Kalter Krieg um die Schätze des ewigen Eises

Von Alexander Budde · 27.05.2008
Schwindende Gletscher und steigende Energiepreise wecken Begehrlichkeiten nach einer der letzten unberührten Regionen der Erde. Der Vorstoß in die Arktis ist von der Aussicht auf neue Schifffahrtswege und unermessliche Bodenschätze getrieben: fossile Energieträger wie Öl und Gas vor allem, aber auch Edelmetalle, Kohle und Eisenerz. Fünf Anrainerstaaten streiten um die Aufteilung des Meeresbodens rund um das Inselarchipel Svalbard im Eismeer, entlang der grönländischen Küsten und am Nordpol. Auch Saami, Inuit und andere Urvölker, denen die Kolonialmächte einst das Land raubten, fordern ihren Anteil am Reichtum.
Eine überdimensionale topgraphische Karte ziert das Büro von Christian Marcussen. Der Geophysiker am Nationalen Geologischen Institut in Kopenhagen blickt auf den blauen arktischen Ozean und die eisbedeckten Landmassen, die sich um den Nordpol gruppieren. Den letzten Sommer hat der Däne auf einem Forschungsschiff in der Arktis verbracht. Mit Echolot und seismischen Geräten kartieren die Wissenschaftler den Meeresboden. Sie wollen herausfinden, wie weit sich die Landmasse Grönlands unter der Meeresoberfläche erstreckt. Da der unterseeische Gebirgsrücken weit in das Polarmeer hinaus ragt, könnte der Nordpol dänisch sein, vermutet Marcussen.

Es geht um wissenschaftliche Grundlagenforschung, aber auch um knallharte nationale Interessen. Die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen erlaubt den Küstenstaaten, ihre Wirtschaftszone weit über die üblichen 200 Seemeilen hinaus auszuweiten, wenn sie eine natürliche Verlängerung des Kontinentalsockels unter dem Wasser beweisen können. Mit seinen Forschungsreisen soll Magnussen die Ansprüche der dänischen Krone untermauern.

Im letzten Jahr setzte Russland seine weißrotblaue Flagge genau am Nordpol 4000 Meter tief auf den Meeresboden. Auch die USA, Kanada und Norwegen wollen sich möglichst große Teile des Kuchens sichern. Immerhin, man redet miteinander, allen Muskelspielen zum Trotz, betont Tomas Winkler vom dänischen Außenministerium. Er hat den Gipfel auf Grönland vorbereitet, übrigens das erste Zusammentreffen der fünf Länder in diesem Zusammenhang.

"Wir haben diese Konferenz einberufen, weil wir ein politisches Szenario brauchen. Wir Arktis-Anrainer wollen der Welt verdeutlichen, dass wir uns einvernehmlich auf unsere Ansprüche einigen können. Wir wollen Verantwortung übernehmen und zusehen, dass die Region friedlich bleibt."

Die Schätze unter dem Eis sollen unter allen Umständen geborgen werden, da sind sich die Kontrahenten einig. Der Kampf gegen die Erderwärmung spielt in den Planspielen der Strategen allenfalls eine untergeordnete Rolle. Selbst bei denen, die gern als Opfer des Klimawandels angeführt werden.

Die Urbevölkerung der Inuit auf Grönland zum Beispiel, die sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom dänischen Mutterland loslösen will. Wenn wir vor der Wahl stehen sollten, die Natur zu bewahren, oder eine Menge Geld zu verdienen, denn werden wir uns für die Petrodollar entscheiden, sagt Inotek Holm Olsson von der Grönländischen Selbstverwaltung.

Sie können das vollständige Gespräch mit der Hörfunkreporterin und Buchautorin Agnes Bühring, die kürzlich nach Grönland gereist ist, mindestens bis zum 27.10.08 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
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