Sportpsychologin über den Fall Kamila Walijewa

Ein generelles Mindestalter im Spitzensport ist nicht sinnvoll

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Eiskunstläuferin Kamila Walijewa beim Training
Die Eiskunstläuferin Kamila Walijewa hat während der Olympischen Spiele für Schlagzeilen gesorgt. © picture alliance / dpa / TASS / Valery Sharifulin
Kathrin Seufert im Gespräch mit Axel Rahmlow · 18.02.2022
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Erst galt die 15-jährige Eiskunstläuferin Kamila Walijewa als Gold-Favoritin, dann geriet sie unter Dopingverdacht und landet auf Platz vier. Ist der Druck im Spitzensport zu hoch für junge Menschen? Sportpsychologin Kathrin Seufert sieht das differenziert.
Der Fall der 15-järigen Eiskunstläuferin Kamila Walijewa könnte weitreichende Konsequenzen im Sport haben. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) drängt die Weltverbände, die Einführung eines generellen Mindestalters im Spitzensport zu prüfen. Walijewa hätte bei den Olympischen Spielen erst gar nicht starten dürfen, sagen einige Kritiker.
Die Sportpsychologin Kathrin Seufert bezweifelt, dass ein Verbot Walijewa viel besser getan hätte, nachdem sie sich "ohne Ende" geschunden habe. „Am Ende ist sie eine Sportlerin, die auch lange hart trainiert hat, um bei einem Großereignis zu sein.“

Schwarzer Peter liegt „eher bei der Trainerin“

Dass man Walijewa Vorwürfe machen könne, glaube sie nicht. Seufert sieht „den schwarzen Peter eher“ bei Walijewas Trainerin. Mit 15 hätte wisse man noch nicht so gut, was gut für einen sei, und was nicht – zumindest nicht so, wie eine Trainerin oder ein Erziehungsberechtigter.
Kinder und Jugendliche würden im Leistungssport individuell sehr unterschiedlich mit Druck umgehen. Für manche sei dieser Druck hilfreich, „andere zerbrechen daran“. Jeder müsse aber sehen, was ihm guttue.

Generelles Mindestalter nicht sinnvoll

Von einem generellen Mindestalter im Leistungssport hält Seufert dennoch nichts. Es gebe Sportarten, bei denen man relativ früh auf Top-Niveau sei. „Und Eiskunstlauf ist nun mal so eine Sportart.“ Es gebe Sportler, die dieses Niveau mit 15 erreichen. Das sei auch in anderen Sportarten der Fall, ohne dass der Druck für die Sportler zu viel werde.

Pflicht, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen

Nach Ansicht der Sportpsychologin wäre es sinnvoller, wenn Sportler verpflichtet würden, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und sportpsychologische Unterstützung bekämen, um zu lernen: „Was tut mir gut? Wie kann ich mit diesem Druck umgehen?“ Und sie müssten dann die Entscheidungen treffen dürfen, die der mentalen Gesundheit diene, "nicht der Maschinerie Sport oder Eiskunstlauf“.
Ein gewisses Umdenken im Sport würde sich Seufert wünschen. Die mentale Gesundheit im Sport werde „immer mal“ in den Fokus gerückt. Es sei aber noch nicht für jeden verständlich, dass es bei der sportpsychologischen Unterstützung um mentale Gesundheit oder Performance-Verbesserung gehe. „Und nicht um die rote Couch, und man ist krank.“
(tmk)
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