Jüdische Witze

Genervt von der Übermutter

Der Kabarettist Oliver Polak aufgenommen vor neutralem Hintergrund am 28.11.2010 in Köln.
Als der jüdische Kabarettist Oliver Polak mit 23 Jahren zum ersten Mal allein mit seiner Freundin in Urlaub fahren wollte, ließ ihn seine "Mame" nicht. © picture-alliance / dpa / Horst Galuschka
Von Gerald Beyrodt · 06.05.2016
Die Heldin jüdischer Witze ist die "Mame", die jüdische Mutter. Sie tut alles für ihre Kinder, vor allem für die Söhne. Die sollen dafür aber, bitte, erfolgreich Karriere machen – und ihre Mame genauso innig zurücklieben.
"Nach ernsthaften Gesprächen ruft der Familientherapeut die Mutter des jungen Mannes an und bestellt sie in die Praxis, Frau Cohn, ich muss ihnen leider mitteilen, Ihr Sohn hat einen Ödipus-Komplex. - "Ah, Ödipus, Schnödipus, Hauptsache er hat lieb die Mama."
Micha Brumlik, Erziehungswissenschaftler und Autor zahlreicher Bücher zum Thema Judentum. Die jüdische Mutter, die Mame, ist eine Lieblingsgestalt des jüdischen Witzes, und gerne taucht sie in Verbindung mit einer anderen jüdischen Erfindung auf: der Psychoanalyse. Elisabeth Jupiter, Wiener Psychotherapeutin und Herausgeberin des Buches "Mach Witze".
"Drei ältere Damen streiten sich, wer den besten Sohn hat. Sagt sie: 'Ich hab den besten Sohn. Der ist ein fantastischer Zahnarzt, arbeitet wie verrückt, aber jeden Schabbes ist er bei mir.' Sagt die zweite: 'Ist noch gar nichts. Mein Sohn ist Geschäftsmann, wahnsinnig viel zu tun, verdient, was er will, aber einmal die Woche geht er mit mir einkaufen.' Sagt die dritte: 'Ist noch gar nichts. Meiner ist Anwalt auf der Fifth Avenue, verdient, was er will, kann sich den besten Analytiker leisten, zahlt vier mal in der Woche vierhundert Dollar und spricht dort nur über mich.'"

Melodramatisch und ständig in Sorge um die Kinder

Die jüdische Mutter, entnehmen wir diesem Witz, will wichtig genommen werden – egal um welchen Preis. Auch wenn sich der Sohn vielleicht sich auf der Couch bitterlich über sie beklagt, ist das gleichgültig, so lange sie im Mittelpunkt steht. Außerdem sagt man ihr einen Hang zum Melodrama nach.
"Die italienische Mutter sagt zum Kind: 'Iss deine Pizza oder ich bringe dich um". Die jüdische Mutter sagt: 'Iss deinen Kugel oder ich bringe mich um'".
Ein Kugel ist eine Art Auflauf. Jiddische Mame und Melodrama – die Verbindung hat Bestand, nicht nur im Witz. Und daher gibt es melodramatische Lieder zur jüdischen Mutter.
Eine jüdische Mutter - es gibt nichts Besseres auf der Welt, behauptet das Lied. Daran allerdings meldet der Witz Zweifel an. Die jüdische Mutter ist dem Klischee zufolge stets darauf aus, dass ihre Kinder Karriere machen, möglichst Anwälte oder Ärzte werden und den angeblich häufigsten jüdischen Vornamen erwerben: nämlich Doktor.
Auch wenn die Kinder erwachsen sind, mischt sich die jüdische Mame ständig ein. Oder höflicher gesagt: Sie sorgt sich um den Nachwuchs, keine Entfernung ist ihr zu weit und kein Weg zu beschwerlich, wenn sie die Söhne in Gefahr wähnt.
"Eine Frau betritt nach beschwerlicher Wanderung einen Aschram in den Anden und verlangt, den Meister zu sprechen. Der aber befindet sich in tiefer Meditation und darf nicht gestört werden. Sie wartet tagelang auf der Schwelle zu seinem Zimmer. Schließlich wird sie vorgelassen und sagt als erstes: 'Jonathan, komm nach Hause.'"

Comedian Polak witzelt über seine anhängliche Mutter

Auch in den Shows des Comedian Oliver Polak taucht die Figur der jüdischen Mutter auf. Zusammen mit Witzen übers Emsland, in dem Polak aufgewachsen ist.
"Meine Mutter wollte immer, dass ich 'n jüdisches Mädchen heirate. Sie sagte immer: "Oliverrr, emsländische Landschönheiten sind drall und fruchtbar wie das Vieh, das sie hüten und auch sonst nur sehr schwer von ihm zu unterscheiden."
Und von emsländischen Kühen kommt Polak schnell wieder auf Wesentliches und Tieftheologisches:
"…ist es eigentlich so, Entschuldigung, nur ganz kurz, dass der christliche Gott alles weiß, alles sieht und immer da ist ? Ja? Wenn das so ist, dann ist er bei meiner Mutter in die Lehre gegangen. Als Säugling war ja noch alles ganz normal, so chilly-billy, easy going. Erst im Kindergarten ist mir aufgegangen, dass meine Mutter so'n bisschen anders drauf war als die anderen Mütter. Sie ist nämlich immer geblieben. Ich dachte, das lässt mit der Pubertät nach. Pustekuchen. Als ich mit meiner Freundin in Urlaub fahren wollte, das erste Mal alleine, ohne meine Mutter, sagte meine Mutter mir klipp und klar: 'Oliver, das kannst du machen, wenn du 18 bist.' Ich sag: 'Mama, ich bin 23.' Sagt sie: 'Tja mein Sohn, dann hast du wohl die Chance verpasst.'"

Warum Jesus Jude gewesen sein muss

Der österreichisch-israelische Autor Doron Rabinovici erklärt das Phänomen der jüdischen Mame in einem klugen Aufsatz über den jüdischen Witz so:
"Solange sie das Zentrum der Großfamilie im Schtettl sein musste, war sie mächtig, nicht lächerlich. Erst in der Großstadt der Moderne erschien ihre Fürsorglichkeit absurd und grotesk."
Wer die jiddische Mame kennt, kann auch religionsgeschichtliche Fragen klären und zum Beispiel im Handumdrehen den Beweis führen, dass Jesus Jude war.
"Erstens: Er lebte noch bei seinen Eltern, als er schon dreißig war. Zweitens: Er glaubte, seine Mutter sei Jungfrau. Drittens: Seine Mutter glaubte, er sei Gott."
Ist damit alles gesagt über Familienleben, Ödipus-Komplexe, Fürsorglichkeit und gegenseitiges Festhalten? Noch nicht ganz.
"Eine Mutter kommt ins Kinderzimmer: 'Du musst zur Schule gehen, Bernie.' Bernie zieht sich die Decke über den Kopf. 'Ich will nicht zur Schule gehen.'
'Du musst aber', sagt die Mutter.
'Ich will nicht. Die Lehrer mögen mich nicht, und die Kinder machen sich über mich lustig.'
Die Mutter zieht die Bettdecke weg. 'Bernie, du hast keine Wahl. Du muss zur Schule gehen.'
Sagt er: 'Sag mir nur einen guten Grund.'
Sagt sie: 'Du bist 52 Jahr alt und bist der Direktor.'"
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