Junge Politiker über Kanzlerkandidatur

"Merkel macht einen guten Job"

Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Pressekonferenz in der CDU-Parteizentrale in Berlin
Angela Merkel steht für Konsens, weniger für den politischen Streit. Das empfindet auch der Polit-Nachwuchs so. © picture alliance / dpa / Kay Nietfeld
Janis Fifka und David Plahl im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 21.11.2016
Gibt es schon so etwas wie eine Generation Merkel? Wie bewerten zwei junge Europa-Parlamentarier die Ankündigung der Bundeskanzlerin, für eine weitere Amtszeit zu kandidieren? Janis Fifka (SPD) und David Plahl (CDU) reagieren gelassen: Wozu streiten um des Streites willen.
Angela Merkel tritt noch mal an – für eine vierte Amtszeit als Kanzlerin. Eine ähnliche Situation gab es schon einmal, unter Helmut Kohl. Damals arbeiteten sich die jungen Politiker gehörig an dem CDU-Politiker ab, den nicht nur Jusos, Jungliberale und junge Grüne, sondern auch viele Vertreter der Jungen Union nicht mehr an der Spitze der Regierung haben wollten.
Wie sehen die jungen Politiker die Situation in den Zeiten der Konsenskultur? Janis Fifka (SPD) und David Plahl (CDU) sitzen beide im Europäischen Jugendparlament. Beide haben kein Problem damit, weitere vier Jahre von Angela Merkel regiert zu werden – auch wenn Juso Fifka bei Merkel "Vision und Zielrichtung" vermisst.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Hände zur Raute aneinandergelegt
Die Merkel-Raute.© picture alliance /dpa /Michael Kappeler

Das Interview im Wortlaut

Korbinian Frenzel: Kleine Anekdote aus einer Berliner Grundschule: Ein kleines Mädchen und eine aus ihrer Sicht vollkommen berechtigte Frage: Kann in Deutschland auch ein Mann Kanzlerin werden? Kann schon, aber ob das schon 2017 so wird, mal sehen. Angela Merkel kandidiert wieder, die Ankündigung von gestern Abend, die im Ausland viele beruhigt haben dürfte, hierzulande den einen oder anderen auch, aber wie geht es eigentlich einer jungen politischen Generation? Stellt sich da langsam das Helmut-Kohl-Gefühl ein, der muss weg? Oder gibt es schon so was wie eine Generation Merkel, pragmatisch, praktisch, gut, die sich gar nichts anderes mehr vorstellen mag? Zwei deutsche Mitglieder im Vorstand des Europäischen Jugendparlaments haben wir jetzt zu Gast, David Plahl, Jahrgang 1995, aktuell in Lyon und dort am Telefon. Guten Morgen!
David Plahl: Guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Und Janis Fifka, Jahrgang 1993, aus Münster zugeschaltet. Auch Ihnen einen guten Morgen!
Janis Fifka: Guten Morgen!
Frenzel: Herr Fifka, zwölf Jahre Merkel plus eventuell vier weitere, macht zusammen 16. Bräuchen wir mal was Neues?
Fifka: Ich finde schon, dass Merkel für viele Menschen Stabilität bedeutet, das mag vielleicht was Gutes sein. Es wird ja auch immer gesagt, die Welt verändert sich, aber ich glaube, das ist genau das Problem. Sie steht für dieses "Es ändert sich nichts." Das täuscht aber eben über diesen Umbruch hinweg, und gerade deshalb – das hat sie ja auch betont – die Welt geht irgendwie aus den Fugen, und es wäre jetzt also nicht unbedingt so gewesen, dass das passiert wäre, wenn sie gestern ihren Rückzug erklärt hätte. Das war ja so die Äußerung von manchen Seiten, es hätte keine Alternative gegeben, und als letzte Verteidigerin des Freien Westens, wie sie dann teilweise tituliert wurde, würde ich sie jetzt nicht einschätzen.

"Merkel macht insgesamt einen guten Job"

Frenzel: Herr Plahl, wie ist das bei Ihnen? Möchten Sie sich auch mal einen anderen im Kanzleramt vorstellen, oder ist Ihnen ganz wohl bei der Vorstellung, da bleibt ein vertrautes Gesicht?
Plahl: Ich muss schon sagen, dass ich natürlich insgesamt denke, dass Merkel eigentlich einen ganz guten Job macht. Sie hat ja gestern auch dieses Zitat gebracht: Ich brauche lange, und die Entscheidungen fallen spät, dann stehe ich aber auch dazu, und ich glaube, das beschreibt ihren Politikstil eigentlich ganz gut, dass sie eben tatsächlich sehr ausgewogen, lange dann auch über Entscheidungen nachdenkt, die dann aber eben auch sehr durchdacht sind.
Frenzel: Sie sprechen jetzt beide sehr moderat. Da frage ich mich, hätten Sie vielleicht manchmal gern Politiker an der Spitze, wo Sie richtig jubeln können? Herr Fifka?
Fifka: Also Jubeln – ich finde, es gehört schon Begeisterung und irgendwie Leidenschaft zur Politik dazu. Es geht ja irgendwie auch darum, wie geht es weiter mit dem Land oder mit Europa, und wenn sich da Menschen für begeistern können, ist das, finde ich, wichtig.
Frenzel: Sich begeistern können, aber eben auch andere begeistern können. Wir haben Obama vorhin gehört. Das war ja wirklich ein Politiker – ich sag schon "war", er ist ja noch ein kleines bisschen im Amt –, der begeistern konnte. Fehlt Ihnen das manchmal, so als politische Generation, die eben mit dieser Angela Merkel aufgewachsen sind, dass man sagt, hey, das ist meine Kanzlerin, die kann gut reden, die ist cool, die ist lässig.

Cool wie in den USA?

Plahl: Ich glaube schon, dass das vielleicht ein bisschen einfach generell im politischen System fehlt. Ich glaube, dass aber da auch der amerikanische Wahlkampf und auch generell, wie das politische System in den USA dann einfach auch gestrickt ist, da einfach auch noch ein bisschen mehr der Fokus darauf liegt, wohingegen dann vielleicht ab und an, in letzter Zeit ja auch leider nicht mehr so stark, der Fokus da noch eher dann auch auf den Inhalten lag. Es kann aber natürlich durchaus sein, dass sich das auch weiter verschiebt, und natürlich würde man sich irgendwie wünschen, dass man einen so begnadeten Redner hat, wie eben Obama das auch ist, vielleicht an der Spitze. Ich freue mich aber persönlich schon auch, wenn ich Merkel sehe.
Frenzel: Herr Plahl, Sie sind gerade in Frankreich, ich habe es gesagt, in Lyon. Sie haben da jetzt auch den spannenden Tag, den spannenden Abend gestern erlebt mit der Vorwahl der französischen Republikaner, also der Schwesterpartei der Union. Wenn Sie das jetzt vergleichen, Frankreich/Deutschland, würden Sie sagen, die Franzosen mit ihren aufgeregten Zeiten sind politisch für junge Menschen spannender?
Plahl: Ja, ich glaube schon, dass im Moment hier die Partizipation der jungen Menschen doch sehr viel höher ist als in Deutschland, einfach auch, weil für die jungen Menschen hier die Zukunft einfach sehr viel ungewisser ist. Die wirtschaftliche Situation ist nicht so gut wie in Deutschland, und dadurch engagieren sich tatsächlich auch die jungen Menschen hier, vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, als das in Deutschland der Fall ist. So Vorwahlen zu haben, ist, glaube ich, schon, wenn sie gut gemacht sind, ein guter Weg irgendwie, um auch so einen Kanzlerkandidaten zu bestimmen, durchaus.
Frenzel: Also wäre auch eine schöne Idee gewesen für Deutschland, dass die CDU sagt, ja, schauen wir doch mal, wer es machen könnte?
Plahl: Ja, auf jeden Fall. Ich glaube aber, dass man da eben dann auch ein bisschen aufpassen muss. Hier war es jetzt so, dass die Leute, die dann gewählt haben in den Vorwahlen, nur eine Karte unterzeichnen mussten, und jetzt, dass wohl auch dadurch Fillon nach vorn gekommen ist, dass eben dann die FN-Unterstützer eigentlich eben einen Sarkozy unterstützt haben, und die Sozialisten dann eben einen Juppé, weil sie eben gedacht haben, dass die beiden jeweils gegen Le Pen die geringeren Chancen hatten.

Sie bietet kein Patentrezept

Frenzel: Also durchaus strategische Überlegungen. Ich verorte Sie beide mal politisch. Bisher hat man es nicht wirklich gemerkt, aber ich tue es mal. Wir haben gerade gehört Herrn Plahl, der ist bei der Jungen Union. Herr Fifka, Sie sind bei den Jusos, also in der Jugendorganisation der SPD. Wenn ich einen Juso in den Neunzigern zu Helmut Kohl befragt hätte, da hätte der Gift und Galle gespuckt. Wie heftig sind Ihre Reflexe gegen Angela Merkel?
Fifka: Das ist ja – das ist ja nicht das Problem mit Reflexen. Es geht ja nicht unbedingt darum, sich an ihrer Person abzuarbeiten. Ich glaube, sie hat auch viel Anerkennung in vielen politischen Spektren bekommen beispielsweise für ihre Entscheidung im letzten Jahr, die Balkanroute nach Deutschland zu öffnen, weil es in Europa keine Lösung gab. Aber trotzdem, finde ich, ist es richtig, sich an ihr abzuarbeiten.
Gerade das, was ich vorhin schon erwähnt habe, dass sie oft nicht richtig verortet, wo sie jetzt ist, und ich würde mir schon wünschen – Di Lorenzo, der Chefredakteur von der "Zeit", hat gestern gesagt, na ja, sie bietet ja kein Patentrezept an, und das ist das Gute an ihr. Ja, das stimmt. Ich erwarte auch kein Patentrezept von unseren Politikerinnen und Politikern oder von uns – alle gehören dazu, die Politik machen, das sollte man nicht so sehr trennen. Aber irgendwie eine Zielbeschreibung, und das ist ja genau das, was David vorhin auch gesagt hat, sie wartet immer sehr lange ab und entscheidet sich spät.
Das ist auch in Ordnung, man muss sich Zeit nehmen für Entscheidungen, aber irgendwie würde ich ja doch trotzdem erwarten, dass ich ein bisschen mehr bekomme als nur – ja, diese Fragen werden wir stellen, und die Antworten werden wir finden. Natürlich, nicht jeder hat diese Antworten sofort parat, aber mir fehlt manchmal so ein bisschen trotzdem die Zielrichtung und Vision, und die hat sie, finde ich, nicht ausreichend.
Frenzel: Gibt es etwas, was Angela Merkel Ihrer Generation mitgegeben hat, zum Beispiel das, was Sie gerade beschrieben haben, also dieses Zögerliche, Abwägende?
Fifka: Ich weiß nicht, ob das etwas ist, was Angela Merkel sozusagen übertragen hat oder ob das was Paralleles ist, aber ich habe tatsächlich das Gefühl, dass es für viele junge Leute mittlerweile – ich weiß nicht, ob das schwer geworden ist oder ob es bewusst ist, dass viele Leute sich nicht mehr politisch wirklich verorten wollen, sagen wollen, bin ich jetzt, würde ich mich als links einstufen, bin ich eher grün, oder wo stehe ich eigentlich, also wirklich zu Themen politisch Stellung zu nehmen, sondern das ist eher so einzeln mal, also Parteien und Politik, das ist, weiß ich nicht, ist das noch sexy so, die Frage? Und ich glaube, da hat sie ihren Anteil sicherlich zu beigetragen.
Frenzel: Herr Plahl, Herr Fifka, ich habe eine Frage zum Abschluss an Sie beide, bitte mit einer kurzen Antwort, es reicht mir ein Name. Herr Plahl, wer soll Kanzler/Kanzlerin sein nach 2017?
Plahl: Als CDU-Mitglied muss ich tatsächlich sagen, schwierig. Vielleicht wieder Merkel, ansonsten muss man schauen.
Frenzel: Janis Fifka, was sagen Sie? Sigmar Gabriel?
Fifka: Ich glaube, es gäbe in der SPD sicherlich auch einige Frauen, die das gut machen könnten, also eine Frau, die es mit Angela Merkel aufnimmt?
Frenzel: Haben Sie einen Namen?
Plahl: Ich könnte mir zum Beispiel Manuela Schwesig gut vorstellen, aber – das ist letztendlich nicht meine Entscheidung.
Frenzel: Vielleicht 2021. David Plahl und Janis Fifka, ich danke Ihnen beiden für dieses Gespräch. Sie sind beide im Vorstand des Europäischen Jugendparlaments in Deutschland. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Fifka: Danke, ebenso!
Plahl: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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