Johnny Cash: "Forever Words"

Das Vermächtnis des "Man in Black"

Der Countrymusiker Johnny Cash in einer Aufnahme von 1990
Gut 15 Jahre nach seinem Tod gibt es nun ein neues Album mit Texten von Johnny Cash. © imago/ZUMA/Keystone
Von Harald Mönkedieck · 04.04.2018
Neue Songs über Liebe, Leben, Tod: Im Nachlass von Johnny Cash fanden sich zahlreiche Texte, Gedichte und Fragmente. Nun hat sein Sohn daraus ein neues Album gemacht: "Forever Words" - interpretiert von Prominenz nicht nur aus der Welt von Country und Americana.
Die Gitarre von Willie Nelson, die Stimme von Kris Kristofferson, das Gedicht "Forever" mit den Zeilen: "Die Bäume, die ich pflanzte sind noch jung / Und die Songs, die ich sang werden weiter gesungen werden". Zeilen von Johnny Cash geschrieben nur Wochen vor seinem Tod. Jahr um Jahr wächst der Mythos um den Vater des heute 48-jährigen John Carter Cash. Songwriter, Produzent, Nachlassverwalter. Gemeinsam mit dem nordirischen Poeten Paul Muldoon der Initiator des Buch- und Album-Projekts "Forever Words". Johnny Cash – ein Literat aus Amerika? Sein Sohn ist überzeugt davon.
"Es fing alles mit dem Buch an. Mein Vater war ja ein Künstler, der etwas wagte und auch Unerwartetes tat. Ich erhoffte mir von diesem Projekt eine Bekräftigung, eine Bestätigung, auch einen Lernprozess für andere, hinsichtlich der Stärken meines Vaters als amerikanische literarische Figur. Paul Muldoon stimmte mir zu. Und die Worte sind ja da."

Auch als Vater blieb Cash immer geheimnisvoll

Nachdem Cash das Textmaterial gesichtet hatte, war ihm klar: Hier schlummerte auch neue Musik. Zuerst jedoch kam 2016 die Buchveröffentlichung "Forever Words". Von Literaturkritikern wohlwollend aufgenommen mit dem Tenor: Johnny Cash schrieb zwar einfach, doch sein vielschichtiges Künstlertum wurde hier poetisch untermauert. Mit Texten zu großen Themen: Liebe, Leben, Tod. Für John Carter Cash ist sein Vater bis heute geheimnisvoll geblieben. Und einiges nervt ihn am innigen Verhältnis der Welt zur Heldenfigur des "Man in Black". Dem überlebensgroßen Mythos, dem frommen Anwalt der Unterdrückten.
"Was mich wirklich stört ist, wenn Menschen meinen, sein Gefühlsleben zu kennen und es für ihre Zwecke missbrauchen zu können. Letztes Jahr mussten Rosanne, meine anderen Schwestern und ich ein öffentliches Statement abgeben, nachdem ein rechter, Hass verbreitender, Radiosender einen seiner Songs benutzt hatte. Das hätte ihm nicht gefallen. Doch wenn sie ihn dann zu Hause besucht hätten, hätte er sie hereingebeten und ihnen aus der Bibel vorgelesen. Er liebte die Menschen und wollte denen helfen, die sich nicht selbst helfen können."
Rosanne Cash singt auf "Forever Words" den Song "The Walking Wounded". Einen schmerzerfüllten Text über Vietnam-Veteranen, den die renommierte Songwriterin sich mit persönlicher Intensität zu Eigen macht als käme er von ihr selbst.

Respekt vor dem Erbe

Auch die älteste Cash-Tochter wehrt sich gegen die öffentliche Vereinnahmung ihres Vaters. Im Zentrum des "Forever Words"-Konzepts steht der Respekt vor dem künstlerischen Erbe und vor der Stimme des Autoren:
"Ich bin dankbar, ein Teil dieses Erbes zu sein. Ich ehre es und begreife das als Verantwortung. Wenn Du erlebst, dass Dein Vater falsch interpretiert wird, dann willst Du ihn verteidigen. Aber gleichzeitig das teilen, was man gemeinsam an ihm liebt."

Von Brad Paisley bis Chris Cornell

John Carter Cash hat vieles auf "Forever Words" im "Cash Cabin"-Studio in Tennessee produziert. Auch der New Yorker Produzent Steve Berkowitz war mit im Boot. Cash, Berkowitz und Muldoon trafen die Auswahl der Texte. Neben Country-Stars wie Alison Krauss oder Brad Paisley finden sich im Line-Up auch Namen wie der Hip-Hop-Jazz-Keyboarder Robert Glasper oder Grunge-Rocker Chris Cornell, verstorben 2017. Cornell singt einen emotionsgeladenen Text von Cash geschrieben 1967 nach der Scheidung von Ehefrau Nummer eins.
Der Beitrag von Chris Cornell ist ein Highlight auf "Forever Words". Einem Album, das sich musikalisch vielseitig – und ohne qualitative Ausfälle - quer durch das breite Spektrum amerikanischer Roots-Musik bewegt. Und die Autorität der Worte im Werk von Cash betont, ohne dabei die poetische Sogkraft eines Bob Dylan zu entwickeln. Man hört den Autor in Teil-Identitäten als Liebhaber, Ehemann, Vater und Mystiker. Als Mann der dunkle Stunden hatte und aus einem komplexen Gefühlsleben heraus schrieb. Intensiv und interessant nicht nur für beinharte Fans. Und wie steht John Carter Cash zum Mythos seines Vaters heute? Zu all den klugen und weniger klugen Deutungen von Experten und Fans?

Auf der anderen Seite des Hasses

"Ich bin froh, dass alle das Rätselhafte meines Vaters jetzt so gut entschlüsselt haben. Ich habe das selbst noch nicht geschafft. Mir geht es auch eher darum, ihn für sich selbst sprechen zu lassen. Es ist schon eine wirklich lange Reise gewesen bis hierher."
Und wo stünde Johnny Cash politisch in den Vereinigten Staaten von heute? John Carter Cash weiß es nicht. Sein Vater behielt vieles für sich. Doch Cash Jr. mutmaßt: Wahrscheinlich stünde Johnny Cash dort, wo die freiheitlichen Ideale Amerikas noch leben. Auf der anderen Seite des Hasses.
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