Jüdisch-muslimischer Dialog

Eine interreligiöse Freundschaft in Niedersachsen

Moschee in Mannheim und Synagoge in Berlin
Islam und Judentum: "Wir sind theologisch gesehen einander sehr nahe..." © Fotomontage: imago/epd / picture alliance / dpa / Foto: Wolfram Steinberg
Von Ita Niehaus · 06.10.2015
Der islamistische Terror und der zunehmende Antisemitismus auch unter muslimischen Jugendlichen zeigen, dass der Dialog zwischen Juden und Muslimen heute wichtiger denn je ist. In Niedersachsen beweisen zwei Männer seit Jahren, dass der Austausch möglich ist.
In der Fußgängerzone von Osnabrück. Eine Gruppe von Jugendlichen steht zusammen, hält gemeinsam drei Stoffbahnen hoch. Schwarz-Rot-Gold, die Deutschlandfahne. Immer wieder sprechen sie vorbeieilende Passanten an. Auch die 15 Jahre alte Muslimin Esra‘a und die 16 Jahre alte Jüdin Narmina nehmen an der Aktion teil. Wir alle sind Deutschland, sagt Esra‘a.
Esra‘a: "Ich wollte ein Zeichen gegen Rassismus setzen. Und dass wir auch zusammenhalten können, und das den Menschen zeigen können, dass wir auch dagegen sind und z.B. jüdische und muslimische Jugendliche, zusammenhalten. Und das haben wir auch gemacht."
Narmina: "Weil wir etwas verändern wollen. Wir wollen ja irgendwie zusammen kommen."
Esra‘a: "Es sind viele Menschen gekommen und haben sich das angeschaut, haben auch mit uns die Fahne gehalten. Das hat uns sehr gefreut und das war ganz interessant und schön."
Die Aktion entwickelten die rund 20 jüdischen und muslimischen Jugendlichen in einer Workshop-Reihe im Rahmen der Osnabrücker Wochen gegen Rassismus. Esra‘a war zuerst skeptisch, als sie von dem Projekt hörte. Ihre Eltern stammen aus Palästina, Kontakt zu Juden hatte sie bisher nicht.
Esra‘a: "Um ehrlich zu sein, haben wir im Moment Hitler in der Schule, Thema Hitler. Das hat mich sehr berührt. Da habe ich mir gedacht, warum nicht?"
Du‘A Zeitun: "Diese Berührungsängste zwischen Juden und Muslimen sind immer wieder klar zu sehen. Man begegnet sich kaum, und gerade Jugendliche im Alter von 14, 15 Jahren so gut wie keine Kontakte, wirklich keine Kontakte zwischen Juden und Muslimen. Da war die Überlegung, wie kann man versuchen, Vorurteile abzubauen? Jetzt nicht für die, die schon erwachsen sind, sondern, wie kann man früh anfangen. Das heißt, die Jugendlichen, die erstmal dabei sind, sich ein eigenes Bild zu machen und da vielleicht anzusetzen und zu sagen, so, hier bieten wir eine Plattform an, wo sich muslimische und jüdische Jugendliche begegnen können und kennenlernen können."
Die Theologie-Studentin Du‘A Zeitun, 36, Mutter von drei Kindern und Gründerin der Muslimischen Jugendcommunity Osnabrück, hat das Projekt initiiert. Unter anderem mit Avraham Yitzhak Radbil, dem 30 Jahren alten Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Osnabrück.

"Was mich beeindruckt hat, wir haben gemeinsam alles angefangen und durchgezogen. Das hat schon Aufmerksamkeit erregt in der Stadt. Einige haben ein bisschen komisch geguckt, einige haben über Salafismus diskutiert mit den Muslimen. Allein dass sie die ganze Zeit Passanten angesprochen und gesagt haben, wir sind eine jüdisch-muslimische Gruppe, die für Toleranz und Frieden steht, je mehr man das wiederholt, umso mehr verinnerlicht man das auch. Und für sie war es auf jeden Fall gut."
Gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus in Hannover
Von Osnabrück nach Hannover. In das Büro von Yazid Shammout.
Michael Fürst: "Diese radikalen Schwarz-Orthodoxen in Israel sind fürchterlich..."
Yazid Shammout: "Man merkt diese ganze Region, ist ja nicht nur Israel, wir lesen von ISIS hier."
Fürst: "Ja, immer radikaler..."
Shammout: "Diese ganze Region wird religiös radikalisiert. Das macht Angst..."
Wie so oft, wenn sie sich sehen, sprechen sie über die schwierige Situation im Nahen Osten. Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, und Yazid Shammout, Vorsitzender der Palästinensischen Gemeinde in Hannover.
Shammout: "Ich glaube, wenn man die Hoffnung aufgibt für Frieden, dann gibt es nur noch Krieg. Und das wollen wir alle nicht. Deshalb halte ich als Optimist immer an diesen Grundsatz, dass wir vielleicht doch einen Weg finden können."
Seit mehr als sechs Jahren engagieren sie sich für die Verständigung zwischen Palästinensern und Juden. Stephan Weil, damals Oberbürgermeister von Hannover, heute Ministerpräsident von Niedersachsen, gab den Anstoß zum Dialog. Shammout erinnert sich an die erste Begegnung im Büro von Weil. Natürlich kannte er Israelis und auch deutsche Juden.
"Meistens waren das welche, die hundertprozentig pro-palästinensisch waren, eigentlich mehr Palästinenser als ich. Es gab da keinerlei Konfliktpotential. Natürlich bin ich auch hin und wieder mit jemandem, der ganz anderer Ansicht war, aneinandergeraten. Aber mit jemandem, auch mit einer Historie wie Michael Fürst und seinem Hintergrund und seiner Stellung in Niedersachsen, aber auch in Deutschland, zusammenzukommen, da waren die Erwartungen ziemlich wild. Geht das oder geht das nicht? Bricht das auseinander?"
Michael Fürst und Yazid Shammout. Beide beruflich sehr erfolgreich. Der eine als Anwalt, der andere als Geschäftsmann. Fürst ist der Sohn eines Holocaust-Überlebenden, Shammouts Familie kommt aus Palästina. Er hat noch immer viele Verwandte und Freunde in Gaza.
Fürst: "Natürlich kann man darüber streiten, ob Flucht oder Vertreibung, ob die Nakba, ob das ein Tag ist, den man begehen soll oder nicht begehen soll. Ob man daran mitwirken darf oder nicht mitwirken darf. Über all das kann man sprechen und über all das sprechen wir auch."
Shammout: "Ich glaube, keiner hat damit gerechnet, dass das Ganze sich so weit entwickelt, wie wir das heute entwickelt haben."
2009 gingen sie zum ersten Mal gemeinsam auf die Straße. Gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus.
Fürst: "Das war schon damals natürlich eine wichtige Botschaft, die wir ausgestrahlt haben. Dass wir gemeinsam natürlich auch gemeinsame Feinde haben."
Das Bündnis der niedersächsischen jüdischen und palästinensischen Gemeinden machte bundesweit Schlagzeilen. Und sorgte zu Beginn sogar für diplomatische Irritationen. Als Michael Fürst und Yazid Shammout nämlich das erste Mal mit einer niedersächsischen Delegation nach Israel und Palästina reisten. Fürst durfte nicht mit zu einem Gespräch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Shammout wurde ein Treffen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verweigert.
Shammout: "Das gibt es nicht alltäglich. So dass man sich auch beim diplomatischen Ablauf von so einer Reise auf neues Terrain begibt. Es gab ein Treffen auch mit der Konrad-Adenauer-Stiftung, wo ich ausdrücklich ausgeladen wurde, da sollte ich nicht dabei sein, weil einige israelische Militärs eine Analyse zu der Zweistaaten-Lösung geben sollten. Aber da darf kein Palästinenser dabei sein. Also, eigentlich für mich eine nette Bestätigung, dass das, was wir machen, völlig außergewöhnlich ist."

Bei ihrer zweiten Israel-Reise war dann schon alles ganz anders. Was die beiden Männer vor allem miteinander verbindet?
Fürst: "Dass wir beide in der Lage sind, miteinander zu sprechen bei unterschiedlichen Auffassungen und dem Anderen zuzuhören. Uns trennt im Prinzip gar nichts, sondern wir haben unterschiedliche Auffassungen von verschiedenen Dingen."
Shammout: "Uns eint, glaube ich, in erster Linie unsere Menschlichkeit. Dass wir uns beide gegenseitig als nette Menschen sehen, empfinden. Entsprechend auch der respektvolle Umgang miteinander. Und daraus wurde eine echte Freundschaft."
Der interreligiöse Dialog gewinnt immer mehr an Bedeutung. Auch in Norddeutschland gibt es zahlreiche Initiativen und Projekte, die sich für das friedliche Zusammenleben der Kulturen und Religionen stark machen. Runde Tische wie in Osnabrück etwa oder das Haus der Religionen in Hannover, in dem sich sechs Religionen zu einem Ort der Bildung und der Begegnung zusammengeschlossen haben. Der jüdisch-muslimische, bzw. jüdisch-palästinensische Dialog jedoch steckt noch in den Anfängen. Es existieren nur einzelne Leuchtturm-Projekte wie in Osnabrück, Hannover oder Bremen. Ein Grund sei, so Michael Fürst, dass bei den jüdischen Gemeinden andere Themen im Vordergrund stünden, vor allem Integrationsfragen. Denn die große Mehrheit der Mitglieder besteht aus Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion. Das ist auch in Hannover nicht anders.
Fürst: "Viele von denen sprechen wenig Deutsch. Wir sind der am größten gewachsene Verband, immer prozentual natürlich, von rund 500 auf fast 10.000 heute, wenn man den liberalen Verband dazu nimmt, also 9.000. Wir haben die größte Spannbreite im jüdischen Bereich, von, ich sage es mal politisch, von ganz rechts bis ganz links. Auch das gibt es in keinem anderen Bundesland. Und das müssen wir alles unter einem Hut kriegen."
Shammout: "Ich glaube, der interreligiöse Dialog ist einfacher zu stricken als dieser palästinensisch-jüdische Dialog, weil wir da in der Politik sind. Es müssen sich zwei finden, die auch über ihren Schatten springen können, die Leute dafür begeistern, mitnehmen können etc. Und das gibt es nicht in allen Gemeinden."
So begann auch der jüdisch-muslimische Dialog unter den Jugendlichen in Osnabrück. Mit Rabbiner Avraham Yitzhak Radbil und der Muslimin Du‘A Zeitun.
Michael Fürst und Yazid Shammout 
Michael Fürst, Landesvorsitzender der jüdischen Gemeinde in Niedersachsen, und Yazid Shammout, Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde in Hannover. © picture alliance / dpa / Foto: DANA Senioreneinrichtungen GmbH
Besuch in einer Synagoge
Die Jugendlichen besuchen sich gegenseitig in ihren Gotteshäusern, dieses Mal treffen sie sich in der Synagoge. Die meisten von ihnen kennen sich schon. Neu dabei: einige Flüchtlinge aus Syrien, Palästina und dem Libanon. Rabbiner Radbil zeigt der Gruppe die Thora.
Radbil: "So sehen sie aus, das sind die zehn Gebote. Man liest von der Rolle jede Woche. Wir haben jede Woche einen Wochenabschnitt, den wir lesen, das ganze Jahr über..."
Jugendlicher: "Wie heißt die Rolle?"
Radbil: "Thora ..."
Der 15 Jahre alte Mohammed ist vor einigen Wochen mit seiner Familie aus Syrien geflüchtet und lebt nun in Osnabrück. Zum ersten Mal sieht er eine Synagoge von innen.
Mohammed: "Diese Kerzen und die Sprache, wie Hebräisch geschrieben wird. Das erste Mal sehe ich, wie Hebräisch auch aussieht."
Jugendlicher: "Und was machen wir jetzt?"
Radbil: "Film gucken..."
Und zwar "Monsieur Claude und seine Töchter", eine Film-Komödie über einen erzfranzösischen Familienvater und seine Frau, die sich mit ihren Multi-Kulti-Schwiegersöhnen schwer tun.

Filmszene: "Es könnte doch sein, dass ich diese irrationale Panik vor Feldmäusen einfach übertrage – und zwar auf Ausländer. Glauben Sie das ist möglich? / Und Sie, was glauben Sie?"

Zusammen einen Film anschauen, miteinander reden – nicht nur über religiöse Fragen – und essen. Salate, Fisch, Humus – alles koscher und halal. Esra‘a hat schon einige Gemeinsamkeiten entdeckt.
Esra‘a: "Ich habe mich gefreut. Wir haben auch ganz oft Humus, die Israelis und wir haben das, das hat mich auch gefreut, und Falafel und so. Das ist so was Schönes."
Doch viele Juden und Muslime in Deutschland verbinden auch Diskriminierungserfahrungen. Esra‘a und Narmina kennen auch Antisemitismus, Islamophobie oder antimuslimischen Rassismus.
Esra‘a: "In meiner Schule ist es so, die sagen ´Ey, du Jude` als Beleidigung, was ich nicht richtig finde. Am Anfang habe ich mir das nicht so vorgestellt, dass wir ganz normal miteinander essen und reden werden. Das war sehr interessant. Die sind ganz locker mit mir umgegangen. Wir hatten auch keine Angst und so. Mit dem Thema Israel und Palästina sind die auch ganz locker umgegangen, wie ich auch."
Narmina: "Die Muslime in Europa müssen sich irgendwie davon abgrenzen und versuchen, stark zu sein, damit sie nicht in diese Schublade gepackt werden mit dem Terrorismus. Die müssen auch mit Vorurteilen kämpfen. Vielleicht ist es besser, wenn sie dann Unterstützung bekommen von Nicht-Muslimen, also von Juden."
Das Religiöse und das Politische immer auseinanderzuhalten, ist schwer. Der Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen nimmt zu, beobachtet Du‘A Zeitun. Schuld daran sei unter anderem der Nahostkonflikt. Seit den 90er-Jahren werde er immer stärker medial inszeniert. Sie kritisiert die Rolle, die dabei auch einige arabische Fernsehsender spielen.

Zeitun: "Ja, dieses Feindbild muslimisch-jüdisch, das auch noch mal anzusprechen. Denn es ist irgendwie da. Man kann das nicht wegzaubern. Das ist noch ein Schritt, den man beginnt, wenn diese Freundschaft auch fest ist, wenn dieser Kern zusammengeschweißt ist, dass man auch über Ängste sprechen kann. Und vielleicht da zu versuchen, diese Angst zu nehmen und zu zeigen, nein, diese Angst muss man nicht haben."
Radbil: "Ich fände es auch wichtig, wenn professionelle Leute dafür eingestellt werden, wenn wir jemanden hätten, der professionell ist, der mit der Problematik vertraut ist, der beide Seiten kennt. Der vielleicht eine sozialwissenschaftliche oder psychologische Ausbildung hat, um mit den Jugendlichen über ihre Probleme reden zu können."
Rabbiner Radbil ist überzeugt: Nicht die Religion ist das Problem.
"Wir sind theologisch gesehen einander sehr nahe, also Islam ist wahrscheinlich die nächste Religion zum Judentum. Wir haben viel mehr Gemeinsamkeiten mit dem Islam, als mit Christentum z.B., obwohl wir uns alle drei als monotheistisch verstehen. Wir haben einige Gesetze, die sehr ähnlich sind. Wir können viel besser nachvollziehen, wenn ein anderer über seine religiöse Praxis erzählt."
Der Nahost-Konflikt hät tiefe Gräben geschaffen
Inwieweit können jedoch solche Initiativen wie in Osnabrück oder Hannover tatsächlich auch in die Gemeinden hineinwirken? Rabbiner Radbil stellt immer wieder fest: Der Graben, den der Nahost-Konflikt geschaffen hat, ist sehr tief.
"Gerade an diesem Punkt fängt alles an, persönlich zu werden. Einige sind davon betroffen, die Verwandte bei Anschlägen in Israel verloren haben, wo die Jugendlichen in der Armee sind und ihr Leben riskieren. Es gab einige, die mit Skepsis dem Ganzen begegnet sind. Aber ich denke, im Großen und Ganzen überwiegt die Freude, dass wir so etwas machen."
Yazid Shammout und Michael Fürst haben die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt, aufeinander zuzugehen. Eine gemeinsame Veranstaltung hat Michael Fürst besonders beeindruckt. Da erzählten sich Überlebende der Shoah und geflüchtete, beziehungsweise vertriebene Palästinenser gegenseitig von ihrem Schicksal.
"Man hat den Eindruck gehabt, das, was mir von palästinensischer Seite gesagt wurde, das ist so, wie er das gerade geschildert hat, das nehme ich ihm so ab. Da mag, was die Empfindungen angeht, nach 30, 40 Jahren manches verklärt gesehen werden oder anders gesehen werden. Aber das Gefühl, das er rüberbrachte, war authentisch. Und das war, glaube ich, auch für meine Beziehung, die ich zu Yazid entwickelt habe, sehr wichtig."
Gemeinsam nach Lösungen zu suchen in einem alten Konflikt. Sich vorsichtig anzunähern, Schritt für Schritt. Wie stabil die Brücke inzwischen ist zwischen den jüdischen und palästinensischen Gemeinden, das haben die beiden Vorsitzenden auch beim Gazakonflikt im vergangenen Jahr gespürt.
Shammout: "Wir hatten auch israelkritische Demonstrationen in Niedersachsen und das ist auch gut so. Aber es waren israelkritische Demonstrationen und keine antisemitischen hier. Und das ist etwas, wo ich sage, das ist ein Quantensprung, den wir in Niedersachsen geschafft haben."
Fürst: "Das war ja in anderen Städten und Ländern hier in Deutschland, dass also auch aktiv gegen Juden vorgegangen wurde. Das war in Niedersachsen nicht der Fall. Wir haben in Niedersachsen tatsächlich keine Ausschreitungen gehabt. Und das ist etwas, wo man sagen kann, da haben wir mit unserer Freundschaft Zeichen gesetzt und das wirkt auch hier in Niedersachsen bis an die Basis durch."
Reinbold: "Eine immens wichtige Symbolfunktion, sie reisen gemeinsam nach Israel, sie halten ihre Differenzen aus. Also das ist vorbildlich. Auch dieses Vertrauen zwischen den beiden Vorsitzenden. Insofern ist das ein ganz wichtiger Anfang, wie mir scheint."
Sagt Wolfgang Reinbold, Islambeauftragter der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers. Er beobachtet aber auch bei Veranstaltungen, dass die beiden Gruppen oft noch unter sich bleiben. Das brauche Zeit, so Reinbold. Er setzt vor allem auf die jüngere Generation.
Reinbold: "Das sind deutsche Jugendliche, die hier aufwachsen, die gemeinsam zur Schule gehen, die sich kennen. Mindestens aus der Schule kennen sie sich. Und jetzt, wo die jüngere Generation heranwächst, auch auf muslimischer Seite eine jüngere Generation, die sich für diese Themen interessiert, da beginnen die ersten Projekte. Ich glaube, dass das ein ganz normaler Prozess ist und dass wir in 20 Jahren viel mehr davon sehen werden als heute."
Jugendliche: "Shabbat Shalom from New York City, Jerusalem, Johannesburg, Charlottesville, Jerusalem, London, Amsterdam, Indianapolis, Chicago, Oslo, Tel Aviv..."
Ein Ausschnitt aus einem Video von der "Muslim Jewish Conference", einem Dialogforum für junge Muslime und Juden aus der ganzen Welt. Dieses Mal trafen sich die rund 160 Teilnehmer in Berlin. Ilja Sichrovsky, der Gründer dieser interreligiösen Konferenz, ist sich sicher: Der jüdisch-muslimische Dialog wird immer wichtiger. Und er ist überzeugt, dass sich seiner Generation durch die sozialen Medien eine einzigartige Chance bietet.
Sichrovsky: "Wo wir zwar nicht von Angesicht zu Angesicht diskutieren können, aber das weiterführen, was wir von Angesicht zu Angesicht begonnen haben. Und da, glaube ich, liegt die Nachhaltigkeit. Die Möglichkeit zu haben, den anderen kennenzulernen, ein Gesicht, eine Geschichte, eine Sprache zu den Muslimen, zu den Juden hinzufügen zu können in der eigenen Erfahrung. Und dann eben online diese Beziehung nicht nur weiter zu pflegen, sondern gemeinsam Projekte zu entwickeln, Initiativen zu entwickeln, Ideen zu entwickeln, um diese Dinge umzusetzen."
In den vergangenen Jahren sei so ein weltweites Netzwerk entstanden. Ein kleiner Beitrag zum friedlichen Zusammenleben von Juden und Muslimen.
Sichrovsky: "Da merken wir, dass die Menschen mutiger werden. Wir haben Publikationen in Ägypten gehabt, wo eben auch ganz, ganz offen über den Holocaust, über die Erfahrungen mit den jüdischen Teilnehmern gesprochen wurde. Ich muss ehrlich immer dazu sagen, dass ich einen ungemeinen Respekt habe vor unseren muslimischen Mitaktivisten, für die das eine ganz andere Situation ist in Karatschi oder in Islamabad oder in Saudi-Arabien oder Afghanistan, den jüdisch-muslimischen Dialog zu unterstützen."
Von Feindschaft über vorsichtige Annäherung hin zu Freundschaft – ein langer Weg. Das weiß auch Du‘A Zeitun, die Gründerin der Muslimischen Jugend-community Osnabrück.
"Wir bieten keinen jüdisch-muslimischen Dialog aufgrund politischer Debatten, um zu zeigen, hier passiert was, sondern eigentlich aus Überzeugung. Und ich glaube, wenn man das den Jugendlichen vorlebt, dann werden die selber auch verstehen, das wollen wir eigentlich auch."
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