Jurist Peter Raue

"Die Ermittlungen gegen das ZPS sind ein Skandal"

07:48 Minuten
Ruch spricht in ein Megaphon. Sein Gesicht ist teilweise schwarz angemalt.
Philipp Ruch mache als Kopf der Künstlergruppe gelegentlich künstlerisch grenzwertige Aktionen, aber das dürfe die Kunst, findet Peter Raue. © imago/Sachelle Babbar
Peter Raue im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 04.04.2019
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Seit mehr als einem Jahr wird das Künstlerkollektiv "Zentrum für politische Schönheit" vom Staat überwacht. Jurist und Kulturförderer Peter Raue kann die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Gera nicht nachvollziehen.
Der Künstlergruppe Zentrum für Politische Schönheit gehören rund 70 Kreative an. Sie wird vom Philosophen und Aktionskünstlers Philipp Ruch geleitet. Die Mitglieder sehen ihre Gruppe als eine Denkfabrik, die Menschenrechte mit Aktionskunst verbinden soll. Durch künstlerische Interventionen will man humanitäre Themen bewusst machen. Nach Aktionen, wie dem Nachbau eines Holocaust-Mahnmals vor dem Wohnhaus des AfD-Politikers Björn Höcke in Thüringen, ermittelt seit Monaten die Staatsanwaltschaft Gera und beruft sich dabei auf den Paragrafen 129.
Pter Raue schaut freundlich in die Kamera, er trägt ein Sakko und eine rot-weiß-gemusterte Fliege
Der Rechtsanwalt Peter Raue: "Den Wahnsinn dieser Ermittlungen zu begreifen".© Clemens Bilan/Getty Images
Damit werde die Künstlergruppe kriminalisiert, die Ermittlungen seien nicht nachvollziehbar, sagt Jurist und Kulturförderer Peter Raue im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Man müsse sich die Bedeutung der Ermittlung anhand des 1951 zuletzt modifizierten Paragrafen klarmachen, so Raue, denn dieser laute:
"''Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke darauf gerichtet sind Straftaten zu begehen, kann als Mitglied bestraft werden.' Das heißt, wer staatsanwaltliche Ermittlungen gegen das 'Zentrum für Politische Schönheit' aufnimmt, der unterstellt, dass das Ziel dieser Gruppe ist, Straftaten zu begehen. Man muss das wirklich drei mal sagen, um den Wahnsinn dieser Ermittlungen zu begreifen."

Aktion als gesetzeskonform gewertet

Dass das Landgericht Köln Anfang 2018 die Aktion vor Höckes Haus als Kunstwerk gewertet habe und sie von den Grundsätzen der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt sieht zeige, dass die Staatsanwaltschaft Gera das Urteil nicht kenne oder meint, alles besser zu wissen, so Raue:
"Statt die Energie auf die Hooligans und Nazigruppen, die sich zum Zwecke des Verbrechens zusammentun, zu konzentrieren, ist es natürlich sehr viel einfacher auf eine Gruppe loszugehen, wo jeder der Mitglieder sich öffentlich zeigt, sich bekennt, die Adressen bekannt sind."
Philipp Ruch mache als Kopf der Künstlergruppe zwar gelegentlich mit künstlerisch grenzwertigen Aktionen auf sich aufmerksam, aber das dürfe die Kunst, sagt Raue: "Das Tolle ist ja, dass keiner der Mitglieder für irgendwelche der Aktionen jemals bestraft wurde."

Gesetz gegen Terroristen

Paragraf 129 komme eigentlich nie zur Anwendung. In den letzten 12 Jahren seien lediglich 14 Menschen überhaupt nach diesem bestraft worden. Die Anwendung des Paragrafen beziehe sich auf Mitglieder von Gruppen wie des NSU oder der RAF, deren Ziel es war, Straftaten zu begehen.
"Das kann man bei der Organisation 'Zentrum für Politische Schönheit' wirklich nicht behaupten."
Er kenne keine Gruppe, die eine intellektuelle Auseinandersetzung sucht, die nach Paragraf 129 verfolgt wurde:
"Es ist ein Skandal, diese Ermittlungen 17 Monate undercover zu betreiben und nichts zu finden und dann nicht schleunigst zu sagen 'Wir haben den Fall eingestellt'."
Zwar bedeute grundsätzlich eine Ermittlung erst einmal nichts. "Aber das Phänomenale ist natürlich schon, dass ein Verfahren, das seit über einem Jahr läuft, eine Beunruhigung bei den Betroffenen auslöst.

Normative Kraft des Faktischen

Das könne dazu führen, dass diese bei anderen Veranstaltungen nicht mehr eingeladen werden, wie jüngst als der Innenminister Mitglieder der Gruppe kurzfristig wieder ausgeladen hat.
"Wir nennen das 'Die normative Kraft des Faktischen'. Das heißt, nicht das Gesetz legt ihnen die Balken in den Weg, sondern die Tatsache, das ein Innenminister sagt, 'Um Gottes Willen, wenn das eine Terroristengruppe ist, kann ich sie nicht einladen.'"
(mle)
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