Kabarettistische Trends der Zukunft

Von Mirko Schwanitz · 22.01.2012
Zum 17. Mal traf sich in Cottbus was Rang und Namen oder auch noch keinen Namen in der kabarettistischen Newcomerszene hat. Auf dem Festival konnte man sehen, wer dereinst in die Fußstapfen von Dieter Hildebrandt, Gerhard Schramm oder vielleicht Dieter Nuhr treten wird.
Offizieller Festivalsong: "Hast Du Angst, Du müsstest morgen / ohne Gurkenfrühstück geh'n / läuft dir ´ne Laus(itz) über die Leber / ist dein Auto dir zu heil / so unbenutzt dein Wagenheber / nimm die A 13 / komm vorbei / ja komm nach Cottbus."

Die Organisatoren staunten nicht schlecht, wer da alles der musikalischen Einladung des Festivalsongs gefolgt war. Freudig konstatierte denn auch Dr. Ulrike Hartmann vom verantwortlichen Studentenwerk Frankfurt/Oder auf der Eröffnungsgala im Cottbusser Staatstheater:

"Wir haben in diesem Jahr eine Rekordbeteiligung von 28 Gruppen und Solisten, etwa 95 studentische Kabarettisten, das ist beeindruckend - aus zwölf Bundesländern. Wir hoffen, dass wir damit wieder wichtige Impulse für die studentischen Kabarettszene in Deutschland geben können."

Bereits zum 17. Mal fand das Festival statt, das sich inzwischen zu Deutschlands größten Studentenkabaretttreffen entwickelt hat. Dass die Karten für sämtliche Veranstaltungen binnen 48 Stunden ausverkauft waren, zeigt auch, dass sich in der Region längst herumgesprochen hat, dass es bei Studentenkabarett mitnichten nur um Kreditpoints und Mensaessen geht. Der aus Tübingen stammende Philosophiestudent Manuel Holzner etwa beschäftigt sich als Musikkabarettist in seinem Programm mit Wahlverdrossenheit, dem Familienmodell der CDU oder zeigt auf, dass die fortscheitende Altersdiskriminierung in blutigen Aufständen enden könnten.

Musik von Manuel Holzner:"Die Polizei rückt an mit der GSG neun und dem SEK, was sie bitter bereu'n / zu spät sehen sie, womit der Gegner hantiert, auf den Krückstöcken sind Bajonette montiert / Urinbeutelbomben mit Haftcrememasse / Molotowcocktails in der Schnabeltasse."

Andere, wie etwa das aus Gießen stammende Medizinstudentenkabarett "elephant Toilet" widmen sich der Gesundheitsreform und ihren Folgen im alltäglichen Klinikwahnsinn.

elephant Toilet-Beitrag: "Schwester: Da wär noch was. Der Patient ist leider nicht privat versichert. Oberarzt: Warum tut ihr mir das an? Ich habe 18 Kinder mit sechs Frauen. Und alle wollen studieren, Golf spielen und Drogen nehmen. Ich kann mir keine Schmarotzer leisten!"

Die 17 Studenten aus Gießen sind das erste Mal in Cottbus dabei. Sie hoffen, dass die Vernetzung der Studentenkabaretts in Cottbus ihnen auch bei der Professionalisierung behilflich sein kann. Denn schließlich gehe es um mehr, als nur um Klamauk und Frust ablassen, meint Medizinstudent Oliver Vogelbusch:

"Und dieses Thema Professionalisierung ist so eines, das für uns so gerade aufkommt, zusammen mit der Idee, was bedeutet eigentlich Medizinkabarett ... im Zuge der Ausbildung zum Mediziner. Also es gibt Ideen ... zu sagen, das hat einen Wert, dass sich Ärzte in der Ausbildung kreativ mit der Arzt-Patientenbeziehung auseinandersetzen, oder mit den Themen Gesundheitsreform, Hierarchien im Krankenhaus et cetera. Und eine Möglichkeit diesen Perspektivenwechsel zu vollziehen sehen wir unter anderem im Kabarett."

Wie die Gießener Studenten hören viele Teilnehmer in Cottbus erstmals von den Workshops, die hier über die Bundesvereinigung Kabarett angeboten werden. In der Summe von Vernetzung, Austausch und Fortbildung hat sich das Einfälle-Festival zur medial immer noch zu wenig beachteten Kaderschmiede für Deutschlands politische Kabarettszene gemausert.

Der Kabarettist Ingo Börchers etwa hat es längst in Fernsehshows wie "Ottis Schlachthof" geschafft. Andere, wie Andy Sauerwein oder Michael Feindler geben Gastspiele in renommierten Kabaretts wie der Dresdner "Herkuleskeule". Doch viele Studenten spüren auch, dass seit der Bologna-Reform Kabarettmachen nicht immer nur eine lustige Sache ist. Philipp Schaller vom Dresdner Kabarett "Die Herkuleskeule":

"Wenn man dann so ein Programm hat, dann wird ... jedes Wochenende geprobt. Und wenn man dazu keine Zeit hat, braucht man auch kein Programm zu machen. Und wenn das nicht möglich ist, dann muss man sich wirklich entscheiden, entweder ich werde Kabarettist oder ich mache mein Studium."

Cottbus könne einem bei dieser Entscheidung behilflich sein, meint der Politikstudent und Musikkabarettist Michael Feindler. Er hatte das Kabarett auf Grund der Studienbelastung fast aufgegeben:

"In Cottbus habe ich gemerkt, wie sehr mir das gefehlt hat und das ich dringend wieder mehr Kabarett machen will. Es muss nur dieser Gedanke drin sein, dass Kabarett nicht ein Zeitfaktor ist, sondern eine Bereicherung, dass man den trockenen Wissenschaftsbetrieb noch mal durch‘nen anderen Filter sieht. In dieser Hinsicht kann Kabarett ein riesiger Gewinn für eine Universität sein."

Egal ob Musikkabarett, politisch bissige Poetry-Slam oder Geräuschperformance, Cottbus zeige schon jetzt die kabarettistischen Trends der Zukunft. Daher lohne es sich für jede große Kabarettfernsehshow nach Cottbus zu schauen - und nicht nur für den Verfassungsschutz, meint Michael Feindler im Kreise seiner Freunde:

"Das ist ´ne Kaderschmiede, die irgendwann in den Untergrund geht. Bitte? Nein. Gut. Noch mal, noch mal deutlich: Cottbus ist quasi die politische Kaderschmiede der RAF - nur in lustig."
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