Jugendtheater

Märchen von Mut und Mobbing

Die Schriftstellerin Sybille Berg bei einer Lesung 2012
Die Schriftstellerin Sybille Berg bei einer Lesung 2012 © dpa / picture alliance / Jan-Philipp Strobel
Von Stefan Keim · 09.11.2014
Für bittere, satirische Stücke ist Sibylle Berg bekannt. Nun hat sie ihr erstes Kinderstück geschrieben: "Mein ziemlich seltsamer Freund Walter". In Gelsenkirchen wurde die Geschichte einer Neunjährigen und eines Außerirdischen federleicht uraufgeführt.
Lisa geht zur Schule. Jeden Morgen wird sie von Jugendlichen gequält, die ihren Tornister ausleeren und das Mädchen herumstoßen. Lisas Eltern sind arbeitslos, sitzen auf dem Sofa und fressen Tiefkühlpizza. In der Schule will niemand neben ihr sitzen. Sie ist ein Opfer, einsam, zum Mobbing frei gegeben. Die fast Neunjährige beißt sich irgendwie durch. Da findet sie plötzlich hinter ihrem Haus einen Jungen aus dem Weltall. Er ist ein außerirdischer Tourist – und nun Lost on Earth.
Seinen Namen kann Lisa nicht aussprechen, also nennt sie ihn Walter. Und Walter macht ihr Mut, sie lernt Kung Fu, setzt sich durch, entwickelt Selbstbewusstsein. Sogar ihre Eltern interessieren sich wieder für sie. "Mein ziemlich seltsamer Freund Walter" ist ein Märchen über Mut und Mobbing. Sibylle Berg entfaltet erst die aus ihren anderen Stücken bekannte bittere bis zynische Sicht auf die Welt. Allerdings in leichtem Tonfall, verspielt, ohne einen Anflug von Weinerlichkeit. Deshalb wirkt Lisa auch gleich sympathisch.
Walter könnte eine Fantasiegestalt sein, für andere ist er nämlich unsichtbar. Aber es kommt darauf an, dass es immer einen Ausweg gibt, dass man den Hebel einfach umlegen kann. Die Wendung ins Positive wirkt ein bisschen naiv. Deshalb ironisiert Regisseurin Andrea Kramer das glückliche Ende auch ein wenig. Überhaupt findet sie mit dem fabelhaften Ensemble des Consol-Theaters Gelsenkirchen einen präzisen und spielerischen Zugriff auf das Stück. Locker wechseln Erzähltexte, Gespräche und innere Monologe. Es gibt federleichte Choreografien, entspannte Songs und mit Charis Nass eine Hauptdarstellerin, die völlig glaubwürdig eine fast Neunjährige spielt.
Die Kunststiftung NRW hat das Auftragswerk finanziert, weil sie durch die Uraufführung mehr Aufmerksamkeit auf das Kinder- und Jugendtheater lenken will. Ein gutes Konzept, das durch die herausragende Leistung des Consol-Theaters voll aufgeht.
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