Jörg-Uwe Hahn: Polizei soll Facebook bei Fahndungen nutzen dürfen

Moderation: Gabi Wuttke · 24.08.2013
Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) will den Einsatz des sozialen Netzwerks Facebook durch Polizeibehörden voranbringen. Um die Bevölkerung mit Fahndungsaufrufen zu erreichen, müsse jedes technische Hilfsmittel geprüft werden.
Gabi Wuttke: Und so macht es auch Hessen, denn auch dort ist die Polizei schon via Facebook aktiv. Justizminister Jörg-Uwe Hahn von der FDP, derzeit Vorsitzender der Justizministerkonferenz, möchte diese Art der Ermittlung auf ganz Deutschland ausgeweitet sehen. Einen schönen guten Morgen, Herr Hahn!

Jörg-Uwe Hahn: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Wie sicher sind denn die Server in Hessen?

Hahn: Der Beitrag von Ihnen, von Ihrer Kollegin war hervorragend gewesen, weil er die Probleme so schön deutlich macht und auch gleich die Lösungsvorschläge. Da passiert nichts mehr mit staatlichen Informationen auf anderen Servern. Ausschließlich staatliche Server werden dazu benutzt, und da haben wir die erste Sicherheit – jetzt mal losgelöst davon, dass man möglicherweise auch Server irgendwann knacken kann, aber das Thema will ich jetzt erst einmal weglassen. Wir haben sämtliche personenbezogenen Daten auf unseren eigenen Servern der Strafverfolgungsbehörden, und wir kontrollieren auch, was von außen hereinkommt. Es gäbe ja noch eine andere Möglichkeit, die verheerend ist: wenn ein Pranger dort aufgebaut wird. Also es wird gefahndet, ein Bild wird reingestellt, und dann sagen auf einmal alle, guck mal, das war aber Karl May gewesen, obwohl es gar nicht Karl May war. Und da muss man sich dann auch sofort dagegen sichern, indem – und das geht nur mit Menschenkraft – immer wieder überprüft wird, regelmäßig, stündlich überprüft wird, was ist dort auf diesem Server. Und wenn es falsch ist, muss es sofort wieder weg.

Wuttke: Also Sie möchten das Thema jetzt gerne weglassen, sagen aber, es ist so sicher, wie es mal sicher sein kann?

Hahn: Es ist mal sicher, wie es derzeit sicher sein kann. Nicht eine amerikanische oder ein … – Facebook ist ja in Irland, in Europa – auch als Firmensitz Unternehmen hat, die Daten, sondern die haben ausschließlich wir, die Strafverfolgungsbehörden.

Wuttke: Ihr Landesdatenschutzbeauftragter spricht aber trotz nicht ganz klarer, also ganz scharfer Fahndungsfotos von Datenexhibitionismus. So einfach kriegen Sie das nicht durch, was Sie gerne möchten.

Hahn: Och, da bin ich aber ganz anderer Auffassung. Übrigens, ich war das letzte Jahr Vorsitzender der Justizministerkonferenz, dieses Jahr ist das meine Kollegin Rehlinger aus dem Saarland, aber während meiner Präsidentschaft ist das angeschoben worden. Wir haben die Arbeitsgruppen gerade tagen. Es gibt, wie sich das für ordentliche deutsche Verwaltung gehört, Fachleute, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Und ich habe die große Hoffnung, dass ich im November auf der Justizministerkonferenz Änderungsvorschläge vorbringen kann. Und die sind ja noch viel weiter, Frau Wuttke, als das eigentlich immer diskutiert wird.

Wir haben in Deutschland eine ganz enge Regel, wann überhaupt öffentliche Fahndungen durchgeführt werden dürfen. Da kann nicht einfach mal der Polizeibeamte sagen, boah, das ist aber ein wichtiger Fall, den melde ich jetzt mal der Zeitung oder "XY … ungelöst", sondern es müssen schwere Fälle sein, es müssen ganz besondere Situationen sein. Das ist die erste Hürde. Also nicht vieles, sondern ganz, ganz weniges kommt überhaupt nur bei der Fahnung in die Öffentlichkeit. Und das Zweite ist: Wir haben, ich nenne es einmal Handreichungen für Richter und Staatsanwälte, verbindliche Handreichungen. Und da steht bisher drin, dass es ausschließlich über öffentlich-rechtliche Einrichtungen gemacht werden kann, sodass wir hier jetzt eine Öffnung machen wollen, aber mit den Begrenzungen, die Sie in dem Bericht eben schon hatten und ich noch mal vorgetragen hab: personenbezogene Daten ausschließlich auf Servern von uns, Vorkehrungen gegen die Weitergabe und den automatisierten Abgleich im Internet, Kommentare werden regelmäßig überwacht, und die sachdienlichen Hinweise müssen nach Möglichkeit dann auch über andere Dinge wie zum Beispiel Telefon oder E-Mail kommen und nicht in das Netzwerk herein.

Wuttke: Da steuere ich jetzt mal bei, dass die Strafprozessordnung in Deutschland untersagt, private Internetanbieter in eine Fahndung einzuschalten.

Hahn: Die Strafprozessordnung nicht, sondern die sogenannte RiStBV – das war die Handreichung, von der ich eben gerade gesprochen habe –, und die kann man ändern, wie man jedes Gesetz ändern kann, wenn es vernünftig ist.

Wuttke: Die Strafprozessordnung, die das untersagt, habe ich aber aus einer ziemlich zuverlässigen Quelle. Erklären Sie uns noch mal bitte, was da jetzt der Unterschied ist und was die Strafprozessordnung denn dann zulässt!

Hahn: Ich hab’s eben schon erklärt: Wir haben bisher eine Regelung, dass nur in öffentlichen Dingen, in öffentlich-rechtlichen zum Beispiel Rundfunkanstalten, Fahndung durchgeführt werden darf. Und das wird genau geklärt in dieser RiStBV. Und da habe ich jetzt hier Vorschläge auch vor mir liegen, die die Arbeitsgruppe erarbeitet, und darüber müssen wir Justizminister entscheiden, ob wir diese RiStBV ändern wollen oder nicht. Und sollte es bundesgesetzliche Änderungsnotwendigkeiten geben, die ich derzeit aber nicht sehe, dann müssen wir den Bundesgesetzgeber bitten – und wir sind ja Teil als Bundesrat des Bundesgesetzgebers –, dann entsprechende Änderungen vorzunehmen. Das ist ein Nebenkriegsschauplatz, ein rein formaler.

Wuttke: Und die Tatsache, dass das Netz ja nichts vergisst, also auch keine Lügen und keine Fehleinschätzungen, auch wenn sie im allerbesten Sinne gemeint waren, um einer Straftat, einem Straftäter auf die Spur zu kommen, wie soll das geregelt werden? Da hat ja beispielsweise der Thüringer Innenminister Bedenken.

Hahn: Ich bin der festen Überzeugung, dass man jedes technische Hilfsmittel überprüfen muss – ich sag bewusst überprüfen muss –, ob man es im Rahmen der Verhandlung nutzen kann oder nicht. Wir leben nicht mehr in einer Zeit, wo der Dorfpolizist alle seine Mitbürger kannte und dann auch schnell kombinieren konnte. Wir brauchen Technik bei der Fahndung von Automobilen, da haben wir in Hessen ein vom Datenschutzbeauftragten sehr gelobtes System. Wir nutzen die Abgleichung, holen dann aber sofort das Auto aus dem Verkehr heraus, damit keine Profilbildung und keine weiteren Daten im Internet oder sonst wo in der Technik entstehen können. Und genauso überprüfen wir jetzt Facebook. Und in dem Bericht ist es ja so überdeutlich geworden, dass die Polizei an eine Reihe von Bevölkerungsgruppen nicht mehr herankommt, weil sie halt nicht Deutschlandradio, Deutschlandfunk oder Hessischen Rundfunk hören, sondern weil sie sich ausschließlich im Netz befinden, weil sie auch keine Zeitung mehr lesen. So, da muss ich doch schauen, welche Technik ist bei den jungen Menschen en vogue und wie kann ich sie nutzen. Und dann muss ich schauen, kann ich sie sicher nutzen oder nicht. Und wir meinen, dass sie sicher genutzt ist.

Wuttke: Ein letztes Wort: Die NSA-Affäre und gerade die letzten Meldungen heute, dass Yahoo und Co. für Geld ihre Technologie Prism-freundlich gemacht haben, das alles ändert nichts an Ihrer Position?

Hahn: Ich verstehe jetzt, sorry, Ihre Frage nicht, weil ich doch erklärt habe und auch in Ihrem Bericht es drin war: Die Daten sind auf einem eigenen Gerät, sind abgeschottet von der Umwelt, sind nicht …

Wuttke: So weit als möglich.

Hahn: … wie am Anfang das gewesen ist, in einem offenen Bereich.

Wuttke: Sagt der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn im Deutschlandradio Kultur über seinen Vorstoß zur bundesweiten Facebook-Fahndung. Ob dieses soziale Netzwerk inzwischen eine alte Kamelle ist im Vergleich zu Tumblr, das erläutert nach den 8-Uhr-Nachrichten unser Netscout. Herr Hahn, vielen Dank, schönes Wochenende!

Hahn: Dito, danke, tschüss!


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