Kämpfer für Transparenz im Lebensmittelmarkt

26.09.2010
Man könnte von Etikettenschwindel reden, wenn man sieht, welche Normen vom Verbraucherschutzministerium zur Kennzeichnung von Lebensmitteln gesetzt werden. "Foodwatch"-Gründer Thilo Bode fordert in seinem Buch, dass endlich die Lebensmittelampel eingeführt wird und Verbraucher wissen, was wirklich in den Produkten drinsteckt.
Sie lieben Schokoladenpudding? Der Lebensmittelbuchkommission des Verbraucherschutzministeriums reicht es, wenn er 1 Prozent Kakao aufweist. Und der Kartoffelsalat im Kühlregal ihres Supermarktes darf sich so nennen, auch wenn er nur 20 Prozent Kartoffeln enthält. "Offizielle Verbrauchertäuschung" nennt der Gründer der Verbraucherorganisation Foodwatch solche Normen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit von Lobbyisten und Verbraucherschützern ausgekungelt werden. Das Kölner Verwaltungsgericht hat sogar noch bestätigt, dass die Kommissionsprotokolle unter Verschluss bleiben. Bürgerinformation sieht anders aus. Doch genau daran hapert es an allen Ecken und Enden.

Thilo Bode führt für seine Betrugsvorwürfe zahlreiche Beispiele an. So enthält zum Beispiel ein Tee namens "Der Gelbe - Zitrone Physalis" kein einziges Stück der exotischen Frucht Physalis und Zitrone ist nur als künstliche Zitronensäure dabei. Dafür finden sich in dem 2-Liter-Pack des als Wellness Tee angepriesenen Getränks 47 Stück Würfelzucker.

Der Berliner Verbraucherschützer formuliert stets griffig und anschaulich. Das macht seine Argumentation eingängig und nachvollziehbar, auch wenn sie viele Vorwürfe, die auch schon andere zu Papier gebracht haben, nur mit aktuellen Beispielen wiederholt. Das gilt auch für sein vier Jahre altes, eigenes Buch "Abgespeist". Der Neuigkeitswert ist also begrenzt. Dafür ist der Unterhaltungswert dank der Sprachgewandtheit des Autors groß. Zudem haben sich die Verhältnisse nicht gebessert.

Thilo Bode wettert besonders heftig gegen die Kinderverführung durch als Lebensmittel getarnte Süßigkeiten. Zahlreiche Knabberangebote für Kinder, die als gesunde Zwischenmahlzeiten angepriesen werden, erweisen sich als Zuckerbomben. Eine Milchschnitte, die – so die Werbung – "mit dem Besten aus Eiern, Butter sowie Weizen, Honig und viel frischer Vollmilch gemacht wird", besteht aus etwa 30 Prozent Zucker und 27 Prozent Fett. Thilo Bode nennt sie denn auch "ungefähr so 'empfehlenswert' wie eine Schoko-Sahnetorte".

Gleichzeitig organisieren dieselben Unternehmen, die die Kinder ständig zu Süßem verführen und damit Übergewicht geradezu provozieren, Sportwettkämpfe. Thilo Bode findet das perfide.

Auch bei Teilen der Biobranche ist inzwischen Misstrauen angesagt, denn das sechseckige Biosiegel garantiert zwar Pestizidfreiheit und artgerechte Tierhaltung, unterschlägt aber Herkunftsbezeichnungen, setzt Enzyme, Aromen und Verdickungsmittel ein.

Erschüttert liest man die Meldungen aus den Behörden. Die Kapitelüberschrift sagt alles: "Die Kapitulation der Kontrolleure". Thilo Bode fordert, dass die Ämter endlich Ross und Reiter nennen, stoßen sie auf Betrug oder unhygienische Zustände.

Vor allem plädiert er für die Ampel, die seiner Meinung nach die beste Verbraucheraufklärung ist. Die bisherige Auszeichnungspflicht sieht er als Etikettenschwindel, denn man muss schon sehr gute Augen haben, um die winzig gedruckten Angaben auf den Verpackungen entziffern und verstehen zu können. Die Ampel ist dagegen auch für altersschwache Augen eindeutig.

Wer gerne gut isst, der sollte Thilo Bodes Buch genau lesen, damit er sich nicht mehr so leicht betrügen lässt.

Besprochen von Johannes Kaiser

Thilo Bode: Die Essensfälscher – Was uns die Lebensmittelkonzerne auf den Tisch lügen
S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2010
223 Seiten, 14,95 Euro