Juristisch ihrem Zweck sehr dienlich

Von Rolf Clement · 14.05.2012
Die Ex-RAF-Terroristin Verena Becker hat heute vor dem Oberlandesgericht ausgesagt. Dabei hat sie nicht gesagt, ob sie quasi aus zweiter Hand weiß, wer Buback ermordet hat. Das musste sie auch nicht, meint Rolf Clement. Bei der Aufarbeitung der eigenen Geschichte half ihr das heute aber nicht.
Verena Becker hat sich heute vor dem Oberlandesgericht Stuttgart sehr genau an die Vorwürfe gehalten, die ihr in diesem Strafprozess gemacht werden. Sie hat weder die Geschichte des Mordes am damaligen Generalbundesanwalt Buback erzählt noch ihre RAF-Geschichte. Mehr konnte und durfte realistischerweise nicht erwartet werden.

Verena Becker hat die Schüsse auf Buback nicht abgegeben, sie war an Planung und Vorbereitung des Anschlags nicht beteiligt und ihre DNA kam nur deshalb an die Briefumschläge, mit denen das sogenannte Bekennerschreiben versandt wurde, weil sie zufällig beim Eintüten vorbeigeschaut hat. Prozessual wollte sie damit den Kopf aus der Schlinge nehmen. Juristisch war das eine ihrem Zweck sehr dienliche Erklärung. Ob sie in allen Punkten wahr ist, steht dahin.

Die Angeklagte ist nicht zur Wahrheit verpflichtet. Sie hat nicht gesagt, ob sie quasi aus zweiter Hand weiß, wer Buback ermordet hat. Das wird hier nicht verhandelt. Verena Becker ist Teil jenes Gefüges der RAF, das auch über das Ende dieser Terrorgruppe Bestand hat. Dazu gehört, dass man sich nicht verrät. Die Gruppe hat nach ihrem Verständnis die Taten zumindest ideell gemeinsam begangen. Verena Becker räumt ein, das sie den Generalbundesanwalt für ein Ziel hielt, das nach der damaligen verqueren Theorie angegriffen werden durfte. Aber für eine Verurteilung muss sie schon konkret etwas getan haben, um diesem Ziel näher zu kommen.

Das Schweigegelübde haben in diesem Prozess alle eingehalten, die etwas wissen könnten. Es gehört zum Deal, dass auch Verena Becker nun keinen verpfeift. Es ist richtig, dass sich Verena Becker von dieser Szene gelöst hat – übrigens anders als manch einer der Ex-Terroristen im Stuttgarter Zeugenstand. Aber die Folgen dieser Loslösung macht sie mit sich selbst aus.

Heute wurde deutlich, dass dieser Strafprozess sie bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte eher behindert. Sie hatte in ihren privaten Unterlagen einen Text, in dem sie darüber nachdachte, was sie den Hinterbliebenen der Opfer geben könnte. Das deutet darauf hin, dass sie mehr weiß, als sie heute gesagt hat. Aber damit kann sie sich erst auseinandersetzen, wenn sie sich nicht mehr gegen konkrete Vorwürfe, die sie wieder ins Gefängnis bringen können, zur Wehr setzen muss.

Es gab einige der Ex-Terroristen, die die Mahnungen des Richters Wieland, endlich die Geschichte der RAF zu erzählen, mit dem Hinweis beantworteten, dies sei nicht der richtige Ort dafür. Das macht auch Verena Becker geltend. Wo ein solcher Ort sein kann, ist schwer auszumachen – schließlich verjährt Mord nicht, und jede authentische Aufarbeitung der RAF-Geschichte könnte zu neuen Prozessen führen, wenn neue Täterschaften bekannt werden. Verena Becker hat heute das geleistet, was in einem Prozess geleistet werden kann. Das hat sie gut und souverän gemacht. Jene, die mehr Klarheit wollten, müssen warten.
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