Von der Politik überwältigt

Maha Maamoun ist sehr politisch. Die bildende Künstlerin ist zwar in den USA geboren, lebt aber seit ihrem fünften Lebensjahr in Kairo. Mit ihrer Arbeit begleitete und kommentierte sie den Arabischen Frühling - bis hin zur völligen Erschöpfung.
An diesem Abend findet im Goethe-Institut in Kairo eine international besetzte Podiumsdiskussion über Comics statt, mit ägyptischen, deutschen und französischen Teilnehmern. Die alte Villa, in der sich das Institut befindet, liegt im Zentrum von Kairo und ganz in der Nähe des Tahrir-Platzes.
In der Bibliothek unterhält sich Maha Maamoun mit einer Goethe-Mitarbeiterin. Die 32-jährige bildende Künstlerin ist groß und schlank, hat braune schulterlange Haare und sehr grüne Augen. Neben Ausstellungen im Moma in New York, in Berlin oder auf der Architekturbiennale in Venedig hatte sie in letzten Sommer auch eine große Einzelschau im Fridericianum in Kassel.
"Die Kunst wurde für mich immer wichtiger"
"Kunst habe ich nie studiert. Ich hab Wirtschaftswissenschaften studiert an der Amerikanischen Universität in Kairo und danach einen Master in Arabistik abgelegt. Für Kunst hab ich mich immer nebenher interessiert. Aber irgendwann wurde die Kunst für mich doch immer wichtiger und die Wirtschaftswissenschaften sind auf dem Weg verloren gegangen."
Maha Maamoun ist 1972 in Amerika zur Welt gekommen, damals studierte ihr Vater in Kalifornien, doch seit ihrem fünften Lebensjahr hat sie fast ausschließlich in Kairo gelebt. Sie ist ein zurückhaltender Mensch, formuliert vorsichtig und überlegt.
"Angefangen hab ich mit Fotografie, das hat mich zu Beginn am meisten interessiert. Doch dann ging es für mich immer stärker um Kunst im Allgemeinen, und heute arbeite ich mit Fotos, mit Video und auch mit Text..."
Auch in ihrer Kunst stellt sich Maha Maamoun nicht in den Vordergrund. Sie arbeitet viel mit gefundenem Material, mit dokumentarischen Bildern oder Ausschnitten aus alten Filmen.
"Alle sind zutiefst enttäuscht"
Wie viele ägyptische Künstlerinnen und Künstler war auch Maha Maamoun Teil der politischen Protestbewegung in Ägypten, die sich vor bald vier Jahren auf dem Tahrir-Platz formierte.
"Meine Arbeit war schon davor immer politischer geworden. Und dann, nach der Revolution, hat uns die Politik vollkommen überwältigt. Wir haben nur noch politische Texte gelesen, überall nur noch Politik gesehen, es gab nichts anderes mehr."
In einer Videoarbeit über die Frühjahrsrevolution montierte Maha Maamoun Filme aus dem Internet, auf denen Menschen dokumentieren, wie sie das verlassene Gebäude der ägyptischen Staatsicherheit durchsuchen. Mit den verwackelten, nächtlichen Bildern scheint eine neue Ära zu beginnen.
"Es ist wirklich schwer hier zur Zeit. Und ich glaube, alle, die gehofft haben, dass sich etwas verbessern könnte, sind zutiefst enttäuscht, weil sich die Situation im Moment dahin entwickelt, dass alles noch schlimmer werden könnte als unter Mubarak."
Nach dem Militärputsch im Sommer 2014 regiert in Ägypten heute der Ex-Feldmarschall al-Sisi. Im Land herrscht ein allgemeines Demonstrationsverbot. Und die Ernüchterung ist groß.
"Diese massenhafte Propaganda überall, die eiserne Faust des Staates. Der Staat kämpft mit allen Mitteln um seine Existenz. Aktivisten werden ins Gefängnis geworfen, werden zu 15 Jahren Haft verurteilt, weil sie an einer Demonstration teilgenommen haben. Da steckt wirklich eine große Angst dahinter, vor den Leuten, die am Status Quo rütteln."
Überall Panzer in Kairo
In Kairos Stadtzentrum fährt man immer wieder an Panzern vorbei. Die gleichgeschalteten Medien feiern den Präsidenten als Wahrer der nationalen Sicherheit gegen alle Feinde von Innen und Außen .
"Die Leute protestieren nicht mehr öffentlich, sie gehen nicht mehr auf die Straße. Jetzt muss wieder auf andere Art und Weise auf die herrschende Ungerechtigkeit und Korruption aufmerksam gemacht werden. Wer weiß, was noch passieren wird? Natürlich ist die Lage sehr brisant, auch wenn alles unter dem Teppich gehalten wird."
Mit Maha Maamoun nicht über Politik, sondern über Privates, über persönliches Glück vielleicht, zu reden, ist fast nicht möglich. Dass sie in Maadi, einem ziemlich grünen Vorort im Süden von Kairo, lebe und arbeite, erzählt sie irgendwann. Und, dass alle ihre Freunde und auch sie selbst ihren "Burn-out“ bereits hinter sich haben.
Einen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch.
"Eine gute Sache hat uns die Revolution hinterlassen, vielleicht die einzige. Es gibt ein verstärktes Interesse, eine sehr große Neugier vom Publikum, das lernen will, nach einem eigenen Weg sucht, offen ist und kritisch, und auch Verdacht schöpft. Das allgemeine Misstrauen wurde angeregt, und das kann nur gut sein."