Kaltes Schmusen
Die Songs klingen auch live wie auf dem neuen Album "Tales of Us": Alison Goldfrapps souveräne Art, über das Gegenteil von Souveränität zu singen, über Kontrollverlust und über Ängste, treffen genau den Nerv des mittelalten Publikums.
Gegeben wird Musik für Erwachsene. Im Heimathafen Neukölln, diesem schönen, für diese Gegend sehr renovierten ehemaligen Ballsaal, steht eine Klientel in den Entscheiderjahren. Vorne steht eine Band, die vor gut zwölf Jahren mit wunderbar artifiziellem Easy Listening aufgefallen war: Goldfrapp.
Eine Band? Ein Projekt eher. Alison Goldfrapp, die Sängerin, Will Gregory, der Musiker. Sie hat eine geschulte Stimme, haucht aber meistens. Er baut Arrangements, die einfach klingen, aber komplex gemacht sind: das ist Filmmusik, Ennio Morricone der unüberhörbare Pate. In Berlin fehlt Gregory, er ist eine Art Kapellmeister 2.0, seine Präsenz braucht es nicht unbedingt. Dafür: zwei Frauen, drei Männer – Geige und Mandoline, Kontrabass und E-Bass, Gitarre, Synthie, Schlagzeug – und Frau Goldfrapp in Schwarz, blonde Wuschellocken.
Zunächst bleibt alles edel. Sicher eine halbe Stunde lang spielt die Band die Songs des neuen Albums. Mutig, weil wirklich sehr leise. Aber der Klang ist toll, die Stimme supertransparent im Saal, die Band dynamisch. Sicher, einiges kommt vom Band, die eine Geige auf der Bühne ersetzt nicht den Streichersatz, den wir hören. Sehr konzentriert alles. Aber auch wahnsinnig kontrolliert. Hier soll nichts Unvorhersehbares passieren. Das hat auch mit dem neuen Album zu tun. Oder mit der Grundsatzfrage: Hört man bei Goldfrapp nur das von Langeweile bedrohte Easy Listening, oder fühlt man auch die eisigen Schlunde, von der die Songs erzählen? Ist man bereits für gefrorene Melancholie? Für die Maske des Cool?
Eine Band? Ein Projekt eher. Alison Goldfrapp, die Sängerin, Will Gregory, der Musiker. Sie hat eine geschulte Stimme, haucht aber meistens. Er baut Arrangements, die einfach klingen, aber komplex gemacht sind: das ist Filmmusik, Ennio Morricone der unüberhörbare Pate. In Berlin fehlt Gregory, er ist eine Art Kapellmeister 2.0, seine Präsenz braucht es nicht unbedingt. Dafür: zwei Frauen, drei Männer – Geige und Mandoline, Kontrabass und E-Bass, Gitarre, Synthie, Schlagzeug – und Frau Goldfrapp in Schwarz, blonde Wuschellocken.
Zunächst bleibt alles edel. Sicher eine halbe Stunde lang spielt die Band die Songs des neuen Albums. Mutig, weil wirklich sehr leise. Aber der Klang ist toll, die Stimme supertransparent im Saal, die Band dynamisch. Sicher, einiges kommt vom Band, die eine Geige auf der Bühne ersetzt nicht den Streichersatz, den wir hören. Sehr konzentriert alles. Aber auch wahnsinnig kontrolliert. Hier soll nichts Unvorhersehbares passieren. Das hat auch mit dem neuen Album zu tun. Oder mit der Grundsatzfrage: Hört man bei Goldfrapp nur das von Langeweile bedrohte Easy Listening, oder fühlt man auch die eisigen Schlunde, von der die Songs erzählen? Ist man bereits für gefrorene Melancholie? Für die Maske des Cool?
Pop und seine Parodie
Goldfrapp haben lange Erfahrung mit Maskeraden und stilistischen Moves. Spaghetti Western, synthetischer Chill Out, Elektro, Disco, schamloser Glamrock: Das alles hat man schon gehört auf den ersten fünf Alben. Der Look ändert sich entsprechend. Von Marlene Dietrich über Disco Diva bis Zirkusartistin kann Goldfrapps Bühnenperson morphen. Aktuell sind die Roben von dunkler Romantik inspiriert. Anderes bleibt gleich. Die Trademarks: akustische Gitarren, die Liebe für die teuren Streicher und gleichzeitig billigen Effekte des Italo Western, der Wille zum Genre Pop und seiner Parodie. "Tales of Us", das neue Album, zeigt das alles so deutlich, wie es seit "Felt Mountain", ihrem Debutalbum, nicht mehr zu hören war.
Das neue Goldfrapp-Album steht in einem Kontinuum zwischen Schmusen und Pieksen. Die Filmemacherin Lisa Gunning, Alison Goldfrapps Partnerin, hat zu fünf Songs Videos gemacht, die im Januar in einzelne Kinos kommen sollen. "Jo" und "Drew" sind schon eine Weile im Netz zu sehen. Beide Filme zeigen Alison Goldfrapp als Hauptfigur – einmal im überschicken Eigenheim, einmal in postaristokratischer Ruine. Immer hart an der Grenze zwischen gespannten Oberflächen und drohendem Kunstgewerbe. Das Bild übersetzt den Widerstreit der Musik damit sehr genau. Auch das Video zu "Annabel", das bisher gelungenste, ist im Netz zu sehen. Wie man die Geschichte eines Jungen, der seine femininen Seiten entdeckt, so klar visualisieren kann, ohne Schamgrenzen zu überschreiten, ist allein schon beeindruckend. Zum andern macht der Kurzfilm deutlich, wie sehr diese Gruppe Pop als Rollenprosa begreift: Die Mutter in der Küche ist Alison Goldfrapp, eine Rolle, die nicht weiter von der Künstlerin entfernt sein könnte.
Das neue Goldfrapp-Album steht in einem Kontinuum zwischen Schmusen und Pieksen. Die Filmemacherin Lisa Gunning, Alison Goldfrapps Partnerin, hat zu fünf Songs Videos gemacht, die im Januar in einzelne Kinos kommen sollen. "Jo" und "Drew" sind schon eine Weile im Netz zu sehen. Beide Filme zeigen Alison Goldfrapp als Hauptfigur – einmal im überschicken Eigenheim, einmal in postaristokratischer Ruine. Immer hart an der Grenze zwischen gespannten Oberflächen und drohendem Kunstgewerbe. Das Bild übersetzt den Widerstreit der Musik damit sehr genau. Auch das Video zu "Annabel", das bisher gelungenste, ist im Netz zu sehen. Wie man die Geschichte eines Jungen, der seine femininen Seiten entdeckt, so klar visualisieren kann, ohne Schamgrenzen zu überschreiten, ist allein schon beeindruckend. Zum andern macht der Kurzfilm deutlich, wie sehr diese Gruppe Pop als Rollenprosa begreift: Die Mutter in der Küche ist Alison Goldfrapp, eine Rolle, die nicht weiter von der Künstlerin entfernt sein könnte.
Viele Häutungen der Band
Alle diese Songs klingen im Heimathafen ganz genau wie auf dem Album. Live merkt man dennoch besser, was den Reiz bestimmt. Es ist Goldfrapps souveräne Art, über das Gegenteil von Souveränität zu singen, über Kontrollverlust und über Ängste. In diesem Sinne bedient die Band ihr langsam mittelalterliches Publikum perfekt. Man ist durchaus irgendwo angekommen, weiß aber gleichzeitig, wie flüchtig das alles sein kann. Man kann Goldfrapp natürlich auch ohne solche Zielgruppenüberlegungen hören. Dann bleibt immerhin einigermaßen komplexer Kuschelpop für alle. Aber im Prinzip ist die Ambivalenz vorhanden: Singt die Goldfrapp-Figur über Krisen oder bereits über deren Überwindung?
Doch ein Livekonzert ist ein Konzert, irgendwann ist Schluss mit Zaudern und Stirnfalten. Die vielen Häutungen der Band erlauben ein Repertoire, dessen Vielseitigkeit mitunter an eine Coverband erinnert. Sehr schön aber: Die leicht psychedelischen Nummern, die live Dynamik entwickeln und mit dem Bombast kokettieren. Die Band kann das, das Publikum freut es. Schon fast erlöst wirkt der Saal, als auch die Elektronummern an der Reihe sind, die den Glamrock der Siebzigerjahre abrufen, vor allem T. Rex. Und in den Zugaben kommt dann noch mal das ein bisschen ironische, aber nie trashige Pfeifen und Schmachten von 2001, als Goldfrapp sich anschickten, eine Band für die Mittelklasse zu werden.
Doch ein Livekonzert ist ein Konzert, irgendwann ist Schluss mit Zaudern und Stirnfalten. Die vielen Häutungen der Band erlauben ein Repertoire, dessen Vielseitigkeit mitunter an eine Coverband erinnert. Sehr schön aber: Die leicht psychedelischen Nummern, die live Dynamik entwickeln und mit dem Bombast kokettieren. Die Band kann das, das Publikum freut es. Schon fast erlöst wirkt der Saal, als auch die Elektronummern an der Reihe sind, die den Glamrock der Siebzigerjahre abrufen, vor allem T. Rex. Und in den Zugaben kommt dann noch mal das ein bisschen ironische, aber nie trashige Pfeifen und Schmachten von 2001, als Goldfrapp sich anschickten, eine Band für die Mittelklasse zu werden.