Journalist des Jahres Juan Moreno

"Das war nicht vergnügungssteuerpflichtig"

07:28 Minuten
In einem rot ausgeleuchteten Ambiente steht ein Mann mit aus der Stirn gekämmten gewellten brauen Haaren. Über einem offenen kragenlosen dunkelgrauen Hemd trägt er einen schwarz-graues Jackett.
Zuerst nicht gehört, nun als Journalist des Jahres ausgezeichnet: Der "Spiegel"-Autor Juan Moreno bei der Preisverleihung in Berlin. © picture alliance / dpa / Christophe Gateau
Von Manfred Götzke · 18.02.2020
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Sein Kollege beim "Spiegel" war ein Fälscher: Juan Moreno enttarnte Claas Relotius. Nun wurde der Autor dafür als "Journalist des Jahres" geehrt. Beim Festakt in Berlin gab sich die Branche nachdenklich.
Auch der letzte Platz an der Tafel im Festsaal des Oderberger Hotels in Prenzlauer Berg ist besetzt. Rund 150 Journalistinnen und Journalisten sind gekommen, um bei Wein und Häppchen sich selbst zu feiern – aber vor allem den Mann, der den größten Skandal in der jüngeren Geschichte des deutschen Journalismus aufgedeckt hat: Juan Moreno.
Eine Jury aus 100 Kollegen hat Moreno für die Enthüllung des Relotius-Skandals zum Journalisten des Jahres gekürt. Die wohl wichtigste Auszeichnung im deutschen Journalismus.
"Champions League", sagt Moreno kurz vor Verleihung, streicht sich durch sein dunkelbraunes Haar und grinst. "Deutschlands Journalist des Jahres, das macht natürlich eine Menge her. Und ich freue mich, weil es ein Preis ist, der von einer Fachjury vergeben wird – von Leuten, die aus der Branche sind."

Heftige Widerstände im eigenen Haus

Viele nennen den freien "Spiegel"-Journalisten an diesem Abend einen Helden. Auch Morenos Laudator, der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. Schließlich musste Moreno damals gegen heftige Widerstände im eigenen Haus ankämpfen. Keiner wollte ihm zunächst Glauben schenken.
"Dass er das geschafft hat, das ehrt ihn. Deswegen ist er der beste Journalist des Jahres, der hier je gewählt wurde."
Claas Relotius hat durch seine Lügengeschichten nicht nur die Vertrauenskrise des Journalismus verschärft. Auch Ehrungen und Journalistenpreis wurden ein Stück weit diskreditiert. Schließlich hat der Fälscher mit seinen Geschichten auch die Jurys der Journalistenpreise getäuscht. Immer und immer wieder. Auch Brender ist auf ihn reingefallen. Er wirft sich das noch immer vor.
"Ich selbst habe Relotius meine Stimme gegeben. Ich habe dafür gesorgt, dass er den letzten Preis bekommen hat. Weil ich geblendet war, durch seine Schreibe. Insofern sind mir auch die Augen geöffnet worden. Ich hoffe, dass das auch bei mir länger anhält."

Reflexion über Umgang mit Quellen

Katja Bauer ging das ganz ähnlich. Sie ist Reporterin der "Stuttgarter Zeitung" und Jurorin beim Deutschen Reporterpreis. Jene Auszeichnung, die Relotius Jahr für Jahr wieder gewonnen hat. Auf die er geradezu hingearbeitet hat – mit viel Phantasie. Heute schauen Bauer und ihre Kolleginnen in der Jury deutlich genauer hin. Wer eine Arbeit beim Reporterpreis einreicht, muss eine Dokumentation der eigenen Recherche mitliefern.
"Ich schaue als Jurorin auch anders drauf. Ich glaube schon, dass eine Reflexion darüber eingesetzt hat, was ist eine Rekonstruktion. Wann zeige ich meine Quellen? Dass ich das muss, dass ich Transparenz herstellen muss. Keine Journalistin, die den Fall Relotius erlebt hat, wird danach nicht nochmal ganz anders nachgedacht haben."

Journalist des Jahres - der Preis, der an diesem Abend verliehen wird, ging nie an Relotius. Wohl auch deshalb hat er nichts von seinem Glanz verloren, erzählt der ehemalige "FAZ"-Journalist Günther Bannas.
"Es sind viele Kollegen hier. Die würden nicht kommen, wenn das alles nix mehr wert wäre. Man soll die Preise aber nicht ganz ernst nehmen, immer mit einem Augenzwinkern. Und dann so eine Veranstaltung - ein kollegiales Beisammensein, das ist doch die Hauptsache."

Viel ist kaputt gegangen

Auf dem Empfang steht der Mann des Abends eher am Rand, unterhält sich mit zwei, drei Kollegen. Moreno ist kein Mann für das Bad in der Menge. So sehr er sich über den Aufstieg in die "Champions League" freut, eine späte Genugtuung ist die Auszeichnung für ihn nicht.
"Das war jetzt nicht vergnügungssteuerpflichtig, was ich da erlebt habe. Aber Genugtuung – dafür ist echt zu viel kaputt gegangen. Das ist kein Scherz, wenn Sie von Kollegen hören, dass die damals weinend zusammengebrochen sind, weil sie gemerkt haben, was das bedeutet, was der angerichtet hat. Das hat schon wehgetan."
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