Julia Reda verlässt ihre Partei

"Wählt nicht die Piraten"

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Plenarsitzung am 26.03.2019, die Piraten-Abgeordnete und Gegnerin der verabschiedenen Richtlinie zum Urheberrecht im Binnenmarkt spricht während der Plenarsitzung
Julia Reda, Ikone im (vergeblichen) Kampf gegen die EU-Richtlinie zum Urheberrecht. © Michel Christen
Von Alexander Moritz |
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Sie stand für den Kampf gegen die EU-Reform des Urheberrechts und saß für die Piraten im EU-Parlament. Julia Reda brachte der Parte mit ihrem Engagement Aufwind. Nun tritt sie aus und ruft dazu auf, die Piraten nicht mehr zu wählen. Was ist da los?
Ihren Austritt aus der Piratenpartei hat Julia Reda gestern Abend in einem Onlinevideo bekannt gegeben: "Ich werde die Piraten nicht wählen. Tatsächlich bin ich aus der Piratenpartei ausgetreten."
Reda begründet das damit, dass die Partei nicht ausreichend hart gegen ihren langjährigen Büroleiter Gilles Bordelais vorgegangen sei. Er tritt bei der Europawahl für die Piraten an und steht auf Platz zwei der deutschen Wahlliste.

Belästigung bestätigt

Bordelais soll mehrere Frauen sexuell belästigt haben. Ein Gremium des Europaparlaments hat diese Vorwürfe bestätigt, nachdem eine Mitarbeiterin Redas Beschwerde eingereicht hatte.
Reda erklärt: "Der zuständige Beirat für Belästigung am Arbeitsplatz des Europäischen Parlaments hat nach einer monatelangen Untersuchung festgestellt, dass Aspekte des Verhaltens von Gilles Bordelais ihr gegenüber eine sexuelle Belästigung darstellen. Klarer drückt sich so eine Kommission niemals aus."
"Dem widersprach Bordelais gegenüber der Deutschen Presseagentur. Eine Beschwerde sei abgewiesen worden, eine andere werde noch geprüft. Er beklagte eine Vorverurteilung." Bereits im vergangenen Jahr hatte Reda Bordelais deswegen entlassen und den Parteivorstand informiert. Trotzdem steht Bordeleais weiterhin auf der Wahlliste der Piraten.

Vorwürfe gegen die Partei

Dies hätte der Parteivorstand verhindern können, wirft Reda wirft ihrer ehemaligen Partei vor. Die Liste wurde zwar beschlossen, bevor die Vorwürfe gegen Bordelais öffentlich wurden. Eine Neuwahl der Kandidatenliste wäre aber möglich gewesen. Der Parteivorstand lehnte dies aber ab – aus Sorge, dadurch die Zulassungsfrist zu verpassen.
Der spätere Versuch der Partei, Bordelais nachträglich von der bereits eingereichten Liste zu streichen, scheiterte. Dies sei leider aus rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, schreibt der Spitzenkandidat der Piraten, Patrick Breyer, auf seiner Website.
Die Abgeordnete Reda wirft Bordelais vor, bewusst gelogen zu haben, um weiterhin bei der Wahl antreten zu können: "Er hat dem Vorstand gesagt: Er tritt von der Wahl zurück. Und es wurde auch ein entsprechendes Statement auf der Website der Piraten veröffentlicht. Aber er hat ohne das Wissen der Piraten anscheinend die Dokumente zur Wahlteilnahme nachgereicht und letzten Endes ist er zur Wahl zugelassen worden."
Bordelais selbst war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Gegenüber "Buzzfeed News" hatte er lediglich bestätigt, sich aus dem aktiven Wahlkampf zurückgezogen zu haben. Inzwischen hat er sich auf seiner Webseite zu den Vorwürfen geäußert.

Piraten dank Reda im Aufwind

Wegen des Engagements von Reda gegen die umstrittene EU-Urheberechtsreform hatte die Piratenpartei zuletzt viel Zuspruch erfahren. Davon könnte nun ausgerechnet Bordelais profitieren. Etwa 1,6 Prozent müssten die Piraten bei Wahl im Mai erhalten, dann würde Bordelais ins Europaparlament einziehen. Kein unrealistischer Wert.
Reda wirbt deswegen dafür, nicht für die Piraten zu stimmen: "Wenn ihr meine Arbeit wertschätzen wollt, wählt eine Partei, die sich gegen Uploadfilter engagiert hat, aber wählt nicht die Piratenpartei."
Sie selbst wird nicht erneut bei der Europawahl antreten. Auf ihren Austritt hat der Parteivorstand der Piraten mit Bedauern reagiert.

Bundeswahlausschuss hat letztes Wort

Der Vorstand prüft inzwischen, Bordelais aus der Partei auszuschließen. Zusätzlich fordert die Partei eine schriftliche Zusicherung, dass er sein Mandat im Falle seines Einzugs ins Parlament nicht antritt. Von ihrer Website haben die Piraten die Informationen über Bordelais schon gelöscht.
Außerdem hat die Partei beim Bundeswahlleiter Beschwerde eingelegt, weil die Streichung eines einzelnen Kandidaten nicht zugelassen wurde. Darüber wird der Bundeswahlausschuss Anfang April entscheiden.
Letztes Update des Beitrags vom 2. April 2019
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