Keine Nazis als Namensgeber
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Der C.H. Beck Verlag hat erklärt, juristische Standardwerke nicht länger nach Juristen aus der NS-Zeit benennen zu wollen. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich hält den Schritt für notwendig: Namensgeber müssten "integre Persönlichkeiten" sein.
Nationalsozialisten raus aus deutschen Gerichten, Anwaltskanzleien und juristischen Bibliotheken – dazu hat sich nun der C.H. Beck Verlag entschieden:
Mehrere juristische Standardwerke, die bisher nach NS-Juristen benannt sind, werden neue Namen bekommen, das gab der Fachverlag am heutigen Dienstag bekannt. Dazu zählen beispielsweise der "Palandt", der wichtigste juristische Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), und der "Schönfelder", eine bekannte Gesetzessammlung.
Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) begrüßt die "klare Entscheidung" des Verlegers Hans Dieter Beck. Er halte sie für "notwendig", so Eisenreich. "Die Namensgeber von wichtigen Gesetzessammlungen, von wichtigen Kommentaren, müssen integre Persönlichkeiten sein. Sie dürfen keine Nationalsozialisten sein."
Neue Namenspaten
Der "Palandt" ist seit 1938 nach dem Juristen Otto Palandt benannt, der NSDAP-Mitglied und Präsident des Reichsjustizprüfungsamtes war. In Zukunft wird der Namenspate des Nachschlagewerks ein Richter am Bundesgerichtshof sein: Christian Grüneberg.
Der "Schönfelder" wird künftig zum "Habersack": Statt nach dem NSDAP-Juristen Heinrich Schönfelder wird der BGB-Kommentar damit nach dem Präsidenten des Deutschen Juristentags, Mathias Habersack, benannt.
Auch weitere Werke bekommen neue Namenspaten: Der "Maunz/Dürig", einer der wichtigsten Kommentare zum Grundgesetz, soll künftig "Dürig/Herzog/Scholz" heißen, um nicht länger mit dem Titel an den NS-Rechtsprofessor Theodor Maunz zu erinnern.
Der "Blümich", ein Standardkommentar zum Steuerrecht, soll in Zukunft nach den heutigen Herausgebern Peter Brandis und Bernd Heuermann heißen, statt nach dem im Reichsfinanzministerium wirkenden Walter Blümich.
Zeichen gegen Antisemitismus
"In Zeiten zunehmenden Antisemitismus" sei es ihm ein Anliegen, ein Zeichen zu setzen, begründete der Verleger Hans Dieter Beck die Entscheidung.
In den vergangenen Jahren hatte der Verlag die immer wieder geforderte Umbenennung der nach NS-Juristen benannten Werke zunächst noch abgelehnt – mit der Begründung, die Leserinnen und Leser über die Historie "stolpern" lassen zu wollen. "So sollte der Name Palandt bislang als Erinnerung an das dunkelste Kapitel deutscher Rechtsgeschichte sichtbar bleiben", erklärte der Verleger. Jedoch: "Ein Denkmal sollte ihm damit nicht gesetzt werden."
Erinnern an den jüdischen Ursprung
Auch die Initiative "Palandt umbenennen" begrüßt die Entscheidung des Verlags. Janwillem van de Loo ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg und zusammen mit Studierenden hat er die Initiative 2017 gegründet. "Viele haben es gar nicht mehr für möglich gehalten", sagt der Jurist, "Es war ein wirklich langer Schatten, über den der Verlag hier gesprungen ist – über 70 Jahre."
Das komplette Gespräch mit ihm hören Sie hier [AUDIO].
Der C.H. Beck Verlag habe die ersten Bemühungen der Initiative abgeschmettert. Die Begründung sei gewesen, dass der Palandt-Kommentar ein Eigenname, mittlerweile sogar Markenname sei und Otto Palandt damals entnazifiziert gewesen sei.
Danach habe der Verlag den "historischen Zusammenhang" anerkannt, aber immer noch daran festgehalten, um kritisch an die Geschichte zu erinnern. Das habe "Palandt umbenennen" nicht überzeugt, "nicht, weil wir nicht erinnern wollten. Aber wir wollten eben nicht anhand des Namens von NS-Tätern erinnern", sagt van de Loo.
"Unsere Initiative hat sich in den letzten Jahren nicht nur gegen Palandt ausgesprochen, sondern auch für eine andere Benennung, nämlich Otto Liebmann." Liebmann sei in der Weimarer Republik ein erfolgreicher jüdischer Verleger gewesen, "in dessen Hause die Werke erdacht, konzipiert und erstmalig veröffentlicht wurden, die später dann in den Beck-Verlag übergegangen sind".
"Wir glauben nach wie vor, dass es der juristischen Erinnerungskultur in Deutschland einen größeren Dienst erweisen würde, wenn man in den Benennungen dieser Werke eben an die jüdischen Ursprungsautorinnen und -autoren erinnert", meint van der Loo.
Politischer Druck
Durch Politik und Öffentlichkeit hatte sich der Druck auf den C.H. Beck Verlag zuletzt erhöht: Der bayerische Justizminister Eisenreich hatte im Mai beim Institut für Zeitgeschichte eine Studie über Palandt und Schönfelder in Auftrag gegeben, um die NS-Vergangenheit der Namensgeber zu erforschen.
"Ich freue mich aber jetzt, dass das Ergebnis dieser Studie gar nicht abgewartet worden ist, sondern jetzt heute die Entscheidung getroffen und veröffentlicht worden ist", sagt Eisenreich.
Der CSU-Politiker, selbst Jurist, räumt ein, dass er sich erst seit seiner Zeit als Justizminister intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Aktuell stünden auch in seinem Ministerbüro noch die nach NS-Juristen benannten Standardwerke:
"Wenn ich hinter mich schaue, dann hängt hinter mir ein Kreuz. Und darunter gibts ein Regal, in dem stehen der ‚Schönfelder‘ und der ‚Palandt‘. Und das geht einfach nicht. Das ist ein Bild, das wirklich unerträglich ist."
(jfr)