Kaleidoskop der Lebenshaltungen
Das Stuttgarter Staatstheater hat bei Regisseur Jan Neumann ein Stück zum Thema Glauben in Auftrag gegeben. Der zentrale Punkt, an dem die Geschichten aller Figuren in „Fundament“ zusammenlaufen, ist ein (fiktiver) Anschlag auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof.
Alltagsnah sind die Projekte von Jan Neumann immer gewesen: ausgiebige Recherche, präzise Beschreibungen. Auch „Fundament“ beginnt mit so einer Skizze: der Flug einer Taube über den Stuttgarter Bahnhofsvorplatz. Dabei kommen bereits alle späteren Protagonisten vor, alle Themen werden angespielt – aber es stellt sich auch die Frage, ob das denn Theater ist oder nicht vielmehr auf mehrere Sprecher verteilte Prosa.
In „Fundament“ geht es um den Glauben, und zwar nicht nur im Sinne der etablierten Religionen, sondern im Sinne einer Identitätstheorie. An was glauben wir, pathetisch gesagt, ganz im Innern unserer Person? Nach welchen Handlungsnormen richten wir uns? Wie viel Halt brauchen wir? Das Stuttgarter Projekt ist aus den Assoziationen der Schauspieler entstanden, und jeder bekommt, folgerichtig, sein Solo, seine große Szene: einer als Frührentner, eine als frustrierte Ehefrau, ein anderer als erfolgreicher Manager. Dabei werden, getreu der alten, kabarettistischen GRIPS-Spielweise, zunächst unterhaltsame Klischees durch den Wolf gedreht, um dann eine einzelne Figur ganz psychologisch zu durchleuchten. Das gelingt unterschiedlich gut. Dass Neumann das Ganze aber im Sinne von Robert Altmans Short-Cuts-Dramaturgie zusammenzubinden vermag und den Zuschauer aus diesem Kaleidoskop der Lebenshaltungen amüsiert, aber auch stark verunsichert entlässt, spricht für eine erhebliche Theater-Routine.
Zentraler Punkt der Inszenierung ist ein (fiktiver) Anschlag auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Hier laufen die Geschichten der Figuren zusammen – und kommen an ihr Ende. Erzählt wird nach dem Prinzip der Gleichzeitigkeit: Was haben diese Personen am Tag, den Stunden, den Minuten vor dem Anschlag getan? Der Zuschauer sitzt auf einer Drehbühne und schaut, wie auf einem Karussell, in die verschiedenen Biografien hinein. Ein Schwadroneur im Eisenbahnabteil (Bijan Zamani) nervt die Mitreisenden mit ausgiebigen Schilderungen seiner Vita: Er war, nacheinander, Jude, Deutscher, Moslem, Buddhist. Ein Weltanschauungs-Hopper im Supermarkt der Religionen und nationalen Identitäten. Ein scheinbar biederer Student (Matthias Kelle) brüllt sich in seiner Wohngemeinschaft in eine Wut- und Brandrede gegen die ganze Welt hinein – weil die Globalisierung alles kaputt macht und er nicht weiß, für (oder gegen) was er sich engagieren soll.
Diese beiden ersten Episoden sind noch relativ durchschaubar gestaltet: zunächst penetranter, jovialer Witzeerzähler-Jargon im Intercity, dann ein bisschen hochgedrehter Weltekel im WG-Kabarett. Die dritte Episode allerdings, die fintenreich als Mitspieltheater in einem Esoterik-Workshop beginnt und das Publikum zunächst zum Aufstehen und Armeschwenken nötigt, ist nicht nur eine fiese, weich gespülte Seminar-Parodie mit einem weißhaarigem Guru, sondern erwischt das Publikum dann auch auf dem falschen Fuß: Eine gewisse Tina steht schüchtern auf und bedankt sich für die tolle Atmosphäre – und erzählt dann immer weiter, bis sie als heulendes Elend, als klapperndes Beispiel bundesdeutschen Ehe-Unglücks zusammenbricht.
Die Vorsicht, mit der die Schauspielerin Lisa Wildmann dieses Solo aufbaut und dann in eine melancholische Verzweiflung hochdreht, hat man in Stuttgart lange nicht mehr gesehen. Stephanie Schönfeld darf dann noch als aparte Oberschichts-Tusse am Bahnhof auf ein Rendezvous warten und sich, in den Bombensplittern sterbend, an den Tod ihres Vaters erinnern. Und Sebastian Röhrle liefert Einblicke in das Leben eines notorisch erfolgreichen Werbe-Managers: sozial engagiert, halblinks, ökologisch, friedensbewegt, sprich: völlig hohl. Eine Karikatur des Glücklichen. Das ist unterhaltsam gemacht, hier zeigen sich aber auch die Grenzen von Jan Neumanns Methode: vieles wird nur per Prosatext erzählt und dann auf dem Theater pantomimisch-kabarettistisch hergestellt.
Das mag auch dem Zeitdruck geschuldet sein, unter dem ein solches Projekt steht. Ein richtiges Stück schreiben, das ist noch mal etwas anderes. „Fundament“ aber wird in Stuttgart – verdientermaßen – den jüngeren Teil des Publikums begeistern, und für den ist es ja gedacht. Zum Finale, als verschiedene heilige Schriften im Lärm des Extremisten-Anschlags rezitiert werden und blutige Opfer am Rand der Bühne stehen, wird es noch mal richtig ernst. Und trotzdem ist das über weite Strecken auch ein leichthändiger Abend, der in einer paradigmatischen Szene den jeweiligen Kopfputz verschiedener (Polit-)Religionen symbolisch-ironisch übereinandertürmt.
In „Fundament“ geht es um den Glauben, und zwar nicht nur im Sinne der etablierten Religionen, sondern im Sinne einer Identitätstheorie. An was glauben wir, pathetisch gesagt, ganz im Innern unserer Person? Nach welchen Handlungsnormen richten wir uns? Wie viel Halt brauchen wir? Das Stuttgarter Projekt ist aus den Assoziationen der Schauspieler entstanden, und jeder bekommt, folgerichtig, sein Solo, seine große Szene: einer als Frührentner, eine als frustrierte Ehefrau, ein anderer als erfolgreicher Manager. Dabei werden, getreu der alten, kabarettistischen GRIPS-Spielweise, zunächst unterhaltsame Klischees durch den Wolf gedreht, um dann eine einzelne Figur ganz psychologisch zu durchleuchten. Das gelingt unterschiedlich gut. Dass Neumann das Ganze aber im Sinne von Robert Altmans Short-Cuts-Dramaturgie zusammenzubinden vermag und den Zuschauer aus diesem Kaleidoskop der Lebenshaltungen amüsiert, aber auch stark verunsichert entlässt, spricht für eine erhebliche Theater-Routine.
Zentraler Punkt der Inszenierung ist ein (fiktiver) Anschlag auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Hier laufen die Geschichten der Figuren zusammen – und kommen an ihr Ende. Erzählt wird nach dem Prinzip der Gleichzeitigkeit: Was haben diese Personen am Tag, den Stunden, den Minuten vor dem Anschlag getan? Der Zuschauer sitzt auf einer Drehbühne und schaut, wie auf einem Karussell, in die verschiedenen Biografien hinein. Ein Schwadroneur im Eisenbahnabteil (Bijan Zamani) nervt die Mitreisenden mit ausgiebigen Schilderungen seiner Vita: Er war, nacheinander, Jude, Deutscher, Moslem, Buddhist. Ein Weltanschauungs-Hopper im Supermarkt der Religionen und nationalen Identitäten. Ein scheinbar biederer Student (Matthias Kelle) brüllt sich in seiner Wohngemeinschaft in eine Wut- und Brandrede gegen die ganze Welt hinein – weil die Globalisierung alles kaputt macht und er nicht weiß, für (oder gegen) was er sich engagieren soll.
Diese beiden ersten Episoden sind noch relativ durchschaubar gestaltet: zunächst penetranter, jovialer Witzeerzähler-Jargon im Intercity, dann ein bisschen hochgedrehter Weltekel im WG-Kabarett. Die dritte Episode allerdings, die fintenreich als Mitspieltheater in einem Esoterik-Workshop beginnt und das Publikum zunächst zum Aufstehen und Armeschwenken nötigt, ist nicht nur eine fiese, weich gespülte Seminar-Parodie mit einem weißhaarigem Guru, sondern erwischt das Publikum dann auch auf dem falschen Fuß: Eine gewisse Tina steht schüchtern auf und bedankt sich für die tolle Atmosphäre – und erzählt dann immer weiter, bis sie als heulendes Elend, als klapperndes Beispiel bundesdeutschen Ehe-Unglücks zusammenbricht.
Die Vorsicht, mit der die Schauspielerin Lisa Wildmann dieses Solo aufbaut und dann in eine melancholische Verzweiflung hochdreht, hat man in Stuttgart lange nicht mehr gesehen. Stephanie Schönfeld darf dann noch als aparte Oberschichts-Tusse am Bahnhof auf ein Rendezvous warten und sich, in den Bombensplittern sterbend, an den Tod ihres Vaters erinnern. Und Sebastian Röhrle liefert Einblicke in das Leben eines notorisch erfolgreichen Werbe-Managers: sozial engagiert, halblinks, ökologisch, friedensbewegt, sprich: völlig hohl. Eine Karikatur des Glücklichen. Das ist unterhaltsam gemacht, hier zeigen sich aber auch die Grenzen von Jan Neumanns Methode: vieles wird nur per Prosatext erzählt und dann auf dem Theater pantomimisch-kabarettistisch hergestellt.
Das mag auch dem Zeitdruck geschuldet sein, unter dem ein solches Projekt steht. Ein richtiges Stück schreiben, das ist noch mal etwas anderes. „Fundament“ aber wird in Stuttgart – verdientermaßen – den jüngeren Teil des Publikums begeistern, und für den ist es ja gedacht. Zum Finale, als verschiedene heilige Schriften im Lärm des Extremisten-Anschlags rezitiert werden und blutige Opfer am Rand der Bühne stehen, wird es noch mal richtig ernst. Und trotzdem ist das über weite Strecken auch ein leichthändiger Abend, der in einer paradigmatischen Szene den jeweiligen Kopfputz verschiedener (Polit-)Religionen symbolisch-ironisch übereinandertürmt.