Jungfernfahrt eines Passagierdampfers
Der Kunstverein Bremerhaven zeigt eine Ausstellung der Fotografen Hans Finsler, Erich Salomon und Richard Fleischhut über die Jungfernfahrt des Passagierdampfers Bremen aus dem Jahr 1929. Bei der Schau werden Qualitäten und Möglichkeiten der Moderne in der Fotografie überzeugend sichtbar.
Da schlummert der berühmte Kollege! Ins Rettungsboot hatte sich Erich Salomon zu einem Nickerchen zurückgezogen, notdürftig mit Segeltuch zugedeckt. Aber der Fotograf Hans Finsler hat den bekannten Bildjournalisten entdeckt und geistesgegenwärtig selber auf den Auslöser gedrückt. Verkehrte Welt - denn eigentlich war es Erich Salomon, der mit seiner unauffälligen Ermanox-Kamera stets den "unbewachten Augenblick" abpasste, um Politiker, Stars und andere Prominente seiner Zeit in ganz ungewöhnlichen, intimen Perspektiven zu zeigen.
Hans Finslers Schnappschuss vom schlafenden Ernst Salomon entstand während der Jungfernfahrt des Passagierdampfers "Bremen" von Bremerhaven nach New York im Juli 1929. Die erste Reise des luxuriösen Dampfers in windschnittiger Stromlinienform, innen gestaltet im damals aktuellen Art-déco-Design, wurde von einem starken Medienecho begleitet. Nach all dem wirtschaftlichen Schlamassel der Weimarer Republik galt der elegante Dampfer als Hoffnungsträger. Die Reederei, der "Norddeutsche Lloyd", hatte deshalb drei hervorragende, freilich höchst unterschiedlich arbeitende Fotografen an Bord gebeten.
Kähler: "Der Norddeutsche Lloyd, wie auch die anderen Reedereien, haben ja eine große, damals nannte man das noch so: "Propadandaabteilung" unterhalten, die genau diese Sachen ja auch inszeniert haben und dann eben auch dokumentarisch begleitet haben, um sie dann auch in der Werbung zu benutzen. Und in diesem Kontext müssen wir auch das Bemühen sehen, bestimmte Fotografen an Bord zu haben, die dann auch besonders für die Zeit waren."
Kai Kähler vom Kunstverein Bremerhaven hat die Schwarz-Weiß-Arbeiten der drei Fotografen zusammengestellt. "Ursprünglich sollten sie im nagelneuen Bremerhavener Kunst-Museum gezeigt werden. Aber dann wurde die Auswahl doch so umfangreich, dass man sich für eine eigenständige Präsentation in der benachbarten Kunsthalle entschied."
Vielleicht hätte es nahe gelegen, die Arbeiten von Erich Salomon, Hans Finsler und dem Dritten im Bunde, dem sehr tüchtigen Bordfotografen Richard Fleischhut, in drei Abteilungen jeweils getrennt zu zeigen. Aber Kai Kählers Hängung simuliert eine Chronik der Reise: Nach dem Ablegen des Ozeanriesen von der Columbuskaje folgt ein erster Rundgang durch das Schiff mit seiner modernen Innenarchitektur. Wir verfolgen die Tagesroutine der meist betuchten Passagiere, sehen sie schläfrig an Deck beim Sonnenbaden, aufgekratzt in Swimming-Pool und Fitnessraum, und schauen ihnen schließlich beim opulenten Abendessen in die silbernen Schüsseln.
Schließlich, nach einem Rekord für die schnellste Ozeanüberquerung, macht die "Bremen" vor der Kulisse Manhattans am Hoboken-Pier fest. Kapitän Leopold Ziegenbein zeigt sich vor der Kulisse der wachsenden Wolkenkratzer; dem nagelneuen Chrysler-Building fehlt noch die extravagante, spitz zulaufende Haube.
Mit dieser Hängung wird der Reiz der Aufnahmen und die unterschiedliche Bildsprache der drei Fotografen deutlich. Ernst Salomon ist 1929 kein Unbekannter mehr. Der 1886 in Berlin geborene, promovierte Jurist hatte sich durch Reportagen aus Gerichtssälen einen Namen gemacht. Er sucht den "unbewachten Augenblick", um mit seiner kleinen Kamera Schnappschüsse zu machen. Stets elegant gekleidet, vermutet niemand in dem feinen Herrn den raffinierten Fotografen, der seine Kamera auch mal in einem schwarzen Verband für den angeblich gebrochenen Arm, in ausgehöhlten Büchern und im Diplomatenköfferchen versteckt.
Kähler: ""Er war wohl der beste Bildjournalist, den der Ullstein-Verlag damals unter Vertrag hatte, und er ist eben vom Verlag ganz bewußt an Bord geschickt worden, um das besondere Ereignis der Jungfernfahrt der "Bremen" zu begleiten."
Salomons Kamera überrascht eine Runde von Unternehmern, die sich morgens um vier zu einer feucht-fröhlichen Nachfeier mit Zigarren und Schampus zurückgezogen hat. Auf einem anderen Foto fläzt sich eine elegante Dame in weißem Kleid und weißem Hut auf dem Schoß eines im Deckstuhl liegenden Herrn und plauscht angeregt mit dessen Nachbarn, während der Passagier nebenan ungerührt in seinem Buch liest.
Kähler: "Ein sehr liebevoller Umgang mit Leuten in Situationen, in denen sie vielleicht nicht unbedingt gern aufgenommen werden wollen - das zeichnet ihn aus. Einen sehr gefühlvollen Umgang mit Leuten in intimen Situationen."
Hans Finsler dagegen, Jahrgang 1891, setzt andere Akzente. Er hatte sich als Meister neusachlicher Fotografie einen Namen gemacht. Die Menschen an Bord interessieren ihn nur am Rande. Umso mehr rückt er die moderne Schiffsarchitektur ins Bild, zeichnet deren geometrische Strukturen nach, steigert die Wirkung noch durch ungewohnte Anschnitte und starke Hell-Dunkel-Kontraste. Seine Aufnahme der auf dem obersten Deck orgelartig aufragenden Ventilatorenschächte lässt an die futuristischen Kulissen von Fritz Langs Film "Metropolis" denken. Fotos vom Treppengeländer oder Lampen feiern eine schnörkellose, funktionelle Moderne, die mit dem prätentiösen Pomp einer "Titanic" nichts mehr gemein hat.
Richard Fleischhut schließlich, zehn Jahre älter als Finsler, hatte neben seiner Konditor-Lehre auch eine Fotografen-Ausbildung absolviert. Zunächst arbeitete er als Zuckerbäcker auf Lloyd-Dampfern, dann bot man ihm eine Stelle als Bordfotograf. Seine behutsam arrangierten Porträts waren bei den Passagieren beliebt.
Kähler: "Überhaupt sind gerade seine Aufnahmen von Personen, ‚das hat Finsler beispielsweise nicht gemacht’, von einer großen Leichtigkeit geprägt. Sie sind sehr natürlich. Ich glaub, das liegt auch in seiner Person begründet, es ist ihm immer gelungen, von seinem Wesen her, leicht Zugang zu Personen zu bekommen, die sich in seiner Gegenwart viel, viel ungezwungener bewegt haben, als das vielleicht bei anderen Fotografen der Fall war."
Salomon, Finsler, Fleischhut - in diesem Dreiklang werden Qualitäten und Möglichkeiten der Moderne in der Fotografie überzeugend sichtbar.
Hans Finslers Schnappschuss vom schlafenden Ernst Salomon entstand während der Jungfernfahrt des Passagierdampfers "Bremen" von Bremerhaven nach New York im Juli 1929. Die erste Reise des luxuriösen Dampfers in windschnittiger Stromlinienform, innen gestaltet im damals aktuellen Art-déco-Design, wurde von einem starken Medienecho begleitet. Nach all dem wirtschaftlichen Schlamassel der Weimarer Republik galt der elegante Dampfer als Hoffnungsträger. Die Reederei, der "Norddeutsche Lloyd", hatte deshalb drei hervorragende, freilich höchst unterschiedlich arbeitende Fotografen an Bord gebeten.
Kähler: "Der Norddeutsche Lloyd, wie auch die anderen Reedereien, haben ja eine große, damals nannte man das noch so: "Propadandaabteilung" unterhalten, die genau diese Sachen ja auch inszeniert haben und dann eben auch dokumentarisch begleitet haben, um sie dann auch in der Werbung zu benutzen. Und in diesem Kontext müssen wir auch das Bemühen sehen, bestimmte Fotografen an Bord zu haben, die dann auch besonders für die Zeit waren."
Kai Kähler vom Kunstverein Bremerhaven hat die Schwarz-Weiß-Arbeiten der drei Fotografen zusammengestellt. "Ursprünglich sollten sie im nagelneuen Bremerhavener Kunst-Museum gezeigt werden. Aber dann wurde die Auswahl doch so umfangreich, dass man sich für eine eigenständige Präsentation in der benachbarten Kunsthalle entschied."
Vielleicht hätte es nahe gelegen, die Arbeiten von Erich Salomon, Hans Finsler und dem Dritten im Bunde, dem sehr tüchtigen Bordfotografen Richard Fleischhut, in drei Abteilungen jeweils getrennt zu zeigen. Aber Kai Kählers Hängung simuliert eine Chronik der Reise: Nach dem Ablegen des Ozeanriesen von der Columbuskaje folgt ein erster Rundgang durch das Schiff mit seiner modernen Innenarchitektur. Wir verfolgen die Tagesroutine der meist betuchten Passagiere, sehen sie schläfrig an Deck beim Sonnenbaden, aufgekratzt in Swimming-Pool und Fitnessraum, und schauen ihnen schließlich beim opulenten Abendessen in die silbernen Schüsseln.
Schließlich, nach einem Rekord für die schnellste Ozeanüberquerung, macht die "Bremen" vor der Kulisse Manhattans am Hoboken-Pier fest. Kapitän Leopold Ziegenbein zeigt sich vor der Kulisse der wachsenden Wolkenkratzer; dem nagelneuen Chrysler-Building fehlt noch die extravagante, spitz zulaufende Haube.
Mit dieser Hängung wird der Reiz der Aufnahmen und die unterschiedliche Bildsprache der drei Fotografen deutlich. Ernst Salomon ist 1929 kein Unbekannter mehr. Der 1886 in Berlin geborene, promovierte Jurist hatte sich durch Reportagen aus Gerichtssälen einen Namen gemacht. Er sucht den "unbewachten Augenblick", um mit seiner kleinen Kamera Schnappschüsse zu machen. Stets elegant gekleidet, vermutet niemand in dem feinen Herrn den raffinierten Fotografen, der seine Kamera auch mal in einem schwarzen Verband für den angeblich gebrochenen Arm, in ausgehöhlten Büchern und im Diplomatenköfferchen versteckt.
Kähler: ""Er war wohl der beste Bildjournalist, den der Ullstein-Verlag damals unter Vertrag hatte, und er ist eben vom Verlag ganz bewußt an Bord geschickt worden, um das besondere Ereignis der Jungfernfahrt der "Bremen" zu begleiten."
Salomons Kamera überrascht eine Runde von Unternehmern, die sich morgens um vier zu einer feucht-fröhlichen Nachfeier mit Zigarren und Schampus zurückgezogen hat. Auf einem anderen Foto fläzt sich eine elegante Dame in weißem Kleid und weißem Hut auf dem Schoß eines im Deckstuhl liegenden Herrn und plauscht angeregt mit dessen Nachbarn, während der Passagier nebenan ungerührt in seinem Buch liest.
Kähler: "Ein sehr liebevoller Umgang mit Leuten in Situationen, in denen sie vielleicht nicht unbedingt gern aufgenommen werden wollen - das zeichnet ihn aus. Einen sehr gefühlvollen Umgang mit Leuten in intimen Situationen."
Hans Finsler dagegen, Jahrgang 1891, setzt andere Akzente. Er hatte sich als Meister neusachlicher Fotografie einen Namen gemacht. Die Menschen an Bord interessieren ihn nur am Rande. Umso mehr rückt er die moderne Schiffsarchitektur ins Bild, zeichnet deren geometrische Strukturen nach, steigert die Wirkung noch durch ungewohnte Anschnitte und starke Hell-Dunkel-Kontraste. Seine Aufnahme der auf dem obersten Deck orgelartig aufragenden Ventilatorenschächte lässt an die futuristischen Kulissen von Fritz Langs Film "Metropolis" denken. Fotos vom Treppengeländer oder Lampen feiern eine schnörkellose, funktionelle Moderne, die mit dem prätentiösen Pomp einer "Titanic" nichts mehr gemein hat.
Richard Fleischhut schließlich, zehn Jahre älter als Finsler, hatte neben seiner Konditor-Lehre auch eine Fotografen-Ausbildung absolviert. Zunächst arbeitete er als Zuckerbäcker auf Lloyd-Dampfern, dann bot man ihm eine Stelle als Bordfotograf. Seine behutsam arrangierten Porträts waren bei den Passagieren beliebt.
Kähler: "Überhaupt sind gerade seine Aufnahmen von Personen, ‚das hat Finsler beispielsweise nicht gemacht’, von einer großen Leichtigkeit geprägt. Sie sind sehr natürlich. Ich glaub, das liegt auch in seiner Person begründet, es ist ihm immer gelungen, von seinem Wesen her, leicht Zugang zu Personen zu bekommen, die sich in seiner Gegenwart viel, viel ungezwungener bewegt haben, als das vielleicht bei anderen Fotografen der Fall war."
Salomon, Finsler, Fleischhut - in diesem Dreiklang werden Qualitäten und Möglichkeiten der Moderne in der Fotografie überzeugend sichtbar.