Jung und optimistisch

Von Leonie March |
Jahrelang wanderten junge, gut ausgebildete Südafrikaner in Länder aus, die ihnen eine bessere Bezahlung und Schutz vor Kriminalität boten. Jetzt zeigen Statistiken einen entgegen gesetzten Trend: Über zwei Drittel aller Auswanderer denken laut Studien über eine Heimkehr nach, mehrere tausend haben diesen Schritt bereits vollzogen.
Heimweh ist einer der Gründe aber auch eine optimistische Grundhaltung gegenüber der Entwicklung in Südafrika. Für sich sehen die Exmigranten dort gute berufliche Chancen, nicht zuletzt, weil in Südafrika die Nachfrage nach Fachkräften sehr groß ist. Dazu kommen gute Ausbildungsmöglichkeiten für ihre Kinder.

Justin: "Südafrika scheint vielen Leuten besonders unter die Haut zu gehen. Dieses Land hat etwas an sich, das ihr Herz berührt."

Martine: "Als Südafrikanerin kann ich die Zukunft meines Landes mitgestalten. Ich kann jeden Tag etwas zu seiner Entwicklung beitragen."

Sydney: "Es ist ein wunderschönes Land - voller Möglichkeiten und voller Energie. Wir sind eine junge Gesellschaft im Aufbau. Wir haben viel zu lernen, aber wir werden unser Ziel erreichen."

Drei Südafrikaner. Drei Menschen, die an ihr Land glauben. Justin Foxton, Martine Schaffer und Sydney Tumelo Mokheti. Justin Foxton ist 37 Jahre alt. Seine Mission: Die Ursachen der Kriminalität zu bekämpfen. Mit der Kampagne: "Stop Crime – Say Hello".

"Meine Botschaft richtet sich in erster Linie an die Bürger. An diejenigen, die meinen, dass Regierung und Polizei allein für das Problem mit der Kriminalität und dessen Lösung verantwortlich sind. Diese Einstellung muss sich ändern. Alle müssen Verantwortung übernehmen. Wenn wir die Bevölkerung mobilisieren können, werden wir alle sozialen Probleme lösen. Davon bin ich überzeugt."

Ein anderes Ziel verfolgt Martine Schaffer: Sie ebnet gut ausgebildeten Südafrikanern die Rückkehr nach Hause. Mit ihrem gemeinnützigen Unternehmen "Homecoming Revolution".

"Wir bieten viele unterschiedliche Serviceleistungen an: Auf unserer Webseite finden sie Stellenanzeigen von Unternehmen, die nach besonderen Fachkräften suchen. Wir haben Informationen zu allen denkbaren Themen zusammengestellt, die mit der Rückkehr nach Südafrika zusammenhängen. Von der Unternehmensgründung bis zur Einfuhr eines Autos aus dem Ausland. Das ist uns sehr wichtig."

Jungen schwarzen Südafrikanern zum sozialen Aufstieg zu verhelfen, das ist die Vision des 25-jährigen Sydney Tumelo Mokheti, der es selbst aus ärmlichen Verhältnissen zum erfolgreichen Geschäftmann gebracht hat. "Black Apple Consulting" heißt seine IT-Beratungsfirma.

"”Als Beratungsfirma helfen wir anderen Unternehmen dabei zu wachsen. Das ist uns wichtig, denn viele Firmen in Südafrika sind nur deshalb nicht erfolgreich, weil sie keinerlei Unterstützung bekommen. Ich meine damit nicht nur Finanzhilfen, sondern auch Hilfe bei der Geschäftsplanung und Strategieentwicklung.""

Der Freestate im Herzen Südafrikas. Weiden, auf denen Kühe grasen, goldgelbes Gras so weit das Auge reicht. Farmland, wie in so vielen Teilen der Republik. Die etwas verschlafene Provinzhauptstadt Bloemfontein war früher eine Hochburg der Buren. Schwarze Südafrikaner lebten am Stadtrand in ärmlichen Verhältnissen, wie Sydney Tumelo Mokheti, der hier als Sohn einer Hausangestellten aufwuchs.

"”Man wächst in einem Umfeld auf, das durch die Sehnsüchte der Eltern bestimmt wird. Sie hoffen, dass ihr Sohn Anwalt wird und damit auch für sie einen Weg aus der Armut findet. Das ist eine große Herausforderung, denn es gibt keine Vorbilder, niemanden in der Familie, der Karriere gemacht hat. Es ist schwierig, seinen eigenen Weg zu finden. Ich wusste zwar schon mit sechs Jahren, dass ich einmal Unternehmer werden will, aber es gab niemanden, der mein Talent fördern konnte.""

Der junge Mann schaffte es aus eigener Kraft: Er glänzte in der Schule, bekam ein Stipendium für die CIDA-Universität, einer Kaderschmiede der neuen schwarzen Wirtschaftselite in Südafrika. Doch im Gegensatz zu anderen Hochschulen geht es dort nicht nur um den Intellekt. Ziel der Uni ist es, verantwortungsvolle Bürger zu formen, die beim Aufbau des neuen Südafrikas mithelfen. Sydney Tumelo Mokheti, der sein Wirtschaftsstudium mit Bestnoten abschloss, hat diese Werte verinnerlicht. Er engagiert sich für Schulen auf dem Land, veranstaltet Workshops für Jugendliche aus den Townships und unterstützt ein Waisenhaus in Johannesburg.

Die Einrichtung des Waisenhauses ist spärlich: Acht Kinder teilen sich ein kleines Zimmer, in dem die Etagenbetten eng nebeneinander stehen. Die Wände sind kahl, die Fenster gehen zu einer belebten Straße raus. Es ist kurz vor Mittag. In der Küche kocht ein großer Topf Maisbrei. Die Kinder spielen im Hof, einem tristen Betonplatz. Ein Mädchen läuft Sydney Tumelo entgegen, schlingt die Arme um den schlanken 25-Jährigen. Er nimmt die Kleine auf den Arm, lächelt.

"Ich bin zufrieden, Unternehmer zu sein und übe meinen Beruf mit Leidenschaft aus. Aber genauso leidenschaftlich verfolge ich das Ziel, das Leben anderer positiv zu beeinflussen. Ein Kind zum Lächeln zu bringen, ist für mich genauso wichtig, wie ein glücklicher Kunde."
Für die Kinder ist Sydney Tumelo so etwas wie ein großer Bruder. Er spielt mit ihnen, hilft ihnen bei den Schulaufgaben, bringt sie auch manchmal ins Bett. Heute schließt er Computer in einem schmalen Raum neben den Schlafzimmern an, ausgediente Rechner seiner Kunden.

"”Ich hatte früher selbst keinen Zugang zu der Welt der Informationstechnologie. Erst später habe ich herausgefunden, dass ich mit Menschen aus aller Welt kommunizieren und mich umfassend informieren kann. Es erwärmt jedes Mal mein Herz, wenn andere durch uns diese Erfahrung machen können.""

Soziales Engagement ist bei vielen Altersgenossen von Sydney Tumelo nicht gerade das Hauptthema. Die Gespräche in den angesagten Bars der Großstädte drehen sich eher um schicke Autos und die neuesten Mobiltelefone. Die stetig wachsende farbige Mittelschicht, die sogenannten schwarzen Diamanten, zeigen, was sie haben.

Die Frauen tragen High Heels und Cocktailkleider, die Männer teure Anzüge und protzige Uhren. Hier sitzen in den Designersesseln diejenigen, die vom Wirtschaftsaufschwung des Schwellenlandes profitieren.

"Die 25-Jährigen, meine Altersgruppe, ist sehr karriereorientiert. Wenn sie sich sozial engagieren, geht es ihnen in erster Linie um öffentliche Wirksamkeit. Sie würden nie einfach so mit mir ins Waisenhaus kommen, um mit den Kindern zu spielen. Aber wenn ich ihnen sage, dass uns ein Fernsehteam besucht, dann kommen sie alle. Trotzdem sollte man sie nicht verurteilen. Es ist ja nichts Schlechtes dabei, wenn junge Leute Karriere machen wollen. Unsere Gesellschaft braucht auch die schwarzen Diamanten für ihr Gleichgewicht."

Ein nobler Vorort im Norden von Durban. Von den Villen sind teilweise nur die Dächer zu sehen, so hoch sind die Mauern. Hochspannungszäune und Videoüberwachung. Hier lebt Justin Foxton mit seiner Frau. Der Garten ist gepflegt, subtropisch grün, mit Pool und Blick auf den türkisblauen Indischen Ozean. Das Haus ist großzügig, geschmackvoll und teuer eingerichtet.

Das kleine Büro des 37-Jährigen wirkt dagegen eher schlicht: Schreibtisch und Regal, eine Pinnwand mit Zeitungsausschnitten, eine Südafrikafahne an der Wand. Justin Foxton sitzt mit Shorts und T-Shirt am Computer. Lässig und selbstbewusst. Er ist im behüteten weißen Südafrika groß geworden. Sechs Jahre lang hat er in London ein erfolgreiches Marketing-Unternehmen geführt, ein Vermögen gemacht, das Geld in Immobilien und Aktien angelegt. Heute bezeichnet er sich selbst als finanziell unabhängig.
Einmal pro Woche sitzt Justin Foxton im Studio eines Lokalradios in Durban, rührt die Werbetrommel für seine Kampagne "Stop Crime – say hello". Südafrika hat eine der höchsten Kriminalitätsraten der Welt, statistisch gesehen wird jede halbe Stunde ein Mord verübt. Viele Bürger fühlen sich der Situation hilflos ausgeliefert, meint Justin Foxton. Dabei könne jeder zur Sicherheit beitragen.

"”Ich sage den Leuten, dass sie aufhören sollen, sich über die Polizei zu beklagen. Sie sollten sich stattdessen darauf konzentrieren, was sie verändern können. Jeder sollte sich fragen, was er in seinem direkten Umfeld, seiner Familie und seiner Nachbarschaft tun kann, um für mehr Sicherheit zu sorgen.""

Diese Botschaft kommt an: Unternehmensverbände, Kirchen und Privatleute buchen Justin Foxton als Motivationsredner, das Geld fließt in die Finanzierung der Kampagne. Oft ist das Publikum von den Fakten überrascht, die ich ihnen präsentiere, erzählt er stolz.

"”Der Blick auf die Statistik beweist, dass man heute in Südafrika weniger Gefahr läuft Opfer eines Verbrechens zu werden als noch 1994. Es werden 30 Prozent weniger Morde verübt, die Kriminalität wurde insgesamt um 20 Prozent reduziert. Unter dem Strich wird Südafrika also sicherer. Meistens geht es um enttäuschte Liebe, Eifersucht, das Geschäft oder um Drogen. Und das ist überall auf der Welt so.""

Der 37-Jährige hat gut reden, könnte man meinen, wenn man ihn so sieht, in seinem abgeschirmten Idyll - Das Haus fast wie eine Festung gesichert. Finanzielle Sorgen drücken hier in der Nachbarschaft niemanden. Die Kriminalitätsstatistik wird woanders geschrieben: Geschätzte 80 Prozent der Morde werden in den Townships, den Armenvierteln Südafrikas verübt, wo jeder zweite arbeitslos ist. In baufälligen Häusern und Hütten ohne Strom oder fließend Wasser. Doch für Justin Foxton ist das kein Widerspruch.

"”Auf der einen Seite muss man die Kriminalität bekämpfen, auf der anderen durchaus auch Sicherheit schaffen. Aber das darf eben nicht alles sein. Man muss hinter seinen Mauern und vergitterten Fenstern hervorkommen und sich mit der Gesellschaft auseinandersetzen.""
Auf Nächstenliebe vertraut in Johannesburg niemand. Die südafrikanische Wirtschaftsmetropole gilt als eine der gefährlichsten Städte der Welt. Hohe Mauer und ein Gittertor schirmen auch das Büro der "Homecoming Revolution" ab. Elegant, in einem dunklen Seidenkleid, sitzt Geschäftsführerin Martine Schaffer in einem Konferenzsaal, trinkt Tee zwischen zwei Meetings.

"”Wir gehen das Problem des Fachkräftemangels in unserem Land sehr entschieden an, indem wir Südafrikaner im Ausland direkt ansprechen. In England laden wir sie beispielsweise zu gemeinsamen Veranstaltungen mit südafrikanischen Unternehmen ein, sodass keiner behaupten kann, es gebe hier am Kap keine Arbeitsplätze.""

Schätzungen zufolge leben rund zwei Millionen Südafrikaner im Ausland, doch immer mehr scheinen nun zurückzukehren. Zwar gibt es keine offiziellen Statistiken, aber Umfragen unter den großen internationalen Umzugsunternehmen und Immobilienfirmen weisen darauf hin, dass die Zahl der Heimkehrer höher ist als die der Auswanderer, betont Martine Schaffer. Ein wenig Stolz klingt in ihrer Stimme mit.

Die Hauptgründe zurückzukehren sind Freunde und Familie, die bessere Lebensqualität, das Gefühl einfach hierher zu gehören und interessanterweise auch die guten Ausbildungsmöglichkeiten.

"”80 Prozent der Südafrikaner, die zurückkehren, haben sich bewusst für ihre Heimat entschieden. Ihre Einstellung dem Land gegenüber unterscheidet sich enorm von all denen, die hier geblieben sind, immer davon reden auszuwandern und sich über alle möglichen Kleinigkeiten beklagen. 90 Prozent der Rückkehrer wollen etwas Gutes tun, etwas bewegen. Natürlich setzen nicht alle das auch in die Tat um, aber es ist keinesfalls eine Minderheit, die ihre Ideen auch umsetzt.""

Martine Schaffer, Justin Foxton und Sydney Tumelo Mokheti. Drei Südafrikaner. Drei Menschen, die an die Zukunft ihres Landes glauben.