Kalifornischer Klimawandel

Von Ralf Krauter |
Im Silicon Valley herrscht wieder einmal Goldgräberstimmung. Den Planeten retten und dabei Geld verdienen - das ist das Motto der boomenden Ökotechnik-Industrie zwischen San Francisco, Berkeley und San Jose. Ihre Vision: Technologien zu entwickeln, um die Welt vor dem Klimakollaps zu bewahren.
Billigere Solarzellen, besserer Biosprit, effizientere Kraftwerke, abgasfreie Elektroautos - solche Innovationen versprechen ein sauberes Geschäft.

Eine mächtige Allianz aus Forschern, Firmengründern, Philanthropen und politisch Verantwortlichen treibt den Wandel voran. Da neben Barack Obama auch wachsende Teile der Bevölkerung auf die grüne Energiewende setzen, sind die Aussichten glänzend. Es wäre nicht das erste Mal, dass Kalifornien Trends setzt, die die Welt verändern

Auszug aus dem Manuskript:

Wie Pilze sind dort in den vergangenen Jahren Firmen aus dem Boden geschossen, die den Planeten retten und dabei Geld verdienen wollen. Mikroprozessoren und Internet-Revolution? Das war gestern. Heute setzt man im Silicon Valley auf Technologien, um die Erderwärmung zu bremsen. Billigere Solarzellen und besserer Biosprit, effizientere Solarkraftwerke, marktreife Elektroautos und klimafreundliche Baustoffe - all das wird in der Ideenschmiede bereits entwickelt. Von Barack Obama, dem neuen Mann im Weißen Haus, erhofft man sich kräftigen Rückenwind.

Obama, CNN-Pressekonferenz:

"Die Zeit des Verzögerns und Leugnens ist vorbei. Der Klimawandel ist ein drängendes Problem, das unsere nationale Sicherheit bedroht. Wir müssen und werden entschieden dagegen vorgehen."

Bereits sechs Wochen vor seinem Amtsantritt verkündete Barack Obama, dem Kampf gegen die Erderwärmung künftig Priorität einzuräumen. Es war eine erstaunlich klare Weichenstellung für den Klimaschutz.

Obama, CNN-Pressekonferenz:

"Der Klimawandel ist nicht nur ein Problem, er ist auch eine Chance. Er bietet uns die Gelegenheit, überall im Land neue Arbeitsplätze zu schaffen, indem wir unsere Energieversorgung umstellen. Das stärkt unsere Wirtschaft, erhöht unsere Sicherheit, verringert unsere Abhängigkeit von ausländischem Öl und stellt sicher, dass wir in den kommenden Jahrzehnten wettbewerbsfähig sind. Und all das, während wir den Planeten retten. Wir werden diese Gelegenheit nicht verpassen."

Neuer Präsident, neue Agenda: Klimaschutz als Konjunkturpaket. Ein "green new deal", um die lahmende Wirtschaft anzukurbeln. Nicht nur im Weißen Haus setzt man darauf - auch im Silicon Valley.

"Das Geschäft mit der grünen Energie wird einer der Eckpfeiler von Barack Obamas Präsidentschaft", sagt der Mitarbeiter eines Solarzellenherstellers.

"Der Klimawandel ist das drängendste Problem der Menschheit", erklärt ein Stanford-Professor, der zum Unternehmer wurde.

"Es geht nicht darum, Opfer zu bringen", sagt ein leitender Angestellter der kalifornischen Umweltbehörde. "Es geht darum, eine Politik zu machen, die der Industrie den Weg in eine grünere Zukunft weist."

"Hier werden gerade eine Menge toller Firmen aufgebaut", betont ein Risikokapitalinvestor: "Dass die Wirtschaft schwächelt, bedeutet noch lange nicht, dass die Leute aufhören, Ideen zu haben."

Auszug aus dem Manuskript:

Kevin Sweeney arbeitet im Dienste des Klimaschutzes, war lange als Berater in Washington, an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik. Den Meinungsumfragen der "Allianz für Klimaschutz" zufolge, sagt Kevin Sweeney, akzeptieren die Amerikaner inzwischen, dass der Klimawandel real ist und der Mensch schuld daran.

"Der Klimawandel ist in den vergangenen zwei Jahren sehr stark ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Allerdings wissen die meisten US-Bürger nicht, wie akut die Krise ist. Sie wissen nicht, dass wir sofort handeln müssen, um das Problem in den Griff zu bekommen."

Die 300 Millionen US-Bürger blasen mehr als doppelt so viel Kohlendioxid in die Atmosphäre wie der durchschnittliche Europäer: 19 Tonnen pro Kopf und Jahr. Warum hängt Amerika beim Klimaschutz so weit hinterher? Kevin Sweeney nennt mehrere Gründe. Unter anderem das Zwei-Parteien-System, das Republikaner und Demokraten verlernen ließ, politischen Konsens zu erzielen, und ein ideologisch motiviertes Misstrauen gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Aber Kevin Sweeney ist überzeugt: Man muss die Amerikaner nur auf ein klares Ziel einschwören, dann ließe sich der Rückstand schnell aufholen. Genau das versucht die "Allianz für Klimaschutz". Im Juli 2008 forderte Al Gore öffentlich, die USA sollten ihre Stromversorgung innerhalb von zehn Jahren komplett auf erneuerbare Energien umstellen. Repower America heißt die Kampagne.

"Wir wollten ein klares Ziel innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes. 100 Prozent Kohlendioxid-Reduktion in zehn Jahren ist solch ein Ziel. Es ist die Art von Herausforderung, die Amerikaner anspornt. Es ist so, als wollte man in zehn Jahren zum Mond fliegen."

Laut Meinungsumfragen unterstützen über 70 Prozent der US-Bürger das ambitionierte Vorhaben, sagt Kevin Sweeney. Und Experten zufolge sei die 100-prozentige Umstellung auf grünen Strom durchaus zu schaffen.

"Wir setzen vor allem auf Energieeffizienz, Windenergie und Sonnenwärmekraftwerke - alles Technologien, die es heute schon gibt. Wir brauchen keine technologischen Durchbrüche, um unser Ziel zu erreichen. Das einzige, was fehlt, ist der politische Wille, es zu tun."

Doch das ändert sich gerade. Seit Barack Obamas Einzug ins Weiße Haus stoßen die Ideen der Klimaschützer aus Palo Alto auf offene Ohren in Washington. Al Gore ist ein wichtiger Berater des neuen Präsidenten. Die Ökotechnik-Industrie Kaliforniens darf deshalb auf glänzende Geschäfte hoffen.

"Die USA müssen Vorreiter beim Klimaschutz sein. Bei der UN-Klimakonferenz Ende des Jahres in Kopenhagen müssen wir der Welt zeigen, dass wir eine Führungsrolle übernehmen wollen. Das kann nur gelingen, wenn wir noch in diesem Jahr große Fortschritte beim Emissionshandel und der Erzeugung von grünem Strom machen. Nur dann wird man uns als Verhandlungspartner ernst nehmen. Und ich glaube, das wird passieren. Ich kenne und schätze die Leute, deren Rat Obama beim Klimaschutz vertraut. Wir werden uns auf der Bühne zurück melden und Ländern wie Deutschland und Großbritannien sagen: Danke, dass ihr lange vor uns die Initiative ergriffen habt. Aber jetzt sitzen wir wieder am Tisch und machen mit."

Musikliste:

1
San Francisco
Scott McKenzie

2
Caught by the River
Doves

3
Hello Sunshine
Super Furry Animals

4
Heartland
U2

5
Californication
Red Hot Chili Peppers

6
Pony
Tom Waits

7
Johnny Magic - LincVolt in Witchita
Neil Young

8
Albatros
Fleetwood Mac

9
Oh well - Part 2
Fleetwood Mac

10
Cartwheels
The Reindeer Section

11
Big Sur
The Thrills

12
Fake Empire
The National

13
12:51
The Strokes

14
Forever Young
Alphaville / Youth Group

15
Boulevard of Broken Dreams
Green Day

16
Affirmation
George Benson

17
Breezin'
George Benson

18
Eastern Glow
The Album Leaf

19
Paint the Silence
South

20
Mistaken for Strangers
The National

21
Honey and the Moon
Joseph Arthur

22
Oasis
Pat Metheny

23
Story from a Stranger
Pat Metheny

24
Unity Village
Pat Metheny

Auszug aus dem Manuskript:

"California Greening" mit Ökotechnologie aus dem Silicon Valley? Saubere Geschäfte mit grüner Energie? Die Dinge sind in Bewegung, müssen aber in Relation gesehen werden. Die Aufholjagd in den USA hat eben erst begonnen. In Deutschland gingen allein 2007 fast dreimal mehr Solarpanele ans Netz als jene 440 Megawatt installierter Leistung, die es derzeit in ganz Kalifornien gibt.

Doch das könnte sich bald ändern. Im vergangenen Herbst beschloss der Kongress in Washington nach langem politischen Hickhack endlich, die langfristigen Steuervergünstigen für Solaranlagen um 8 Jahre zu verlängern. Das macht Solarstrom jetzt auch für die Energieversorger interessant. Für junge kalifornische Firmen mit innovativen Technologien, eine einmalige Chance, groß ins Geschäft zu kommen. Zum Beispiel für Brightsource Energy in Oakland.

Die Firmenzentrale befindet sich in einem Büroturm in jener Gegend von Oakland, die sich Zentrum nennt, Touristen aber keinen Anlass zum Verweilen bietet. Charles Ricker, einer der Gründer von Brightsource Energy, wartet im 21. Stock. Er kommt aus Houston und sieht wirklich so aus, wie man sich einen Texaner vorstellt: leicht untersetzt, mit geröteter Gesichtshaut, die auf überhöhten Blutdruck schließen lässt. Man baue eine neue Generation effizienter Solarthermie-Kraftwerke, die Sonnenwärme in Strom verwandeln, erklärt Charles Ricker:

"Im Grunde machen wir nichts anderes, als einen großen Wasserkochtopf auf die Spitze eines 120 Meter hohen Turms zu setzen und diesen Turm mit Spiegeln zu umringen. Für ein 200 Megawatt-Kraftwerk, das 150 Tausend Haushalte versorgt, führen wir 200 Tausend Spiegel computergesteuert der Sonne nach. Wir haben eine Fläche von 1,5 Millionen Quadratmetern, die alles Sonnenlicht, das sie trifft, auf diesen einen Wasserkocher lenkt."

Dabei entsteht 550 Grad heißer Dampf, der eine Turbine antreibt. Den Berechnungen zufolge lassen sich so 20 Prozent der Sonnenwärme in Strom verwandeln. Das sind 6 Prozent mehr, als die besten heutigen Solarthermiekraftwerke schaffen, die deutsche Firmen derzeit in Spanien bauen. In Oakland ist man deshalb überzeugt, die Kilowattstunde Strom ein Drittel billiger erzeugen zu können als die Wettbewerber. Eine Pilotanlage in Israel belege, die Technik sei ausgereift, betont Charles Ricker.

Vieles spricht dafür, dass die vollmundigen Versprechen Substanz haben. Die Brightsource-Ingenieure sind alte Hasen auf dem Gebiet. Für eine israelische Firma entwickelten sie die weltweit ersten kommerziellen Sonnenwärme-Kraftwerke, die in den 1980er Jahren in der kalifornischen Wüste installiert wurden und dort bis heute Strom erzeugen.

Die Expertise der Entwickler ist deshalb unstrittig. Und das hat sich herum gesprochen. Im Auftrag des großen kalifornischen Energieversorgers Pacific Gas and Electric plant Brightsource in der Nähe von Las Vegas vier Solarthermiekraftwerke mit insgesamt 400 Megawatt Leistung - genug um 250 000 Haushalte zu versorgen. Das erste soll 2011 ans Netz gehen. Verträge für weitere 500 Megawatt sind schon unterschrieben. Außerdem bekam man im Februar vom südkalifornischen Energieversorger Edison den Auftrag zur Errichtung weiterer 1,3 Gigawatt Kraftwerksleistung. Das Geschäft boomt, freut sich Charles Ricker:

"Eine Reihe US-Bundesstaaten haben ihren Energieversorgern vorgeschrieben, einen wachsenden Anteil ihres Stromes aus regenerativen Quellen zu gewinnen. In Kalifornien muss diese Quote bis 2010 bei 20 Prozent liegen, 2020 bereits bei 33 Prozent. Deshalb suchen die Versorger jetzt händeringend nach Anbietern von grünem Strom."

Umweltfreundlichen Technologien mit cleveren Gesetzen zum Durchbruch verhelfen? In Kalifornien kennt man sich aus damit. Und die Chancen, dass vieles von dem, was in Sacramento und im Silicon Valley bereits angestoßen wurde, jetzt USA-weit Schule macht, stehen gut. Nicht zuletzt dank Barack Obama. Viele der führenden Köpfe seiner Regierung kommen von hier.

Den Planeten retten und dabei Geld verdienen. Im Silicon Valley glaubt man an diese Idee. Grün und gut. Kaliforniens Cleantech-Industrie sieht den Klimawandel als Chance und ist bereit, sie zu nutzen. Inwieweit die ambitionierten Ziele von Forschern und Firmengründern, Philantrophen und politisch Verantwortlichen tatsächlich in Erfüllung gehen werden, muss die Zukunft weisen. Doch die Vergangenheit lehrt: Kaum eine andere Nation ist so gut darin, sich ständig neu zu erfinden, wie die USA. Und Kalifornien bildete schon mehr als einmal die Speerspitze des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels.

Nach Jahren der Stagnation macht sich Amerika auf die Reise in eine grüne Zukunft.