Jürgen Kocka erinnert an Hans Mommsen

"Genau, gelehrt, anspruchsvoll"

Der Historiker Hans Mommsen.
Der Historiker Hans Mommsen, der am 5. November starb. © imago / gezett
Moderation: Korbinian Frenzel · 06.11.2015
Der Historiker Jürgen Kocka charakterisiert seinen verstorbenen Kollegen Hans Mommsen als Links-Intellektuellen, der sich für die SPD und die Gewerkschaften eingesetzt habe. Trotz seiner großen Verdienste sähen ihn viele junge Historiker heute jedoch wegen seines Forschungsansatzes kritisch.
"Außerordentlich genau, gelehrt, anspruchsvoll. Stark durch Sozialgeschichte und Strukturgeschichte geprägt." So fasst Jürgen Kocka, emeritierter Historiker der Freien Universität Berlin seine Eindrücke von Hans Mommsen zusammen, der am 5. November starb.
Mommsen sei ein typischer Vertreter der sogenannten 45er-Generation – wie auch Hans-Ulrich Wehler, Jürgen Habermas oder Günter Grass – die den Nationalsozialismus als Kinder und Jugendliche erlebt hätten und die intensive, links-intellektuelle Auseinandersetzung damit gesucht hätten. Und Mommsen sei vermutlich "der sozialdemokratischste dieser Intellektuellengruppe gewesen", der sich immer wieder für die historische Kommission der SPD und für die Gewerkschaften eingesetzt habe.
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Der Historiker Jürgen Kocka.© picture alliance / dpa / Yonhap
Viele jüngere Historiker kritisierten jedoch, Mommsen habe bei seiner Analyse des Nationalsozialismus und bei der Thematisierung der Shoa die Verantwortung der Machtelite für den Massenmord an den Juden vernachlässigt und Erklärungen stattdessen in den Alltags- und Sozialstrukturen des NS-Staates gesucht. Tatsächlich habe sich Mommsen in seiner Forschung weniger auf Handlungen einzelner Personen konzentriert, betonte Kocka. Die Kritik will er jedoch nicht pauschal gelten lassen: "Niemand hat unerbittlicher als er auf die Verantwortung der deutschen Gesellschaft für diese Katastrophe hingewiesen und hinreichend kritisiert, dass wir uns dem lange nicht zugewandt haben."

Zu Hans Mommsens 85. Geburtstag haben wir erst am Mittwochabend mit dem Historiker Lutz Niethammer gesprochen:
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