Kakaoanbau in der Elfenbeinküste

Wo Schokolade nicht glücklich macht

21:35 Minuten
Die Kakaobohnen werden in Bananeblaetter gehuellt um sie zu fermentieren, 08.04.2014.
Aus Ghana und der Elfenbeinküste kommen zwei Drittel aller Kakaobohnen weltweit. Kakaoanbau bedeutet auch heute noch Handarbeit. © laif/ Malte Jaeger
Von Caspar Dohmen · 04.03.2020
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Kakao ist begehrt, doch die Bauern in Westafrika profitieren kaum davon. Sie erhalten nur sechs Prozent vom Preis einer Tafel Schokolade. Oft arbeiten Kinder auf den Plantagen. Nutznießer der ausbeuterischen Verhältnisse sind Konsumenten hierzulande.
Abidjan, größter Ballungsraum der Elfenbeinküste: Anne-Marie Yao Dje ist unterwegs zum Hafen. Kaffee, Ananas, Holz und Kakao werden hier verschifft. Vierzig Prozent des weltweiten Kakaos ernten Bauern in dem westafrikanischen Land mit seinen 26 Millionen Einwohnern. Anne-Marie Yao Dje ist Regionalmanagerin bei Fairtrade Africa für Kakao, viele rufen die selbstbewusste Frau, die häufig lacht und halblange Rastazöpfe und ein gelb-blaues Kleid trägt, "Mama Cacao".
"Den Spitzname haben mir Produzenten gegeben. Erst nannten sie mich Mama Fairtrade, dann Mama Cacao."

Kinderarbeit ist hier immer noch Alltag

Kakaobauern in Westafrika sind bitterarm. Nur jeder zehnte Bauer in der Elfenbeinküste kann sich Dünger leisten und vielen fehlt in der Erntesaison Geld, um Arbeiter zu bezahlen. Dann nehmen sie häufig ihre Kinder mit zur Ernte, weswegen Kinderarbeit hier weiter Alltag ist – trotz diverser Änderungsversuche. Internationale Unternehmen setzten sich bereits 2001 das Ziel, die Kinderarbeit in der Region bis 2020 um 70 Prozent zu reduzieren. Sie sind gescheitert.
"Wenn man die Situation vor Ort analysiert, gibt es keinen Mangel an Initiativen. Davon gibt es eine Menge. Arm sind die Menschen wegen des Preises. Du kannst tausend, eine Millionen Initiativen haben, solange der Bauer arm ist, löst du nicht seine Probleme. Eine Familie benötigt einen höheren Preis, damit sich ihre Lebensbedingungen verbessern und sie ihr Kind in die Schule schicken kann."
Eine Frau mit Rastazöpfen und Brille sitzt in einem gelb-blau gemusterten Kleid in Begleitung an einem Tisch und diskutiert.
"Arm sind die Menschen wegen des Preises" - Anne-Marie Yao Dje ist Regionalmanagerin bei Fairtrade Africa für Kakao.© Caspar Dohmen
Inflationsbereinigt ist der Kakao-Preis seit Anfang der 1980er-Jahre um 40 Prozent gesunken – wegen der höheren Ernte und der Marktmacht weniger Konzerne. Außerdem findet die Veredlung und Vermarktung der Schokolade, mit der sich vor allem Geld verdienen lässt, kaum in Afrika statt. Die zwei Millionen Kakaobauern in Ghana und der Elfenbeinküste verdienen im Schnitt weniger als einen US-Dollar am Tag, was deutlich unter der Grenze für absolute Armut von 1,90 US-Dollar liegt.
Mama Cacao stoppt im Hafen auf dem Gelände von Ecocim, einer Dachorganisation von 23 Kleinbauern-Kooperativen. Sie vermarktet den Kakao, organisiert Schulungen, hilft bei Qualitätsverbesserungen oder bei der Anschaffung von Lkw, mit denen die Kooperativen ihren Kakao aus dem Landesinneren selbst in den Hafen schaffen können, was sie unabhängig von Zwischenhändlern macht.
Ein Mann mit Mundschutz und weißem Helm bedient mit beiden Händen eine große Maschine über zwei Kakaosäcken.
Vernähen der Kakaosäcke im Hafen von Abidjan. Die Fracht geht vor allem nach Europa, die USA und Japan.© Caspar Dohmen
Bittersüßlicher Geruch im Lager. Kakaobohnen fallen aus metallenen Trichtern in Jutesäcke. Arbeiter nähen volle Säcke an Maschinen zu. In einem Labor untersuchen drei staatliche Prüfer die Qualität der Bohnen. Auf dem Hof stehen Container der Großreedereien Hapag Lloyd und Maersk. Verschifft wird der Rohkakao vor allem nach Europa, die USA und Japan, wo die meiste Schokolade produziert und gegessen wird.

Auch der faire Preis reicht nicht für die Grundbedürfnisse

Ecocim verkauft einen Großteil der Ernte als fairen Kakao. Dafür erhalten die Bauern einen Minimumpreis von 2400 US-Dollar je Tonne Kakao und zusätzlich eine Prämie von 240 US-Dollar je Tonne, die die Kooperativen gemeinsam investieren, ob in Schulen, Krankenstationen oder Gerätschaften. Der faire Preis liegt über dem Weltmarktpreis, der um die Marke von 2000 US-Dollar pendelt. Trotzdem reicht der faire Preis nicht, um alle Grundbedürfnisse einer Bauernfamilie für Wohnen, Essen, Gesundheit und Bildung der Kinder zu erfüllen. Das weiß auch Mama Cacao.
"Es gibt eine Lücke zwischen dem Minimumpreis und einem existenzsichernden Mindestlohn. Für bessere Lebensbedingungen braucht es einen höheren Preis."
Ein finsteres Lager mit elektrischem Licht an der Decke und mit jeweils rechts und links hoch übereinander aufgestappelten prall gefüllten Kakaosäcken.
Verkauft einen Großteil der Ernte als fairen Kakao: das Kakaolager von Ecocim.© Caspar Dohmen
Aber der faire Handel müsse eben eine Gratwanderung vollführen – zwischen den Bedürfnissen der Bauern und den Möglichkeiten des Marktes. Mancher Experte hält es ohnehin für eine Illusion, die Armut der Bauern alleine über den Markt lösen zu wollen.

"Wir haben zu viele Bauern"

Treffen in einem Restaurant mit Michel Arrion, dem Geschäftsführer der "International Cocoa Organization", des der UN zugeordneten Kakao Programms mit Sitz in Abidjan. Um die Situation der Bauern zu verbessern, hätten viele bislang vor allem auf eine Steigerung der Qualität und Menge des Kakaos gesetzt. Das allein könne die Armut jedoch nicht beseitigen.
"Es ist nicht nur die Frage, wie viele Tonnen jemand pro Hektar produziert, es ist auch die Frage, wie viel Hektar jemand hat. Wenn du eine Fläche von weniger als fünf Hektar hast, kannst du nicht überleben. Wir haben zu viele Bauern, wie früher in Europa. In Europa waren vor fünfzig Jahren vierzig Prozent der Bevölkerung Bauern, heute sind es weniger als fünf Prozent. Wir hatten ein Bauernsterben."
Ein solches Bauernsterben hält er auch hier für notwendig. Hinzu kommen müssten Absprachen der Produktionsländer des Kakao über Mengen und Preise.
"Es gibt eine Kakao-Opec. Es ist die Gruppe der Produzentenländer in unserer Organisation. Sie sollten sich besser koordinieren und ihre Positionen besser abstimmen."
Ein Mann mit weißem kurzärmligen Hemd wird sitzend von hinten gezeigt, wie er Kakaobohnen in einer Holzschatulle mit vielen verschiedenen Fächern sortiert.
Die Guten ins Töpfchen – Kakao-Qualitätskontrolle im Lager in Abidjan.© Caspar Dohmen
Zuletzt haben Ghana und die Elfenbeinküste sich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. Von Oktober an sollen die internationalen Abnehmer einen Mindestpreis von 2600 Dollar je Tonne Kakao zahlen – sowie einen Aufschlag von 400 Dollar auf den Weltmarktpreis für die Bauern. Aber selbst, wenn sich alle Kakao produzierenden Länder auf Quoten einigen, bleibt es schwierig. Denn die Kakaoernte lässt sich nicht eben einmal abdrehen wie ein Ölhahn. Andererseits sei eine Mengenreduzierung nötig für höhere Preise. Und die wiederum sei der Schlüssel zur Lösung der Probleme, sagt Michel Arrion.
"Ich bin ein bisschen traurig, dass so viele Menschen in Europa oder Amerika gegen Kinderarbeit und Entwaldung kämpfen, ohne auf die Preise zu schauen. Wenn wir das Preis- und damit das Armutsproblem lösen, dann werden die Menschen aufhören, Kinder zu beschäftigen oder Bäume abzuholzen und Nationalparks zu zerstören."

Von 16 Millionen Hektar Regenwald sind zwei Millionen übrig

Von Abidjan geht es rund 160 Kilometer nordwestlich bis zu der Provinzstadt Divo. Vereinzelte Baumriesen zeugen vom früheren Regenwald. Das Land war noch 1960 zur Hälfte mit Regenwald bedeckt. Von den damaligen 16 Millionen Hektar stehen heute nur noch zwei Millionen Hektar Regenwald. Doch diese Ausweitung der landwirtschaftlichen Flächen hat die Armut der Bauern auch nicht beseitigt.
Ein schwarz-weiß geschecktes Huhn schreitet in der Sonne genau in dem Spalt zwischen zwei Lehmhütten.
Wo sich die Hühner gute Nacht sagen: Dorfleben in der Elfenbeinküste.© Caspar Dohmen
Hinter Divo biegt man auf eine Piste ab.16 Kilometer geht es schaukelnd über Schlaglöcher, durch einen Bach, vorbei an Palmölpalmen, Gummibäumen, Bananenstauden und Kakaobäumen. Immer wieder schrammt der Wagen am Boden vorbei. Autos wirbeln Staub auf. Fußgänger halten sich Tücher vor die Nase.
Dann ist das Dorf Kofesso Bioula Bougon erreicht. Die Menschen hier wohnen in Lehmhäusern, kochen auf Feuerstellen. Sie schöpfen Wasser aus Brunnen, das sie abkochen müssen, bevor es trinkbar ist. Eine Frau scheuert Töpfe mit Schleifpapier. Ziegen und Hühner laufen umher. Ohne die Motorräder und den Plastikmüll hätte man die perfekte Kulisse für einen Film, der zu Jesus Zeiten spielt. Fremde kommen selten hierher. Groß ist das Hallo.

"Die Regierung muss die Preise erhöhen"

Bei einer Dorfversammlung frage ich in die Runde der mehr als zweihundert Männer und Frauen, wer ihrer Meinung nach die Macht habe, höhere Kakaopreise durchzusetzen? Die Frage löst Unruhe aus, gerade unter den jüngeren Männern. Tayama Bekoua, eine mächtige Erscheinung in dunkelgrünem Kafta, erhebt sich und nimmt das Mikrofon.
"Die Regierung muss die Preise erhöhen. Ein europäischer Autohersteller käme doch auch nicht darauf, die Autos unter seinen Kosten zu verkaufen, so wie sie das hier häufig beim Kakao machen. Die Regierung könnte die Import- und Exportbedingungen festlegen. Wir sind doch diejenigen, die den Kakao anpflanzen und sollten deswegen auch diejenigen sein, die die Preise festsetzen."
In einer wüstenartigen trockenen Landschaft steht ein prächtiger hoher saftig grüner und verzweigter Baum unter dem sich viele Kinder versammeln.
Die jüngsten Dorfbewohner von Kofesso Bioula Bougon.© Caspar Dohmen
Tatsächlich greift die Elfenbeinküste schon länger in den Marktpreis ein, koppelte den staatlichen Mindestpreis aber an den Weltmarktpreis. So blieb der Preis niedrig und befreite die Bauern nicht aus der Armut. Vom Staat fühlen sich die Dorfbewohner auch generell alleine gelassen. Gerade erst haben sie eine Krankenstation gebaut, eigentlich eine staatliche Aufgabe, doch stattdessen finanziert aus der Fairtradeprämie. Jetzt steht der weiße verputzte Bau – aber er ist noch leer.

Es fehlt eine funktionierende Krankenstation

Bei der Versammlung schauen vier Mitarbeiter der regionalen Gesundheitsbehörde vorbei. Sie machen den Bewohnern wenig Hoffnung, dass der Staat notwendige Instrumente, Medikamente oder Krankenschwestern bezahlen könnte. Wirkliches Interesse kommt bei den gelangweilten Herren vom Amt nicht weiter auf. Dabei wäre eine funktionierende Krankenstation für die Dorfbewohner ein Segen. Es gibt immer wieder Fälle von Typhus, Gelbfieber und Malaria oder Bauern, die sich bei der Arbeit verletzen.
Besonders regt diese auf, dass es für schwangere Frauen gefährlich ist, wenn sie in einem Krankenhaus entbinden müssen. Dann müssen sie auf dem Beifahrersitz eines Motorrads über die holprige Piste in ein Krankenhaus fahren. Immer wieder sterben Schwangere dabei. Am Rande der Versammlung sitzt der 40-jährige Salifou Sana, ein freundlicher und zäher Typ in rotem Hemd mit schwarzem Bart. Er gehört zu keiner Kooperative, sondern arbeitet auf eigene Rechnung. Eine Schule hat er nie besucht.
"Ich kenne nur diesen Job und habe immer auf dem Feld gearbeitet."
Ein Mann mit rotem T-Shirt lächelt vor hellblauem Hintergrund in die Kamera.
Schon wenn ein Kind krank ist, wird es finanziell eng. Salifou Sana arbeitet sein Leben lang mit dem Kakao.© Caspar Dohmen
Sana baut auf sechs Hektar Kakao an, vergleichsweise viel für einen Kleinbauern hier. Bauern hacken die reifen gelben Bohnen mit einer Machete ab und sammeln sie vom Boden auf. Mit einem Stock hauen sie auf die Schale der Kakaobohne, damit sich die Samen innen lösen. Sie brechen die Früchte auf und puhlen die 30 bis 40 weißen Samen heraus, die so groß sind wie dicke Bohnen. Die Samen werden einige Tage fermentiert und danach in der Sonne getrocknet, wobei sie die charakteristische braune Farbe annehmen. Damit wäre Salifou Sana eigentlich an diesem sonnigen Tag im Januar beschäftigt, mitten in der Erntesaison. Aber die Versammlung geht vor.
Gelbe, rote und braune Kakaobohnen liegen zwischen Blättern auf einem Haufen auf dem Waldboden.
Bohnen abhacken, sammeln und aufpuhlen: das Ergebnis der Kakaoernte.© Caspar Dohmen
Und so erzählt er, wie schnell es eng werde, wenn zum Beispiel eines seiner sechs Kinder krank werde und Medizin benötige. Dann bitte er häufig seinen Kakaohändler um Kredit. Er verdiene in der Erntesaison monatlich umgerechnet rund 228 Euro. Umgelegt auf die achtköpfige Familie ist dies weniger als ein US-Dollar am Tag. Und die Erntesaison dauert nur drei bis vier Monate. Was würde er brauchen, um die Basisausgaben für Wohnen, Gesundheit und Bildung für seine Familie gut bezahlen zu können?
"600.000 CFA." Rund 900 Euro. Doch davon kann er nur träumen. Aber es gibt auch hausgemachte Gründe für die Armut hier. So heiraten in der muslimischen Gemeinde Männer meist mehrere Frauen. Was das bedeutet, erzählt Btele Sangue, eine schüchterne Frau von 42 Jahren, die mit 19 geheiratet hat und sieben Kinder groß zieht. Im Schnitt bringt eine Frau in der Elfenbeinküste fast fünf Kinder zur Welt.
"Jede Frau will eigene Kinder vom Ehemann. Es gibt deswegen eine Menge Babys zu versorgen und viele Ausgaben." Sie stellt diese Tradition nicht in Frage. "Ich akzeptiere es, wenn man heiratet, trifft der Mann fortan alle Entscheidungen."
Eine Frau, deren Kopf und Oberkörper  von einem roten Tuch bedeckt sind, sitzt auf einem Stuhl vor einer blauen Wand und schaut in die Kamera.
Ein Mann hat mehrere Frauen, die alle Kinder von ihm wollen. Btele Sangue Abou hat sieben Stück.© Caspar Dohmen
Bei der Versammlung in dem Dorf Kofesso Bioula Bougon haben nur Männer geredet. Kein Wunder, dass es für Btele Sangue Abou ungewohnt ist, wenn ein Mann wissen will, was sie denkt und sie etwa fragt, was sie als Bürgermeisterin des Dorfes machen würde. Sie ringt um Worte.
"Ich würde alle Frauen zusammenholen und mit ihnen diskutieren, wie die Dinge schneller verändert werden könnten."

"Frauen sind wie Unsichtbare"

Die Frauen hier arbeiten viel, im Schnitt 63 Stunden pro Woche. Hausarbeit, Kindererziehung, Feldarbeit. Bteles ist vom Sonnenaufgang bis zum Sonnuntergang beschäftigt. Die Frauen erledigen 69 Prozent der Arbeiten rund um den Kakaoanbau, erhalten aber laut der Afrikanischen Entwicklungsbank nur ein Fünftel des Einkommens, welches sie schaffen. Wie sagte Mama Cacao noch:
"Frauen sind wie Unsichtbare im Vergleich zu all der harten Arbeit, die sie leisten und was sie in die Gesellschaft einbringen."
Lakota, ein anderes Dorf ganz in der Nähe: In einem Lagerhaus versammelt sich die Kooperative Ecakog. Männer und Frauen beteiligen sich gleichermaßen. Als es um die Rollenverteilung geht, beklagt eine Frau, dass sich Väter häufig weniger als Mütter darum kümmern würden, dass die Kinder in die Schule gehen. Aber wie überall im Land gibt es auch hier Hürden für Frauen, etwa wenn sie eigenes Land besitzen wollen. Sie müssen ihren Ehemann um Erlaubnis fragen. Bertine Kouassi Adjoua hat es geschafft.
Eine Frau und ihr Kind - beide in weißen T-Shirts - sitzen auf einem Balkon und lächeln in die Kamera.
Bertine Kouassi Adjoua hat ihr eigenes Einkommen.© Caspar Dohmen
Es sei kompliziert gewesen, erzählt sie. Sie habe ihren Onkel gefragt und der habe ihren Mann überzeugt. Zwei der sechs Hektar, auf denen sie mit ihrem Mann Kakao anbaut, gehören nun ihr.
"Ich habe nun mein eigenes Einkommen. Was auch immer für ein Problem ansteht, ich kann es selbst lösen und muss nicht warten, bis mein Mann entscheidet."

Die Kinder sollen nicht Kakaobauer werden

Die Bauernfamilie gehört zu den Mitgliedern der Kooperative mit den höchsten Erträgen. Früher hat die Familie in einem Lehmhaus gelebt, heute in einem kleinen gemauerten Haus. Adjoua sitzt auf der überdachten Veranda in der Mittagshitze. Auf dem Dach ist eine Satellitenschüssel, in der Küche läuft ein Radio. Aber Wasser schöpft sie weiter mit einem Eimer aus einem zwölf Meter tiefen Brunnen. Die weiterführende Schule ist weit entfernt. Ihre beiden ältesten Kinder leben während der Schulzeit deswegen in einem anderen Dorf. Sollten sie einmal Kakaobauer werden? Adjoua schüttelt ihren Kopf mit dem umgebundenen Tuch, während ihr jüngstes Kind neben ihr mit einem Geldschein spielt. "Nein, sie sollten ins Ausland gehen mit ihrer Ausbildung."
Ein paar Dörfer weiter: ein Fest, drei Zeltdächer. Unter dem Hauptdach sitzen in der ersten Reihe der Chief des Dorfes und ein Vertreter des Ältestenrates, beide mit Hut und einem rot-schwarz-gemusterten Gewand. Ein Medizinmann führt eine Zeremonie durch, holt das Einverständnis der Ahnen für die Fremden, gießt dabei aus einem Glas drei Mal Wasser auf den harten Boden und spricht seinen Segen. Danach erteilt der katholische Geistliche, vor dessen Brust ein schweres Kreuz aus Silber hängt, den Segen Gottes. Alte schwarze Männer haben in der traditionellen Gesellschaft der Elfenbeinküste meist das Sagen. Auch um die politische Macht im Staat werden bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober drei alte Männer ringen.
Eine junge Frau mit buntgemustertem Kleid und einem Schreibheft auf den Knien sitzt in ländlicher Umgebung neben einem Mann vor einem Haus.
"Der Kakaoanbau muss produktiver werden", sagt die Dorfbewohnerin und Unternehmerin Deugri Lobo Esthere.© Caspar Dohmen
Abseits vom Trubel sitzt Deugri Lobo Esthere. Die 42-jährige hat mehrere Jahre in Abidjan gelebt und für den Staat gearbeitet, für gutes Geld. Trotzdem ist sie zurück aufs Land gegangen und hat sich als Unternehmerin selbständig gemacht. Mit eigenem Ersparten und von Freunden geliehenem Geld kaufte sie Land: sechs Hektar. Darauf baut sie Kakao an. Sie beschäftigt dafür zwei Arbeiter. Deugri zieht ihr Kind alleine groß und hilft bei der Woman's Leadership School mit. Fragt man sie, wie die Bauern aus der Armut gelangen könnten, spricht sie über eine Mechanisierung. Der Kakaoanbau müsse produktiver werden, einzelne Arbeitsschritte dauerten viel zu lange. Aber es fehlten die Mittel.
"Banken geben den Bauern hier keinen Kredit, genauso wenig wie Mikrofinanzinstitute." Die Leute helfen sich selbst, so gut es geht. "Wir legen Geld zusammen und dann bekommt einer die Summe für eine Investition."
Fünf Prozent Zinsen zahlen sie in einen gemeinsamen Topf, aus dem sie Gemeinschaftsprojekte finanzieren. Ein Leben in Europa – sie findet das nicht erstrebenswert. Darauf angesprochen, erzählt sie von einem Cousin.
"Er wollte sein Land verkaufen und nach Europa gehen. Als er sich erkundigte, was er dort machen könne, bekam er zu Antwort: Tomaten pflücken. Auf einer Tomatenfarm arbeiten, habe er ungläubig gefragt. Er blieb und holte sich von seiner Schwester Tipps für den Tomatenanbau. Heute verdiene er genug und führe ein gutes Leben."

Eine Tafel Schokolade für einen Euro

Wie sie gibt es eine ganze Reihe junger Unternehmer im Land, die das Geschäft mit dem Kakao verändern wollen. Dazu zählt der Chocolatier Axel Emmanuel Gbaou. Seine Firma verkauft Schokolade in einem Laden in Abidjan, aber auch am Flughafen oder bei der Fluggesellschaft Air France. Die Tafeln sind eingeschlagen in Papier mit afrikanischen Motiven wie Tänzern und Trommlern. Die Kakaobohnen kauft der Unternehmer von einer Frauenkooperative und zahlt für ein Kilo Kakaobohnen fünf statt dem üblichen einen Dollar. Das sei dringend notwendig, erklärt er.
"Ich bin jedes Mal geschockt darüber, wenn in Supermärkten in Deutschland eine Tafel Schokolade einen Euro kostet. Solche Preise führen zu Sklaverei bei den Produzenten."
Seine Schokolade kostet je Tafel umgerechnet rund vier Euro. Rund 10.000 Tafeln verkauft er monatlich. Rasant steigende lokale Absätze erwartet er nicht.
"Die Menschen sind es nicht gewohnt, Schokolade zu essen. Wir müssen uns auf eine andere Wertschöpfung konzentrieren, etwa die Herstellung von Schokoladeneis oder Schokoladenkeksen."
Aus dem Teufelskreis der Armut werden die Kleinbauern in der Elfenbeinküste wohl nur gelangen, wenn die Konzerne und damit auch die Konsumenten aus den Industrieländern ihnen mehr für ihren Kakao bezahlen.
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