Jörg Bernardy: "Mann Frau Mensch"

Schmuckliebende Männer und der Gender-Stern

Auf dem Buchcover ist ein blauer Schmetterling auf rosa Grund zu sehen.
Warum nicht einfach Mensch sein statt Mann oder Frau? Aus solchen Fragen bezieht das neue Buch des Philosophen Jörg Bernardy seinen Reiz. © Beltz/Blickwinkel/Imago
Von Eva Hepper · 23.01.2019
Wäre ich eine andere Person, wenn ich ein anderes Geschlecht hätte? Philosoph Jörg Bernardys regt mit "Mann Frau Mensch" dazu an, über diese Frage nachzudenken – ein ungewöhnliches Buch in Zeiten einer oft schrillen Gender-Debatte.
Mag ich meinen Namen? Ist es für mein Ich-Gefühl wichtig, ob ich mich männlich oder weiblich fühle? Wäre ich eine andere Person, wenn ich ein anderes Geschlecht hätte? Und was bedeutet das eigentlich: typisch männlich, typisch weiblich?
So einfach sie formuliert sind, es sind keine simplen Fragen, die der Philosoph Jörg Bernardy in seinem Buch "Mann Frau Mensch. Was macht mich aus?" stellt. Sie zielen nicht nur mitten hinein in die aufgeregte Debatte über Geschlechter und (überkommene) Rollenbilder, sie sind auch elementar für die eigene Identität; insbesondere für die von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. An eben diese wendet sich Bernardys Buch, ohne ein Ratgeber sein zu wollen. Dem Autor geht es vielmehr um Anregungen zum Nachdenken und das Hinterfragen von scheinbar Selbstverständlichem.

Bernardy erklärt Transsexualität und Transgender

"Mann Frau Mensch" ist in sechs Kapitel gegliedert: Es erkundet etwa das Verhältnis zum Körper, die Vorstellungen von Liebe und die Herausforderungen der Berufswelt. Zunächst aber geht es um Definitionen. Der 1982 geborene Autor erklärt den Unterschied zwischen biologischem und sozialem Geschlecht, er erläutert, was Transsexualität, Transgender oder Trans* bedeutet, verweist auf wissenschaftliche Studien zu angeborenem und erlerntem Verhalten und zeigt auf, wie unscharf manche Begriffe sind. Überdeutlich wird so, dass soziale Prägungen ein Leben lang andauern (können!) und Geschlechtergrenzen fließend sind.
Wäre da nur nicht unsere Neigung zum Schubladendenken und Kategorisieren! Meisterhaft zeigt Jörg Bernardy, dass es leichter ist, die Welt in Tarzans und Janes einzuteilen und Männern und Frauen verschiedene Eigenschaften zuzuschreiben, als eine unübersichtliche Vielfalt auszuhalten. Außerdem macht er deutlich, wie schwer es ist, sich geschlechtsspezifischen Zuschreibungen zu entziehen. Zum einen, weil sie tradiert sind – bis 1977 brauchten arbeitende Ehefrauen qua Gesetz noch die Erlaubnis des Mannes. Und zum anderen, weil sie noch immer fortgeschrieben werden; etwa wenn Säuglinge in Rosa und Blau gebettet und Kleinkinder ganz selbstverständlich mit "Prinzessin" oder "Großer" angesprochen werden. Hier stecken Kinder und Erwachsene gleichermaßen in der Falle.

Wie fühlt sich der schmuckliebende Mann?

Wie man ihr entkommen kann, etwa indem man Fragen stellt, auf die Sprache achtet, Stereotype als solche erkennt und scheinbar in Stein Gemeißeltes als geschichtlich Gewordenes entlarvt, erklärt der Philosoph wunderbar direkt und unkompliziert. Auch weil er auf konkrete Beispiele setzt: Was passiert, wenn man sich beim Kauf von Kondomen schämt? Wie fühlt sich der schmuckliebende Mann? Und warum heißt es "Gameboy"?
Nach Letzterem fragt explizit eine kurze Comicgeschichte. Sie gehört zu insgesamt neun Text- und Bild-Einschüben, die das Buch mit "Innenansichten" bereichern. Geschaffen wurden sie von jungen Autorinnen und Autoren, wie etwa der sechzehnjährigen Poetry Slammerin Lena Riemer, sie fragt, warum man nicht einfach Mensch statt Mann oder Frau sein kann. Ja, warum eigentlich nicht? Ein starkes Buch!

Jörg Bernardy: "Mann Frau Mensch: Was macht mich aus?"
Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2018
160 Seiten, 16,95 Euro

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