"Jud Süss - Film ohne Gewissen"

Von Jörg Taszman · 22.09.2010
Es war der Skandalfilm der diesjährigen Berlinale: Oskar Roehlers filmischer Versuch, hinter die Fassaden bei der Entstehung des perfidesten Propagandafilms des Dritten Reichs "Jud Süß" zu schauen. Der Regisseur sah sich der geballten Wut des deutschen Feuilletons ausgesetzt. Dabei macht es Oskar Roehler seinen Kritikern leider auch sehr leicht.
So erzählt er mit einigen künstlerischen Freiheiten vom Aufstieg und Fall des mittelmäßigen Schauspielers Ferdinand Marian, der von Goebbels mehr oder weniger gezwungen wurde, die infame Hauptrolle des "Juden" zu spielen, der als Hochstapler, Betrüger und Frauenschänder sich am deutschen Volk "versündigt". Um den Konflikt von Marian zu verschärfen, macht Oskar Roehler aus der Ehefrau des Schauspielers eine Halbjüdin, die von Goebbels jederzeit auch nach Auschwitz geschickt werden könnte. Das ist schlicht erfunden und insofern unnötig, weil der Konflikt, aus Ruhmsucht und Eitelkeit sich lieber für die Karriere als das eigene Gewissen zu entscheiden, gerade bei Schauspielern (die ja gelegentlich auch Selbstdarsteller sein können) oft ein innerer Kampf ist.

Abgesehen von diesem "Fauxpas" kann Oskar Roehler auf der Habenseite durchaus sehr gute schauspielerische Leistungen verbuchen, vor allem Tobias Moretti als Ferdinand Marian ist sehenswert, Moritz Bleibtreu als Goebbels meistens sehr amüsant. Das Problem des Films ist auch nicht, dass sich Roehler dem Original mit einem gewissen Respekt nähert, was die professionelle Machart von Veit Harlans "Jud Süß" betrifft. Nur, wer sich traut, das Grauen auch als Faszinosum zu inszenieren, kann den Schrecken nachempfindbar werden lassen. Aber Roehler, der sonst gerne provoziert und alles andere als ein "politisch-korrekter" Filmemacher ist, traut sich diesmal nicht, wirklich querzuschießen und bleibt so gefangen bei dem Versuch, konventionelleres Kino abzuliefern.

Deutschland 2010, Regie: Oskar Roehler, Hauptdarsteller: Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu, Tobias Moretti, Armin Rhode, Justus von Dohnányi, ab 12 Jahren, 114 Minuten

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