeitsbedingungen hinzu, die in der engen, stickigen Halle herrschen.

"Es gibt keine Belüftung in den Fabriken, Es ist sehr heiß, das kommt von den Maschinen und der Körperwärme und von der Beleuchtung. Alles ist voller Dreck, wir atmen ständig Flusen und Staub ein."

Schwangere Frauen bekommen keine leichtere Aufgabe, sondern müssen genauso viel arbeiten wie die anderen. Und wer nach Urlaub fragt, läuft Gefahr, entlassen zu werden. Jessmin Begum ist traurig – und wütend. Weil sie bis zur Erschöpfung arbeitet, aber kaum Geld dafür bekommt. Sie hofft, dass ihre Reise nach Deutschland zur Aufklärung beiträgt.

"Die Leute hier haben keine Ahnung, unter welchen Bedingungen wir diese Artikel produzieren. Sie haben keine Ahnung, welchen Lohn wir dafür kriegen. Deswegen glaube ich, sie müssen mehr darauf achten, was sie kaufen: Sie müssen Fragen stellen. Zum Beispiel, ob die Arbeiterinnen genug Lohn bekommen, um davon leben zu können. Nur dadurch wird sich unsere Lage in Bangladesch verbessern."