Kämpfer für das samische Volk

Von Alexander Budde |
Ole Henrik Magga ist in Norwegen eine lebende Legende. Einst kämpfte er für das Samediggi, das Parlament der samischen Minderheit, und für das Recht auf eigene Sprache und Kultur. Heute setzt er sich bei den Vereinten Nationen für die Interessen der Ureinwohner in aller Welt ein. Ein Besuch in der unwirtlichen Finnmark.
Rentiersuppe! Ole Henrik Magga löffelt sie schweigend. Er ist kein Mann der großen Worte, aber ein fürsorglicher Gastgeber und ein begnadeter Koch.

In der Ecke bullert der Ofen. Die Flammen werfen einen flackernden Schein auf sein kantiges Gesicht, mit der breiten Stirn und der Mongolenfalte. Magga ist Ende 50, mit 1,70 Meter recht zierlich im Wuchs und zur Feier des Tages in die blau-rote Tracht der Saami aus Kautokeino gehüllt.

Ole Henrik Magga: „Starker Kaffee!“

Schon als Kinder mussten wir kräftig mit anpacken, erzählt der Politiker, mit einer dampfenden Tasse Kaffee vor der Nase.

„Ich war 11 oder 12 Jahre alt und ging mit dem Großvater zum Fischen raus. Einmal war ich so erschöpft, dass ich vom Schlitten fiel. Ich bin im Eis eingebrochen, konnte mich nur mit großer Mühe aus dem Wasser ziehen. Großvater hat das erst gar nicht mitbekommen. Und auch später haben wir keiner Seele davon erzählt.“

Neun Monate dauert der arktische Winter. Da wird das Überleben zur alltäglichen Herausforderung. Magga erinnert sich, wie er als Kind mit den Rentieren durch die Tundra zog.

Im Frühling trieben sie die Herden auf die Sommerweiden. Im Herbst zogen sie von den Fjorden und den Fjells, von den Küsten und den Bergen, wieder zurück ins Landesinnere.

Freilich mussten auch die Saami mit der Zeit gehen. Ole Henrik Magga wohnt nur noch selten in der Kote, dem traditionellen Zelt der Nomaden. In seinem rustikalen Holzhaus in Kautokeino haben Ureinwohner ihre Spuren hinterlassen. Ein Wurfspeer der Pygmäen ziert die honiggelb gestrichenen Wände, Federschmuck der Dakota-Sioux und allerhand gerahmte Fotos von Würdenträgern aus aller Welt.

Ein Lied erzählt von Mutzi-njaite, dem Rentier mit weißem Fell und einem Geweih, das stark nach hinten gewachsen ist. Heute besinnen sich viele Saami auf ihr traditionelles Liedgut, das Menschen, Tieren und Landchaften gewidmet ist und zur samischen Kulturgeschichte gehört wie die Rentierzucht in Eis und Schnee.

„Als ich Kind war haben uns die Norweger als ”Lappenteufel” beschimpft. Aber heute ist es geradezu der letzte Schrei, ein Saami zu sein.“

Als Norwegen Anfang der Achtziger Jahre einen Staudamm im Alta-Fluss plante, erwachte der samische Widerstand. Ole Henrik Magga war der Anführer der Rebellen. Er ließ die Baustelle besetzen und das Parlament in Oslo stürmen.

Magga erzählt von der Übereinkunft, die den Saami bis heute ihre Minderheitenrechte sichert. Die Regierung in Oslo bekam ihren Damm. Doch im Gegenzug wurde zum ersten Mal die Existenz der samischen Minderheit anerkannt. Ole Henrik Magga war der erste samische Präsident.

Nachrichten des unabhängigen Sameradios: Ein Scooter-Unglück, drei ausgebüxte Rentiere, Streit um die Weidegründe in der westlichen Finnmark. Immerhin gibt es heute ein samisches Programm im Radio, samische Schulen und sogar eine eigene Universität. Und doch hat die Minderheit bis heute kein Mitspracherecht bei der Nutzung der Weiden, der Wälder und der Flüsse in ihrem Lebensraum.

Dabei geht Ole Henrik Magga auch mit den Saami selbst ordentlich ins Gericht. Auch sie wirtschafteten nicht mehr im Gleichgewicht mit der Natur. Noch nie gab es so viele Rentiere, klagt Magga und appelliert an die Vernunft seiner Mitstreiter.

„Wir haben eine ganz schlichte Naturphilosophie: Nimm nicht mehr als du brauchst, bring die Dinge nicht aus der Balance. Aber heute geht es vor allem doch ums Geld. Und das ist das Dilemma, vor der alle Urbevölkerungen stehen: Die alten Ansichten vom guten Leben, die verschwinden mehr und mehr.“

Für sentimentale Stimmungen hat Ole Henrik Magga keine Zeit. Er will nach Oslo. Die norwegische Regierung hat ein Gesetz über die Nutzung von Grund und Boden in der Finnmark vorgelegt, ohne die Saami auch nur anzuhören. Wir haben keine großen Ansprüche, sagt Magga zum Abschied. Wir wollen nur mit den Herden ziehen. Denn ein Saami ohne Ren, das macht doch keinen Sinn.