Junghanns: "Das sind unhaltbare Zustände"

Moderation: Marie Sagenschneider · 10.01.2007
Angesichts des Stopps der Öl-Liefungen aus Russland hat der brandenburgische Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns dafür plädiert, die Rohstoffquellen in Deutschland stärker zu nutzen. Ein Energie-Mix müsse preisverlässlich sein und Versorgungssicherheit bieten. Dazu gehöre auch, die Braunkohle aus Brandenburg einzubeziehen, sagte der CDU-Politiker.
Marie Sagenschneider: Herr Junghanns, nun heißt es ja unisono, die Versorgungssicherheit sei gewährleistet, weil die Vorräte eben eine Weile vorhalten werden. Wie lange halten sie denn vor, wie lange können wir denn den russisch-weißrussischen Zwist aussitzen?

Ulrich Junghanns: Ja, 90 Tage ist etwa der Vorrat, der zur Verfügung steht, aber das ist eine Zahl, die muss man wissen. Wichtiger ist vielmehr, daran zu arbeiten, dass dieser Streit beendet wird, und zwar in der Form, dass die Lieferungen wieder stabil in Gang kommen.

Sagenschneider: Ja, denn die Raffinerien in Schwedt bei Ihnen in Brandenburg, die ja von der berühmten Druschba-Pipeline bedient wird, die hat ja jetzt schon ihre Produktion vorsorglich um zehn Prozent gekürzt.

Junghanns: Ja, in der Tat. Es werden circa 30.000 Tonnen täglich verarbeitet, und die Situation, dass eine Umstellung auf andere Lieferungen, auf eine Pipeline zur Ostsee realisiert werden sollen, bedingen eine leichte Reduzierung etwa um zehn Prozent der Produktion am Standort. Wie gesagt, das ist, was die Versorgung angeht, nicht kritisch, aber es zeigt eben auch Wirkungen, die schon eintreten.

Sagenschneider: Wird diese Wirkung auch darin bestehen, dass wir mittel- und langfristig mit Preissteigerungen rechnen müssen?

Junghanns: Das ist ja die große Frage, die im Zusammenhang mit diesen Streit wieder auf die Tagesordnung kommt, sind die Partner, die uns beliefern, vertraglich solide, sind sie vertraglich wirklich Partner, oder spielen sie ihre Position aus? Das, was jetzt gegenwärtig läuft, kann man ja zunächst aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten verstehen, dass es Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit den Lieferungen eines Anreiners entlang der Pipeline gibt, aber dass das auf dem Rücken Dritter teilweise ausgetragen wird, und dass das ausgetragen wird ohne Vorankündigung ist etwas, was den Geist des Vertrages hinterfragen lässt, und da bin ich sehr dankbar, dass die Bundeskanzlerin und auch der EU-Kommissar Piebalgs da klare Worte gefunden haben. Diese Art von Abhängigkeit beziehungsweise diese Art Ausspielen der eigenen Monopolposition fast bei der Versorgung mit Rohöl ist unerträglich.

Sagenschneider: Wie empfinden Sie denn das, ist Russland für Sie noch ein verlässlicher Partner?

Junghanns: Ja, die arbeiten gegenwärtig daran, Zweifel aufkommen zu lassen, sage ich mal. Ich bin natürlich bereit auch im Wissen die Bedeutung der Lieferung eine stabile, verlässliche Partnerschaft auf Gegenseitigkeit aufzubauen. Das, was gegenwärtig läuft, läuft diesem Anliegen zuwider, und ich mahne nur an, dieses schnell, schnell dem Vergessen preiszugeben, auf gut Deutsch gesagt, und diese Streitigkeiten zu beenden.

Sagenschneider: Welches Signal setzt Russland damit? Ist es auch so ein Signal nach dem Motto, ist mir doch egal, was die Europäer denken, ich bin hier der starke Mann, weil ich eben auf diesen Energiequellen sitze?

Junghanns: So weit gehe ich noch nicht, weil man sich auch hineinversetzen muss in die teilweise Schwierigkeiten, die mit dem Betrieb einer solchen Pipeline, mit der Gestaltung eines solchen Vertragswerks mit vielen Partnern einher gehen. Es ist gar keine einfache Konstruktion, eine solche Lieferung zu organisieren. Nur, wie gesagt, ein Streit mit einem Land oder mit einem Beteiligten kann auch mit drastischen Maßnahmen ausgetragen werden, aber nicht auf dem Rücken Dritter. Wir sind nicht offiziell informiert worden. Wir sind gegenwärtig in einer Situation, dass wir keine Hinweise auf den Ausgang dieser Auseinandersetzung haben. Das sind unhaltbare Zustände, die völlig unakzeptabel sind, und da muss deutlich dagegen vorgegangen werden, und ich hoffe, dass es von der Europäischen Kommission nicht nur Ankündigungen, man müsse darüber reden, was das bedeute, und was man daraus macht, und wie man darauf antwortet, gibt, sondern dass man auch schnell zu wirksamen Taten kommt.

Sagenschneider: Das wird ja jetzt wieder fleißig gefordert allerorten, dass man über einen neuen Energie-Mix nachdenken sollte, weil man eben dann doch gemerkt hat, die Konzentration auf nur wenige Lieferanten, das kann heikel sein. Wie könnte denn ein solcher Energie-mix Ihrer Ansicht nach sich gestalten?

Junghanns: Also diese Diskussion um den Energie-Mix ist ja keine Frage nach dem Energie-Mix der Lieferanten, sondern es ist ein Energie-Mix der Energieträger.

Sagenschneider: Aber indirekt hat es schon noch mit den Lieferanten zu tun.

Junghanns: Indirekt hat es was mit den Lieferanten zu tun, aber ein Energie-Mix muss preiswertig sein, muss verlässlich sein, muss Versorgungssicherheit bieten, und er muss natürlich auch den klimapolitischen Gesichtspunkten zunehmend Rechnung tragen, die zurecht uns in der Energiewirtschaft umtreiben, und deshalb brauchen wir stabile Beziehungen zu Lieferanten wie Russland, aber wir brauchen auch eine Besinnung auf die eigenen Möglichkeiten, und die eigenen Möglichkeiten sehe ich insbesondere aus der Sicht von Brandenburg, wir sind auch ein Braunkohleland, darin, dass wir weiter mit Braunkohle in der Zukunft rechnen, dass wir die Arbeit an der Braunkohle zur Senkung des CO2-Ausstoßes zielstrebig vorantreiben, aber weiter auf einheimische Rohstoffe auch setzen, und gleichzeitig den Anteil der erneuerbaren Energien kontinuierlich stärken. Das darf keine Diskussion werden, die das eine gegen das andere ausspielt. Diese Position gegenüber dem Lieferanten Russland als Erdgas- oder Erdöllieferant ist eine Position, die uns besinnen muss, im Umgang mit den eigenen Möglichkeiten solider umzugehen und nicht zu tabuisieren. Die Diskussion in Deutschland läuft ja regelmäßig unter dem Gesichtspunkt, das eine ist das generell Schlechte und das andere das generell Gute. Ich kenne das insbesondere im Umgang mit der Braunkohle. Das ist ein Fehler. Es kommt auf einen Kompromiss an, den man schließt, und es kommt auch darauf an, dass man wissenschaftliche Erkenntnisse dafür nützt, im Energie-Mix einen Energiekompromiss der Energieträger zu finden.

Sagenschneider: Vielen Dank für das Gespräch.