Johano Strasser: Ich rechne noch mit mancher Überraschung

Johano Strasser im Gespräch mit Jürgen Liebing |
In der Schriftstellervereinigung P.E.N. würden bei Bekanntwerden konsequent ehemalige Stasi-Spitzel ausgeschlossen, so der Schriftsteller Johano Strasser. Auf die alte Bundesrepublik bezogen rechne er damit, dass noch einige Fälle ans Licht kämen, sagte der P.E.N.-Präsident vor dem Hintergrund des Fall Kurras.
Der Westen sei in dieser Hinsicht bei weitem noch nicht so gut erforscht wie der Osten, so Strasser. Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Gespräch:

Jürgen Liebing: Hat Sie die Nachricht überrascht, dass Benno Ohnesorg erschossen worden ist von jemandem, der insgeheim für die DDR gearbeitet hat?

Johano Strasser: Im ersten Augenblick ja, aber bei näherem Nachdenken erschien es mir doch nicht so völlig abwegig, dass ein so erzkonservativer Law-and-order-Mann, wie es Kurras offenbar war und ist, eine gewisse Sympathie für ein System entwickelt, in dem mit eisernem Besen Ordnung geschaffen wurde.

(…)

Liebing: Was lehrt uns der Fall Kurras über die Person eines jetzt 81-jährigen Mannes hinaus, der der Meinung ist, die Polizei setze zu selten die Waffen ein. Ist vielleicht noch mit mehreren Überraschungen in den kommenden Jahren zu rechnen?

Strasser: Das ist nicht auszuschließen. Ich denke, dass da noch einiges ans Licht kommt. Und diejenigen, die am liebsten die Birthler-Behörde dicht gemacht hätten, werden jetzt noch mal neu nachdenken müssen. Ich glaube, dass es gut ist, dass hier dieses Material durchgearbeitet wird. Und ich denke auch, dass da noch so manche Überraschung ans Licht kommen wird.

Liebing: Herr Strasser, Sie sind Präsident eines gesamtdeutschen P.E.N. Auch Sie haben diesen schmerzhaften Prozess einer Vereinigung vollziehen müssen. Ist eigentlich bei Ihnen alles im Reinen?

Strasser: Ganz 100-prozentig kann man das nicht wissen, aber erst einmal hat der Ost-PEN ja Vorarbeit geleistet. 14 belastete PEN-Mitglieder sind aus dem P.E.N. ausgeschieden vor der Vereinigung und nach der Vereinigung haben wir in einem Fall, wo wir die Belege dafür hatten, dass ein Mitglied des P.E.N. andere Kollegen bespitzelt hat, haben wir diesen ausgeschlossen mit einer Zweidrittel-Mehrheit. Es gibt bei dem gesamten P.E.N. - sowohl bei den West- wie bei den Ost-Mitgliedern - keinerlei Zweifel daran, dass wir in der Frage für den Einsatz für die Freiheit des Wortes absolut konsequent sein müssen, weil wir sonst das einzige Kapital, mit dem wir arbeiten können, verlieren würden.

Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 26.10.09 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.