Jüdisches Erbe in Erfurt
In Erfurt wurden in den letzten Jahren einige Zeugnisse des früheren jüdischen Lebens wiederentdeckt: eine Mikwe, eine zweite Synagoge und - versteckt in einem Silbergefäß - ein Schatz mit rund 700 Kleinteilen. Der Schatz sowie die Alte Synagoge können ab Ende Oktober besichtigt werden.
Auch Rosita Peterseim ist es zu verdanken, dass sich Erfurt immer mehr auf das jüdische Erbe besinnt. Sie hat keine jüdischen Wurzeln, wohl aber ein Gespür für jüdische Geschichte und irgendwie in sich drin das Gefühl, hier einen ganz besonderen Schatz zu haben. Einen, der Achtung, Respekt und sorgsamen Umgang verlangt.
"Wir stehen jetzt hier an dem Punkt - an der Stadtmünze - an einem Schnittpunkt, an dem sich die Straßen an der Judenschule und der Judengasse getroffen haben. Und diese Namen waren nicht von ungefähr. Hier stand im Mittelalter das zweite jüdische Bethaus. Die Synagoge von 1357. Jetzt steht da ein Trafohäuschen. Von dieser Synagoge ist nichts mehr da."
Die Vorruheständlerin erzählt von ihrer Arbeit früher beim VEB Denkmalpflege. Damals war sie zuständig für die jüdischen Kulturdenkmale.
"Und in dem Zusammenhang konnte ich mich systematisch mit den Dingen beschäftigen und bin in einem kleinen Reiseführer Erfurt, einem Stadtführer, auf eine Notiz gestoßen: Hinterm Rathaus hat sich in einem Wohngebäude eine Synagoge befunden. Und das war der Anlass."
Rosita Petersheim suchte in den Bauakten der Häuser und fand schließlich, was sie vermutete:
"Dort bin ich tatsächlich auf einen Bauantrag gestoßen von 1848. Der Antrag der hiesigen israelitischen Gemeinde zum Bau einer Synagoge."
Der Bauplan ist heute zu sehen - exakt in dem Gebäude. Es heißt: Begegnungsstätte Kleine Synagoge, ist hell von außen und innen, schön saniert und unmittelbar im Zentrum der Altstadt.
Clemens Kestel leitet das Haus seit zehn Jahren und hat eine der beiden Stellen der Stadt für diese spezielle Kulturarbeit. 300 Veranstaltungen organisiert er dort. Begegnung ist das Schlüsselwort für Film, Diskussion und Gäste.
"Wir werden in diesem Jahr wieder über 20.000 Besucher haben, knapp 22.000 -das ist in jedem Jahr so. Seit zehn Jahren."
Der Betsaal in der Synagoge ist zum Teil mit Originalen ausgestattet. Ursprünglich wurde dieser um 1840 genutzt. Ebenso eine kleine Mikwe (rituelles Tauchbad). Eingelassen in Sandsteingemäuer. Direkt hinter der dicken Hauswand fließt der Nebenarm eines kleinen Flusses - der sich seit Jahrhunderten durch die Altstadt schlängelt. Voraussetzung also für immer frisches Wasser in der Mikwe:
"Wir sind jetzt hier im Keller - vor uns diese kleine Mikwe, die also auch 1993-94 freigelegt worden ist."
Sie war völlig verschüttet. Während der DDR-Zeit wurden dort die Kohlenvorräte und wohl mancher Hausrat gelagert. Die Familien oben drüber wussten nichts von einer Synagoge.
Für die Denkmalpflegerin und Kunsthistorikerin Rosita Petersheim ist klar, Erfurt hat ein enorm reiches mittelalterliches Erbe. Das jüdische davon wird nun entdeckt und aufgearbeitet.
"Das ist ungewöhnlich, dass in Erfurt so viele Zeugnisse da sind. Aber es belegt auch wieder, dass diese jüdische Geschichte, diese Bevölkerungsgruppe, also eine bedeutende Gruppe war, besonders auch im Mittelalter."
In den schmalen Gässchen der Altstadt sind heute noch Hinweise und Tafeln zu finden, wo jüdische Menschen einst gewohnt haben. Die Michaelisstraße gilt als Teil des damaligen christlich-jüdischen Viertels. Friedlich soll es gewesen sein.
Ganz in der Nähe ist vor wenigen Jahren eine zweite Synagoge entdeckt worden. Wieder ein Glücksfall für Archäologen:
"Sie sehen den großen Eingang, der aus dem Jahr 1350 ist. Der gehört nicht zur Synagoge - links daneben - der zugemauerte - das war der ursprüngliche Synagogeneingang. Die Stadt Erfurt konnte die Immobilie 1989 kaufen."
Ines Beese ist die zweite Mitarbeiterin der Stadt, die sich hauptamtlich mit jüdischer Kulturarbeit beschäftigt. An diesem Tag führt sie eine schwedische Reisegruppe durch die Alte Synagoge und deren neuen Anbau:
"So, jetzt gehen wir in unser Baudenkmal hinein, das aus dem Jahr 1096 ist. Ich habe Ihnen ja gesagt, das es die älteste, als komplettes Gebäude erhaltene Synagoge Europas ist. Es ist also was ganz Besonderes, was wir hier haben. Und die Ausstellung wird auch was ganz Besonderes sein."
Ab Herbst soll der Erfurter Silberschatz gezeigt werden. Auch er gilt als Glücksfund, per Zufall durch das Kratzen in den Fugen von einem Handwerker entdeckt.
Das war vor zehn Jahren. Seitdem haben die Landesdenkmalpfleger die Hoheit über den Schatz und bestimmen auch, wie er zu sehen sein wird. Nämlich unter anderem an Puppen. Figurinen ist das Fachwort. Und nicht alle freuen sich auf sie.
"Wir entsprechen hier dem Wunsch des Eigentümers des Schatzes."
Sagt Ines Beese knapp und trocken. Sie ist nicht die einzige, die Kritik - schon vor der Ausstellung - durchblicken lässt.
Dennoch soll dadurch nicht der Glanz getrübt werden. Es sei ein Kompromiss - heißt es von vielen, die hier an einem Strang ziehen: nämlich Erfurt bekannter zu machen für seine jüdische Geschichte.
Der Oberbürgermeister will das mittelalterlich-jüdische Erbe als UNESCO-Weltkulturerbe anerkennen lassen. Dafür soll es bald eine neue Stelle für einen Experten geben, der die wissenschaftliche Arbeit leitet.
Doch so schön das bauliche Erbe ist - der 21.März 1349 gilt als schwarzer Tag in der Stadtgeschichte: Das Ende der mittelalterlich jüdischen Gemeinde. Und das war nur ein Pogrom. Ein Ende. Eine Vertreibung.
Rosita Petersheim, die Denkmalpflegerin im Vorruhestand, bringt es auf den Punkt:
"Bei dieser Freude über dieses reiche Erbe der jüdischen Geschichte ist es für uns auch eine unglaubliche Verantwortung."
"Wir stehen jetzt hier an dem Punkt - an der Stadtmünze - an einem Schnittpunkt, an dem sich die Straßen an der Judenschule und der Judengasse getroffen haben. Und diese Namen waren nicht von ungefähr. Hier stand im Mittelalter das zweite jüdische Bethaus. Die Synagoge von 1357. Jetzt steht da ein Trafohäuschen. Von dieser Synagoge ist nichts mehr da."
Die Vorruheständlerin erzählt von ihrer Arbeit früher beim VEB Denkmalpflege. Damals war sie zuständig für die jüdischen Kulturdenkmale.
"Und in dem Zusammenhang konnte ich mich systematisch mit den Dingen beschäftigen und bin in einem kleinen Reiseführer Erfurt, einem Stadtführer, auf eine Notiz gestoßen: Hinterm Rathaus hat sich in einem Wohngebäude eine Synagoge befunden. Und das war der Anlass."
Rosita Petersheim suchte in den Bauakten der Häuser und fand schließlich, was sie vermutete:
"Dort bin ich tatsächlich auf einen Bauantrag gestoßen von 1848. Der Antrag der hiesigen israelitischen Gemeinde zum Bau einer Synagoge."
Der Bauplan ist heute zu sehen - exakt in dem Gebäude. Es heißt: Begegnungsstätte Kleine Synagoge, ist hell von außen und innen, schön saniert und unmittelbar im Zentrum der Altstadt.
Clemens Kestel leitet das Haus seit zehn Jahren und hat eine der beiden Stellen der Stadt für diese spezielle Kulturarbeit. 300 Veranstaltungen organisiert er dort. Begegnung ist das Schlüsselwort für Film, Diskussion und Gäste.
"Wir werden in diesem Jahr wieder über 20.000 Besucher haben, knapp 22.000 -das ist in jedem Jahr so. Seit zehn Jahren."
Der Betsaal in der Synagoge ist zum Teil mit Originalen ausgestattet. Ursprünglich wurde dieser um 1840 genutzt. Ebenso eine kleine Mikwe (rituelles Tauchbad). Eingelassen in Sandsteingemäuer. Direkt hinter der dicken Hauswand fließt der Nebenarm eines kleinen Flusses - der sich seit Jahrhunderten durch die Altstadt schlängelt. Voraussetzung also für immer frisches Wasser in der Mikwe:
"Wir sind jetzt hier im Keller - vor uns diese kleine Mikwe, die also auch 1993-94 freigelegt worden ist."
Sie war völlig verschüttet. Während der DDR-Zeit wurden dort die Kohlenvorräte und wohl mancher Hausrat gelagert. Die Familien oben drüber wussten nichts von einer Synagoge.
Für die Denkmalpflegerin und Kunsthistorikerin Rosita Petersheim ist klar, Erfurt hat ein enorm reiches mittelalterliches Erbe. Das jüdische davon wird nun entdeckt und aufgearbeitet.
"Das ist ungewöhnlich, dass in Erfurt so viele Zeugnisse da sind. Aber es belegt auch wieder, dass diese jüdische Geschichte, diese Bevölkerungsgruppe, also eine bedeutende Gruppe war, besonders auch im Mittelalter."
In den schmalen Gässchen der Altstadt sind heute noch Hinweise und Tafeln zu finden, wo jüdische Menschen einst gewohnt haben. Die Michaelisstraße gilt als Teil des damaligen christlich-jüdischen Viertels. Friedlich soll es gewesen sein.
Ganz in der Nähe ist vor wenigen Jahren eine zweite Synagoge entdeckt worden. Wieder ein Glücksfall für Archäologen:
"Sie sehen den großen Eingang, der aus dem Jahr 1350 ist. Der gehört nicht zur Synagoge - links daneben - der zugemauerte - das war der ursprüngliche Synagogeneingang. Die Stadt Erfurt konnte die Immobilie 1989 kaufen."
Ines Beese ist die zweite Mitarbeiterin der Stadt, die sich hauptamtlich mit jüdischer Kulturarbeit beschäftigt. An diesem Tag führt sie eine schwedische Reisegruppe durch die Alte Synagoge und deren neuen Anbau:
"So, jetzt gehen wir in unser Baudenkmal hinein, das aus dem Jahr 1096 ist. Ich habe Ihnen ja gesagt, das es die älteste, als komplettes Gebäude erhaltene Synagoge Europas ist. Es ist also was ganz Besonderes, was wir hier haben. Und die Ausstellung wird auch was ganz Besonderes sein."
Ab Herbst soll der Erfurter Silberschatz gezeigt werden. Auch er gilt als Glücksfund, per Zufall durch das Kratzen in den Fugen von einem Handwerker entdeckt.
Das war vor zehn Jahren. Seitdem haben die Landesdenkmalpfleger die Hoheit über den Schatz und bestimmen auch, wie er zu sehen sein wird. Nämlich unter anderem an Puppen. Figurinen ist das Fachwort. Und nicht alle freuen sich auf sie.
"Wir entsprechen hier dem Wunsch des Eigentümers des Schatzes."
Sagt Ines Beese knapp und trocken. Sie ist nicht die einzige, die Kritik - schon vor der Ausstellung - durchblicken lässt.
Dennoch soll dadurch nicht der Glanz getrübt werden. Es sei ein Kompromiss - heißt es von vielen, die hier an einem Strang ziehen: nämlich Erfurt bekannter zu machen für seine jüdische Geschichte.
Der Oberbürgermeister will das mittelalterlich-jüdische Erbe als UNESCO-Weltkulturerbe anerkennen lassen. Dafür soll es bald eine neue Stelle für einen Experten geben, der die wissenschaftliche Arbeit leitet.
Doch so schön das bauliche Erbe ist - der 21.März 1349 gilt als schwarzer Tag in der Stadtgeschichte: Das Ende der mittelalterlich jüdischen Gemeinde. Und das war nur ein Pogrom. Ein Ende. Eine Vertreibung.
Rosita Petersheim, die Denkmalpflegerin im Vorruhestand, bringt es auf den Punkt:
"Bei dieser Freude über dieses reiche Erbe der jüdischen Geschichte ist es für uns auch eine unglaubliche Verantwortung."