Juden geben Auskunft
"Woran erkennt man Juden?" Aus Besucherfragen wie dieser haben die Kuratoren des Jüdischen Museums Berlin eine Ausstellung gemacht. In einer großen Glasvitrine nehmen täglich jüdische Gäste Platz und beantworten Fragen der Besucher.
Porat: "'Sind im Jüdischen Museum nur Juden beschäftigt? – Und, was glauben Sie, ist die Antwort? Ich weiß es nicht. – Es gibt kaum Juden heute. Nein, wenige Leute sind wirklich jüdisch, kaum Juden arbeiten im Jüdischen Museum."
Ido Porat, ein junger Israeli, der seit zehn Jahren in Berlin lebt und als Guide im Jüdischen Museum arbeitet, sitzt in einem der Ausstellungsräume in einer großen, offenen Glasvitrine und beantwortet Fragen von Besuchern. Er gehört zu dem Kreis von Juden, die sich für eine ungewöhnliche Aktion zur Verfügung gestellt haben: Zwei Stunden täglich geben sie Auskunft über all das, "was man schon immer über Juden wissen wollte".
Porat: "Normalerweise die Fragen geht wirklich über Judentum, ob gibt Hölle oder Paradies bei Juden. In den ersten Tag haben wir viel über Israel gesprochen, was genau passiert dort, was ist interessant dort. Ich finde es interessant zu wissen, was die Leute denken und über was die Leute mit mir reden. Ich habe von Anfang an gedacht, die Idee ist super. Ich freu mich, mit den Leuten zu reden."
Besucher: "Diese Fragen, das find ich großartig, und dass die sich dazu bereit erklären, einige Stunden am Tag zuzubringen, großartig. Wir haben auch gerade gehört, sein Urgroßvater war hier in Berlin ansässig, sie haben deutsche Wurzeln. Und dann haben wir gefragt, wie ist es, wenn eine christliche oder nichtjüdische Frau konvertiert, sind dann ihre Kinder auch Juden?",
berichtet ein Ausstellungsbesucher. Aus seinen Fragen spricht wirkliches Interesse - was nicht unbedingt auf die Zitate zutrifft, die an anderer Stelle in der Ausstellung als Videoprojektionen zu lesen sind: Warum tragen Juden oft so blumige Namen? Halten alle Juden zusammen? Sind alle Juden Genies? Warum mag keiner die Juden? Hinter solchen Fragen stecken häufig nicht Neugier oder Unkenntnis, sondern Vorurteile und Klischees. Martina Lüdicke, Kuratorin der Ausstellung, hat die Zitate zusammengetragen:
"Das sind tatsächlich authentische Fragen. Wir haben sie so übernommen, wie wir sie in den Gästebüchern gefunden haben, wie wir sie in Internetforen gefunden haben, wir haben uns im Kollegenkreis umgehört: Haben Juden Hörner? Sind alle Juden religiös? Jüdische Frauen gelten als besonders schön, stimmt das? Wer finanziert eigentlich alle jüdischen Museen? Dürfen am Jüdischen Museum nur Juden arbeiten? Sind alle Juden geschäftstüchtig? Es wird immer wieder Bezug genommen auf Verschwörungstheorien: Sind alle Juden miteinander verwandt, sind die Juden auserwählt, fühlen sie sich überlegen?"
Zu 30 Fragen - zum Beispiel: Wer ist ein Jude? Was bedeuten Menora und Davidstern? Was macht Lebensmittel koscher? – präsentieren die Ausstellungsmacher mehrdeutig und gegensätzlich interpretierbare Objekte, Installationen, Filmbeiträge und Zitate. Man wolle und könne keine endgültigen Wahrheiten bieten, betont Martina Lüdicke.
"Wir liefern nicht die eine richtige Antwort, wir liefern viele Antworten, und die Antworten widersprechen sich. Das ist das Prinzip der Ausstellung."
So sehen Besucher in dem Raum "Frag den Rabbi" eine Filminstallation, in der sieben Rabbiner, orthodoxe, konservative, liberale, zu verschiedenen religiösen Fragen Stellung nehmen, zum Beispiel, ob man am Schabbat mit dem Auto zur Synagoge fahren darf.
Filmausschnitt: "Am Schabbat man darf nicht fahren, man darf kein Auto nutzen, man darf nicht mit der S-Bahn fahren, du bleibst doch zu Hause. - Bei der Orthodoxie ist es besser, zu Hause zu bleiben, aber die Konservativen sagen, man darf mit dem Auto zur Synagoge fahren, einmal hin und einmal zurück, ohne Umweg."
Die Frage "Wer ist Jude?" beantwortet das Jüdische Museum mit hintersinnigen Portraits: Bei Charlie Chaplin wird auf ein Lexikon aus dem Jahr 1948 verwiesen, das ihn als jüdischen Filmstar aufführt, weil seine Augen auf "typisch jüdische Weise" sowohl Trauer als auch Freude vermittelten. Der Berliner Journalist Harald Martenstein bezeichnet sich selbst als sogenannten Scheinjuden, weil man ihn als Juden beschimpfe oder lobe, wenn er in seinen Zeitungskolumnen eine pointierte Meinung vertritt. Und Israels erster Premierminister David Ben Gurion wird mit der selbstironischen Bemerkung zitiert, für ihn gelte jeder als Jude, der meschugge genug sei, sich selbst einen zu nennen.
Die Ausstellung ist nicht nur vieldeutig, sie provoziert bewusst, wenn sie zur Frage "Gibt es noch Juden in Deutschland?" lebende Juden präsentiert. Die Münchener Autorin Olga Mannheimer hat sich, ohne lange zu zögern, für eine Sitzung in der Glasvitrine zur Verfügung gestellt
Mannheimer:"Es kommt immer wieder vor, dass man als ein Objekt aus dem Themenpark betrachtet wird. Es stört mich auch nicht weiter, es gehört dazu. Es kommt auch ein bisschen darauf an, was man selber daraus macht, ich finde das zum Teil gar nicht so unangenehm."
Die ungewöhnliche Idee des Museums, Juden gewissermaßen zum Anfassen zu präsentieren, irritiert manche Besucher. Sie schauen verunsichert auf die Glasvitrine und gehen rasch vorbei. Andere hingegen sind begeistert. Sie informieren sich an einem kleinen Aushang, dass an diesem Tag Ido Porat in der Vitrine sitzt, und nutzen die Gelegenheit zu einem Gespräch.
Porat: "Bis jetzt ich bin ziemlich zufrieden. Ich habe gedacht, vielleicht kommt einige wirklich schwere Fragen, oder antisemitisch oder anti-Israel oder was, aber bis jetzt meine Erfahrung ist ziemlich positiv."
Besucher: "Ich muss sagen, ich finde es eine großartige Idee, dass man Fragen stellen kann. Und nicht über den Computer, sondern dass man hier einen kompetenten Menschen mit Leib und Seele gegenüber hat und mit dem man reden kann, das finde ich sehr schön. Insofern denke ich, ist es für junge Leute vielleicht auch sehr wichtig, solche Dinge auch personell festzumachen, weil junge Leute haben den geschichtlichen Hintergrund nicht so, und für die sind die Klischees, glaube ich, noch vertrauter als Realitäten. Insofern denke ich, ist das dafür auch schon sehr wichtig, gerade heute."
Ido Porat, ein junger Israeli, der seit zehn Jahren in Berlin lebt und als Guide im Jüdischen Museum arbeitet, sitzt in einem der Ausstellungsräume in einer großen, offenen Glasvitrine und beantwortet Fragen von Besuchern. Er gehört zu dem Kreis von Juden, die sich für eine ungewöhnliche Aktion zur Verfügung gestellt haben: Zwei Stunden täglich geben sie Auskunft über all das, "was man schon immer über Juden wissen wollte".
Porat: "Normalerweise die Fragen geht wirklich über Judentum, ob gibt Hölle oder Paradies bei Juden. In den ersten Tag haben wir viel über Israel gesprochen, was genau passiert dort, was ist interessant dort. Ich finde es interessant zu wissen, was die Leute denken und über was die Leute mit mir reden. Ich habe von Anfang an gedacht, die Idee ist super. Ich freu mich, mit den Leuten zu reden."
Besucher: "Diese Fragen, das find ich großartig, und dass die sich dazu bereit erklären, einige Stunden am Tag zuzubringen, großartig. Wir haben auch gerade gehört, sein Urgroßvater war hier in Berlin ansässig, sie haben deutsche Wurzeln. Und dann haben wir gefragt, wie ist es, wenn eine christliche oder nichtjüdische Frau konvertiert, sind dann ihre Kinder auch Juden?",
berichtet ein Ausstellungsbesucher. Aus seinen Fragen spricht wirkliches Interesse - was nicht unbedingt auf die Zitate zutrifft, die an anderer Stelle in der Ausstellung als Videoprojektionen zu lesen sind: Warum tragen Juden oft so blumige Namen? Halten alle Juden zusammen? Sind alle Juden Genies? Warum mag keiner die Juden? Hinter solchen Fragen stecken häufig nicht Neugier oder Unkenntnis, sondern Vorurteile und Klischees. Martina Lüdicke, Kuratorin der Ausstellung, hat die Zitate zusammengetragen:
"Das sind tatsächlich authentische Fragen. Wir haben sie so übernommen, wie wir sie in den Gästebüchern gefunden haben, wie wir sie in Internetforen gefunden haben, wir haben uns im Kollegenkreis umgehört: Haben Juden Hörner? Sind alle Juden religiös? Jüdische Frauen gelten als besonders schön, stimmt das? Wer finanziert eigentlich alle jüdischen Museen? Dürfen am Jüdischen Museum nur Juden arbeiten? Sind alle Juden geschäftstüchtig? Es wird immer wieder Bezug genommen auf Verschwörungstheorien: Sind alle Juden miteinander verwandt, sind die Juden auserwählt, fühlen sie sich überlegen?"
Zu 30 Fragen - zum Beispiel: Wer ist ein Jude? Was bedeuten Menora und Davidstern? Was macht Lebensmittel koscher? – präsentieren die Ausstellungsmacher mehrdeutig und gegensätzlich interpretierbare Objekte, Installationen, Filmbeiträge und Zitate. Man wolle und könne keine endgültigen Wahrheiten bieten, betont Martina Lüdicke.
"Wir liefern nicht die eine richtige Antwort, wir liefern viele Antworten, und die Antworten widersprechen sich. Das ist das Prinzip der Ausstellung."
So sehen Besucher in dem Raum "Frag den Rabbi" eine Filminstallation, in der sieben Rabbiner, orthodoxe, konservative, liberale, zu verschiedenen religiösen Fragen Stellung nehmen, zum Beispiel, ob man am Schabbat mit dem Auto zur Synagoge fahren darf.
Filmausschnitt: "Am Schabbat man darf nicht fahren, man darf kein Auto nutzen, man darf nicht mit der S-Bahn fahren, du bleibst doch zu Hause. - Bei der Orthodoxie ist es besser, zu Hause zu bleiben, aber die Konservativen sagen, man darf mit dem Auto zur Synagoge fahren, einmal hin und einmal zurück, ohne Umweg."
Die Frage "Wer ist Jude?" beantwortet das Jüdische Museum mit hintersinnigen Portraits: Bei Charlie Chaplin wird auf ein Lexikon aus dem Jahr 1948 verwiesen, das ihn als jüdischen Filmstar aufführt, weil seine Augen auf "typisch jüdische Weise" sowohl Trauer als auch Freude vermittelten. Der Berliner Journalist Harald Martenstein bezeichnet sich selbst als sogenannten Scheinjuden, weil man ihn als Juden beschimpfe oder lobe, wenn er in seinen Zeitungskolumnen eine pointierte Meinung vertritt. Und Israels erster Premierminister David Ben Gurion wird mit der selbstironischen Bemerkung zitiert, für ihn gelte jeder als Jude, der meschugge genug sei, sich selbst einen zu nennen.
Die Ausstellung ist nicht nur vieldeutig, sie provoziert bewusst, wenn sie zur Frage "Gibt es noch Juden in Deutschland?" lebende Juden präsentiert. Die Münchener Autorin Olga Mannheimer hat sich, ohne lange zu zögern, für eine Sitzung in der Glasvitrine zur Verfügung gestellt
Mannheimer:"Es kommt immer wieder vor, dass man als ein Objekt aus dem Themenpark betrachtet wird. Es stört mich auch nicht weiter, es gehört dazu. Es kommt auch ein bisschen darauf an, was man selber daraus macht, ich finde das zum Teil gar nicht so unangenehm."
Die ungewöhnliche Idee des Museums, Juden gewissermaßen zum Anfassen zu präsentieren, irritiert manche Besucher. Sie schauen verunsichert auf die Glasvitrine und gehen rasch vorbei. Andere hingegen sind begeistert. Sie informieren sich an einem kleinen Aushang, dass an diesem Tag Ido Porat in der Vitrine sitzt, und nutzen die Gelegenheit zu einem Gespräch.
Porat: "Bis jetzt ich bin ziemlich zufrieden. Ich habe gedacht, vielleicht kommt einige wirklich schwere Fragen, oder antisemitisch oder anti-Israel oder was, aber bis jetzt meine Erfahrung ist ziemlich positiv."
Besucher: "Ich muss sagen, ich finde es eine großartige Idee, dass man Fragen stellen kann. Und nicht über den Computer, sondern dass man hier einen kompetenten Menschen mit Leib und Seele gegenüber hat und mit dem man reden kann, das finde ich sehr schön. Insofern denke ich, ist es für junge Leute vielleicht auch sehr wichtig, solche Dinge auch personell festzumachen, weil junge Leute haben den geschichtlichen Hintergrund nicht so, und für die sind die Klischees, glaube ich, noch vertrauter als Realitäten. Insofern denke ich, ist das dafür auch schon sehr wichtig, gerade heute."