Jules Massenets "Werther" in New York

15.03.2014
"Diese aufwühlenden Szenen, diese fesselnden Bilder", schwärmte Jules Massenet, als er Goethes Briefroman "Die Leiden des jungen Werthers" zum ersten Mal in den Händen hielt. Der Direktor der Pariser Opéra Comique hätte jedoch für seine Theaterkassen kein Experiment, sondern lieber noch eine "Manon". Dem düsteren Liebesdrama räumte er kaum eine Chance ein. Doch es sollte anders kommen …
Bernard Shaw, berühmter Dichter und Dramatiker, war verwundert, dass es Jules Massenet ganz offensichtlich gelungen war, "Interesse zu wecken an einem Libretto von vier Akten Länge über einen liebeskranken Tenor, der nur zwei aktive Augenblicke hat, den einen, wenn er der erwählten Schönen einen Kuss zu rauben versucht, und den anderen, wenn er sich selbst hinter der Szene erschießt". Und der Musikkritiker Eduard Hanslick lästerte, dass vor Massenet kein einziger deutscher Tondichter nach Goethes "Werther" gegriffen habe, sei "zunächst wohl aus pietätvoller Scheu" geschehen und "sodann aus begründetem Misstrauen gegen die undramatische Natur des Werther".Jules Massenet hatte sich mit Goethe für eine bedeutende Stoffquelle seiner Zeit entschieden. "Die Leiden des jungen Werthers" waren ein bewegendes Zeugnis aus dem Sturm und Drang. Massenets Librettisten verzichteten allerdings auf die gesellschaftlichen Konflikte und erfanden einiges hinzu. In der Oper geht es ausschließlich um das "Drama reiner Menschlichkeit". Werther ist ein schwärmerischer, liebestrunkener junger Held, der abgewiesen, verzweifelt und erst am Ende, tödlich verwundet, mit einem Glücksgefühl in den Armen von Charlotte seine Liebe erwidert bekommt und schließlich doch stirbt ...1886 beendete Massenet den "Werther". Kurz darauf brannte die Opéra Comique über Nacht völlig ab. Die Uraufführung wurde damit auf unbestimmte Zeit verschoben. Erst fünf Jahr später, 1892, war das Werk, allerdings in der deutschsprachigen Version, in der Wiener Hofoper zum ersten Mal zu hören. Die Reaktionen des Publikums waren verhalten. Das Pariser Publikum musste sich noch einige Wochen länger gedulden. Doch hier wurde der "Werther" zu einem großen Erfolg. 1938 feierte man die 1000. Vorstellung. Erst seit den 1970er-Jahren wird die intime Oper einer unerfüllten Liebe verstärkt wiederentdeckt. Live aus der Metropolitan Opera New York
Jules Massenet
„Werther"
Oper in vier Akten nach Wolfgang von Goethe
Libretto: Edouard Blau, Paul Milliet und George Hartmann

Charlotte - Sophie Koch
Sophie - Lisette Oropesa
Werther - Jonas Kaufmann
Albert - David Bižic
Amtmann - Jonathan Summers
Schmidt - Tony Stevenson
Johann - Philip Cokorinos
Käthchen - Maya Lahyani
Kinderchor und Orchester der Metropolitan Opera New York
Leitung: Alain Altinoglu

nach dem ersten Akt ca. 21:30 Uhr:
"Lass meine Tränen fließen ..."
Goethes "Werther" und der musikalische Psychologe Jules Massenet
Von Ulrike Gondorf

nach Ende der Oper ca. 21:50 Uhr Nachrichten