Die Förderlogiken für gesellschaftliches Engagement sind sehr weiß dominiert. Migrantisierte Menschen verfolgen in ihrem Leben oftmals sehr viele Ehrenämter, ohne das so zu benennen.
Ines Callsen, Leiterin "Jugendstil-Projekt"
Projekt "Jugendstil*"
Der Politikstudent Dennis Chiponda möchte "Brücken in die Mehrheitsgesellschaft schlagen". © Dennis Chiponda
Junges migrantisches Leben im Osten sichtbar machen
06:02 Minuten
Junge Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich in Ostdeutschland oft nicht gehört oder gesehen. Eine in Halle gestartete Initiative will das nun ändern, ihnen eine Plattform geben, Ideen anstoßen und Projekte finanziell und ideell unterstützen.
An einem lauen Sommerabend tanzt jemand in einem glitzernden Paillettenkleid im Voguing-Stil auf einer schwarz-weißen Tanzfläche. Das Bild erinnert an die queere migrantische Ballroom-Szene in New York. Doch wir befinden uns in Leipzig auf dem True Colors Festival. Es wird gefördert und unterstützt vom Jugendstil-Projekt aus Halle.
Leiterin Ines Callsen will jungen Menschen in Ostdeutschland mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte mehr gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Das Projekt ist zusammen mit dem Dachverband der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland und der Stiftung Bürger für Bürger entstanden.
Junge Stimmen werden oft nicht gehört
"In den Communitys wissen die Menschen natürlich, was für coole und tolle Projekte sie machen und welche Wirkung sie haben, aber in der weißen Mehrheitsgesellschaft wird das relativ wenig wahrgenommen. Jedenfalls merken wir das in Ostdeutschland", sagt Callsen.
Vor allem junge Stimmen würden in Ostdeutschland oft nicht gehört, weil sich Menschen mit eigener oder familiärer Einwanderungsgeschichte nicht angesprochen fühlen. Deswegen sei ein Förderinstrument speziell für diese Zielgruppe nötig.
Menschen mit Migrationshintergrund vermitteln im Alltag oft interkulturell, übersetzen zwischen Familien und Behörden. Leistungen, die selten anerkannt werden, sondern die sie im Gegenteil immer wieder als Fremde kennzeichnen, erklärt Callsen. In Ostdeutschland fehlen ihrer Wahrnehmung nach oft Rollenvorbilder für junge, migrantisch verstandene Menschen.
Junge Jury entscheidet über Förderung
In der Jugendjury des "Jugendstil"-Projekts entscheiden junge Menschen mit Migrationshintergrund über die Fördermittel. Möglichst niedrigschwellig sollen Projekte mit bis zu 1000 Euro unterstützt werden.
Bei der Auswahl von Ideen sei es besonders wichtig, dass Projekte "Brücken schlagen in die Mehrheitsgesellschaft, denn am Ende muss die Mehrheitsgesellschaft ja ihr Verhalten ändern, damit wir uns in der Gesamtgesellschaft wohler fühlen", sagt Jurymitglied Dennis Chiponda, Politikstudent aus Leipzig.
"Jugendstil" unterstützt nicht nur finanziell, sondern auch ideell, bestärkt Ideengebende und hilft bei Papierkram. Bisher werden vor allem Projekte in sächsischen Großstädten gefördert. Im kommenden Jahr sollen noch mehr Regionen dazukommen, auch im ländlichen Raum und in anderen Bundesländern.