Justizskandal

Fehlurteile wegen falscher Haar-Analysen

Falsche Haaranalysen sollen zu Todesurteilen geführt haben
Falsche Haaranalysen sollen zu Todesurteilen geführt haben. © imago stock&people
Von Martin Ganslmeier, ARD-Hörfunkstudio Washington · 20.04.2015
Das FBI hat jahrzehntelang falsche Haar-Analysen durchgeführt. Das gab das US-Justizministerium bekannt. Aufgrund der fehlerhaften Gutachten wurde in 32 Fällen die Todesstrafe verhängt. Für manche der Verurteilten kommt die Entdeckung der falschen Analysen jedoch zu spät.
Schon seit vielen Jahren hatten die Gegner der Todesstrafe den Vorwurf geäußert, dass die Haaranalysen des FBI fehlerhaft waren. Doch erst vor drei Jahren erklärten sich das US-Justizministerium und das FBI bereit, knapp 270 Gerichtsurteile aus der Zeit zwischen 1985 und 2000 zu überprüfen. In all diesen Fällen kam es zu Verurteilungen auf der Grundlage von Haar-Analysen mit dem Mikroskop.
Die nachträgliche Überprüfung erfolgte dagegen mit Hilfe des seit der Jahrtausendwende üblichen DNA-Gentests. Die nun von der "Washington Post" veröffentlichten Ergebnisse fielen für das FBI vernichtend aus: In 95 Prozent der erneut überprüften Fälle erwies sich die Haaranalyse als falsch!
26 der 28 Forensiker beim FBI hatten fehlerhafte Gutachten verfasst. In 32 Fällen wurden die Angeklagten zur Todesstrafe verurteilt. 14 von ihnen wurden hingerichtet oder starben im Gefängnis.
Der Strafverteidiger Brian Claypool sprach im Sender CNN von einem "kolossalen Desaster":
"Dies ist ein systematisches Versagen. Wenn 26 von 28 Haar-Analytikern des FBI falsche Gutachten abgaben, muss man fragen, ob das ein Marschbefehl von oben war".
Im Zweifel für die Anklage
Auch die Todesstrafen-Gegner des "Innocence Project" - zu deutsch "Projekt Unschuld" -, auf deren Druck hin die Überprüfung zustande kam, sprachen von einem "kompletten Desaster" und Justizskandal. Schließlich sei auffällig, dass die Haar-Analysen der FBI-Forensiker so gut wie immer zugunsten der Anklage ausfielen.
Das FBI betonte hingegen, die gerichtsmedizinische Abteilung habe nicht absichtlich falsche Haaranalysen erstellt. Stattdessen habe sich die Untersuchung mit dem Mikroskop als zu ungenau erwiesen.
So sieht es auch der frühere stellvertretende FBI-Direktor Tom Fuentes:
"Kein Analytiker hat bewusst falsche Gutachten vorgelegt oder vorsätzlich gelogen. Man hat damals an die Mikroskop-Technik geglaubt, obwohl sie unzureichend und manchmal fehlerhaft war."
Weitere Urteile sollen überprüft werden
Für viele zu Unrecht Verurteilte bedeuten die DNA-Tests neue Hoffnung. Das US-Justizministerium kündigte an, weitere 2200 Gerichtsurteile aus früheren Jahrzehnten zu überprüfen. Knapp 20 Bundesstaaten wollen dem Vorbild der Bundesregierung folgen.
Immer mehr US-Bundesstaaten haben in den vergangenen Jahren die Todesstrafe abgeschafft oder auf ihre Vollstreckung verzichtet, nachdem DNA-Tests zum Teil erschreckende Fehlurteile ans Tageslicht brachten. Für manche der Verurteilten kam die Wahrheit allerdings zu spät.
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