Juden im serbischen Subotica

Von Jutta Schwengsbier und Jadranka Kursar |
Die frühesten Spuren jüdischen Lebens auf dem Balkan gehen zurück bis in die römische Zeit. In Städten wie Subotica in der multikulturellen serbischen Provinz Voivodina lässt sich heute noch erahnen, zu welcher Blüte die jüdische Kultur insgesamt gekommen war. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg prägten über 6000 jüdische Bewohner das Stadtbild. Doch den Vernichtungsfeldzug der deutschen Nazis überlebten nur wenige von ihnen.
Rund um den Bahnhof von Subotica zeugen bröckelnde Fassaden ehemaliger Herrenhäuser, erbaut im ungarisch-österreichischen Jugendstil, von einer prachtvollen Vergangenheit. Und von einer wechselvollen Stadtgeschichte. Mal Teil Österreich-Ungarns, dann wieder Serbien eingegliedert, wechselten Machtverhältnisse und Bevölkerungsgruppen mehrfach über neu gezogene Grenzen hin und her. Geblieben ist der heutigen serbischen Provinz Vojvodina ein multikulturelles Völkergemisch. Und Sabotica eine Architektur, die auch den ehemaligen Reichtum der jüdischen Gemeinde zeigt. Tomislav Halbrohr, Präsident der jüdischen Gemeinde:

"Die jüdische Gemeinde besteht in Subotica seit 1775. Katholiken hatten lange nicht erlaubt, dass Juden in der Stadt übernachten. Alle mussten vor Sonnenuntergang in die umliegenden Dörfer zurückkehren. Doch weil Subotica unabhängig werden wollte, mussten die Stadtoberen irgendwann alle Einwohner aus Österreich-Ungarn aufnehmen. Auch die Katholiken mussten sich dann damit abfinden, gemeinsam mit Juden in der gleichen Stadt zu übernachten."

Auch wenn Juden nicht immer gerne gesehen waren, wie Tomislav Halbrohr erzählt. Auf ihr Geschick als Händler und auf ihre Wirtschaftskraft wollte Subotica nicht verzichten.

Halbrohr: "Von 1775 bis zum Zweiten Weltkrieg gab es in Subotica keinen Antisemitismus. Auch die Stadtregierung war immer korrekt. Juden hatten die gleichen Möglichkeiten, Grundstücke zu kaufen, für einen jüdischen Friedhof und für die Synagoge."

Mit ihrer hoch aufragenden zentralen Kuppel und vier Ecktürmen war die Synagoge lange ein Schmuckstück für die ganze Stadt. Der World Monument Fund hat sie zu einem der 100 gefährdetsten Objekte der Welt erklärt. Nun lässt die serbische Regierung den lange vernachlässigten Bau restaurieren. Vor Kurzem wurde der Architekt Mirko Grlica beauftragt, die Synagoge vor dem Verfall zu retten.
Halbrohr: " Das Gebäude wurde 1901 errichtet. Es ist sehr modern für diese Zeit. Mit viel Keramik und vielen Details an der Tür. Mit rotem Ziegel. Das Gebäude steht auf einem metallischen Gerüst und die grandiose Kuppel wurde darauf gesetzt. Aber was das Haus vor allem schön macht, sind die außergewöhnlichen Vitrazi von Miksa Roth, die in der jüdischen Tradition bemalt sind. Viele sind beschädigt, aber die Restaurierung läuft." "

Die Vitrazi, die Fenstervitragen, erinnern mit ihrer Glasmalerei an ungarische Volkskunst. Menschliche oder tierische Motive dürfen bei Synagogen nicht gezeigt werden. So lässt ein bunter Blumenreigen das einfallende Licht in bunten Pastellfarben schimmern. Tomislav Halbrohr, der Präsident der jüdischen Gemeinde, wartet schon auf den Tag, bis die Synagoge wieder geöffnet wird. Seine Familie war eine der wenigen, die dem Vernichtungsfeldzug der deutschen Nazis entkam. Nun beobachtet Tomislav Halbrohr mit Freude, dass vor allem die jungen Juden großes Interesse an der eigenen Kultur, an ihren Wurzeln entwickeln. Regelmäßig würden sie sich im Zentrum der jüdischen Gemeinde treffen und ihre kulturellen Bräuche pflegen - nicht nur am Sabbat.

Halbrohr: "Unser kulturelles Leben ist vom religiösen nicht zu trennen. Natürlich treffen wir uns vor allem Samstag, am Sabbat. Aber auch am Freitag wird oft nach dem Gebet bei Wein, Kuchen und Käse diskutiert. Diejenigen, die sich für Literatur interessieren, kommen zumindest zum Freitagabend."

Über viele Jahrhunderte prägte die jüdische Kultur das multikulturelle Leben in der Stadt, in der Juden, Ungarn, Deutsche und Serben zusammenlebten. Ein Leben, an das Subotica nach dem Zweiten Weltkrieg nie wieder anknüpfen konnte. Auch wenn die jüdische Gemeinde sich immer um eine gute Nachbarschaft bemüht habe, meint Tomislav Halbrohr:

"Unseren christlichen Brüdern habe ich versucht zu suggerieren, dass man unter Ökumene auch eine Zusammenarbeit verschiedener Glaubensgemeinschaften verstehen könnte. Aber unsere griechisch-orthodoxen Katholiken haben dafür kein richtiges Gehör. (...) wir haben auch unsere rechte Hand der islamischen Gemeinschaft angeboten. Sie sind zwar sehr herzlich. Aber eine Zusammenarbeit ist auch nicht möglich. Die religiösen Glaubensgemeinschaften haben Angst, ihre eigenen Gläubigen zu verlieren. Aber wir Juden sind keine Missionare. Wir wollen weder die Christen noch die Muslime bekehren."

Unbeirrt von der Ablehnung und Ignoranz, die der jüdischen Gemeinde in Subotica von manch anderem kirchlichen und städtischem Würdenträger entgegenschlägt, betont der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Tomislav Halbrohr: Wir strecken unsere Hand aus:

"Ich bin in diesem Haus geboren, das ich von meinem Vater geerbt habe. Diese Couch ist auch noch von meinem Vater. Ich wohne hier gleich gegenüber von der Synagoge und kann im Osten jeden Morgen beten. Wenn ich die Rollos aufziehe, um dann zu beten, sehe ich nicht nur Jerusalem, sondern auch die Synagoge."