Jobsharing

Wenn sich zwei Menschen eine Arbeitsstelle teilen

Jobsharing funktioniert heute vor allem in gut bezahlten Jobs.
Abseits von gesellschaftlichen Überlegungen heißt Jobsharing die meiste Zeit: zwei Menschen arbeiten sehr eng zusammen. © imago/Westend61
Von Johanna Tirnthal und Nico Morgenroth · 19.12.2017
Für Familie und Hobbys bleibt bei einer 40-Stunden-Woche kaum Zeit. Eine Alternative: Beim Jobsharing teilen sich zwei Menschen eine Stelle. Was für Arbeitnehmer und Arbeitgeber Vorteile bieten kann, ist in der Praxis noch eine Ausnahme. Doch es weist hin auf den Wandel der Arbeitswelt.
Sabine und Elly arbeiten als Marketingberaterinnen. Dabei teilen sie sich eine Stelle, die normalerweise für eine Person gedacht wäre. Wir haben sie gefragt, wie sie das ihren Großeltern erklären würden.
"Omi, ich teile mir jetzt meinen Job mit jemandem!"
"Machst du da auch weniger Arbeit?"
"Da mach ich auch ein bisschen weniger Arbeit."
"Hast du da auch weniger Geld?"
"Ich hab auch ein bisschen weniger Geld."
Das sind also Sabine Georg und Elly Oldenbourg. Im echten Leben ist Sabine aber eben nicht Ellys Omi, sondern ihre Jobsharing-Partnerin. In der Jobsharing-Sprache nennt man das ein "Tandem". Mein Tandempartner für den Beitrag ist Nico. Er ist Sozialwissenschaftler und interessiert sich für neue Arbeitsformen. Gemeinsam haben wir Sabine und Elly in ihrem Büro in Hamburg besucht.
In ihren Mails an uns haben die beiden immer mit "SabElly" unterschrieben.
"Wer ist SabElly?"
"Na wir, Sabine, Elly, ergibt: SabElly. Aus zwei mach vier! Quasi. Manchmal sagen wir auch eins und eins ist mehr als zwei."

Arbeiten im Tandem

Sabine und Elly wollten weniger als 40 Stunden arbeiten. Sabine lehrt nebenbei an einer Marketingakademie, Elly hat ein Coachingunternehmen und außerdem einen kleinen Sohn. Die Zusammenarbeit als Tandem klingt da im Vergleich zu Teilzeit im ersten Moment nach viel zusätzlichem Koordinationsaufwand. Wer arbeitet wann? Wer beantwortet welche Mail? Und, wie teilt man die Arbeit gerecht auf? Sabine und Elly sehen ihre Symbiose aber eher als Vorteil.
Elly: "Wir kriegen aber auch mehr gewuppt. Also wir sind halt nicht nur eine Person. Wir besetzen zwar eine Stelle aber wir kriegen einfach mehr gewuppt."
Sabine: "Wir hätten auch beide einfach in Teilzeit gehen können, aber das wäre ja langweilig, dann wären wir ja nicht SabElly und würden jetzt nicht so viel bewegen können."
Das Konzept Jobsharing kommt aus den frühen 1980er-Jahren. Es war ein Versuch, mit der ersten großen Massenarbeitslosigkeit nach dem Wirtschaftswunder umzugehen. Nach einer breiten Diskussion zwischen Parteien, Gewerkschaften und Wissenschaft verschwand das Konzept wieder. Einer, der es wieder aufbringen will, ist Yannick Francken. Nico und ich haben ihn in Berlin besucht und über den Wandel der Arbeitswelt gesprochen.
"Wir haben halt heute eine Situation, wo wir einem Teil der Bevölkerung zu viel Arbeit aufhalsen, weswegen Burnout eine Volkskrankheit geworden ist, soweit ich weiß war das in dieser Art und weise in den 80’ern noch nicht so. Gleichzeitig hast du 20 Proezent, wo die Frage ist, ob die je wieder richtig Erwerbstätig werden. Das ist ein Problem. Und da muss man irgendwie rangehen."

Teilzeitmodelle treffen oft auf Widerstände

Zusammen mit seiner Partnerin hat Yannick dieses Jahr ein Beratungsunternehmen gegründet. Für Jobsharing.
"Das ist ja unser Geschäftsmodell, dass wir sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber dazu beraten, ob und wie sie dieses Modell einführen können und sollen und dabei auch tatsächlich praktisch unterstützen halt einzelne Leuchttürme fürs Jobsharing in Unternehmen zu errichten."
Es ist nicht überall einfach - vor allem bei Männern - für Teilzeitmodelle zu begeistern. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung arbeiten Männer in Deutschland heute im Durchschnitt neun Stunden mehr in der Woche als Frauen. 1991 waren es nur sieben Stunden. Jobsharing war nach der Geburt seines Sohns auch für Jannick selbst ein Weg aus der Vollzeitarbeit.
"Hab dann als Mann auch mal das Thema Teilzeit angestoßen. Das war eine lustige Erfahrung. Und die haben sich dann auch ein bisschen gestreckt und überlegt, was man machen könnte und das Angebot, dass sie im Endeffekt machen konnten, war das was man so in dem Bereich Teilzeitnahe Vollzeit nennt. Also sprich, da war mir klar, ich kann ein bisschen Stunden reduzieren, aber ich werde dafür umso mehr unterwegs sein und das nützt mir nichts, wenn ich die Verantwortung für meinen Sohn wirklich teilen will und den aufwachsen sehen will."
Yannick bezeichnet Jobsharing nicht als Allheilmittel, aber als einen Impulsgeber, um anders über die Organisation von Arbeit nachzudenken. Immer mehr Jobs fallen heute durch den technologischen Wandel weg. Die Produktivität hochqualifizierter Jobs steigt. Wie kann Arbeitszeit dann gerecht verteilt werden? Und was heißt das für das Einkommen, wenn man weniger arbeitet? Das ist auch für Sabine und Elly ein Thema.
"Also klar, man muss sich halt damit auseinandersetzen, dass man weniger verdient und wie man sich dann im Leben aufstellt. Dann bewertet man halt, wie wichtig es ist, mehr zu verdienen oder weniger und was einem mehr wert ist, die Zeit oder das Geld."
"Bei uns ist es ja auch wirklich eine sehr schöne, privilegierte Situation. Wir sind komplett intrinsisch motiviert, haben uns das beide so ausgesucht, versus extrinsisch, es geht nicht anders, ihr müsst jetzt reduzieren, weil wir haben nicht genug für euch, also, gehaltlich sind wir auch deutlich besser als Menschen in anderen Positionen, und das hat nicht jeder, und deswegen bin ich auch sehr dankbar, weil es ist was sehr Schönes und Privilegiertes."

Wie viel wollen wir arbeiten?

Jobsharing funktioniert also heute nur in gut bezahlten Jobs. Trotzdem lädt das Konzept dazu ein, anders über Arbeit nachzudenken und stellt die Frage, wie viel wir arbeiten wollen.
Nico: "Fühlt ihr euch auch als sozusagen Role Model auf einer gesellschaftlichen Ebene?"
Elly: "Einen gewissen Impuls für die Gesellschaft sehe ich da schon drin. Und da geht es ja nicht nur um Selbstentfaltung sozusagen, sondern auch Weltentfaltung und alles was ich tue, hat einen gewissen Impact auch."
Sabine: "Also Role Model - ja, vielleicht, weil wir sehen, dass sowohl bei Männern als auch bei Frauen, also eigentlich bei allen Menschen das Bedürfnis ist, mehr Zeit für was anderes als Arbeit zu haben. Also das Thema ‚Wie will ich mein Leben gestalten‘ jenseits der 40 Stundenwoche, dann kann man da glaub ich viel anstoßen."
Abseits von diesen großen gesellschaftlichen Überlegungen heißt Jobsharing aber die meiste Zeit einfach, dass zwei Menschen sehr eng zusammen arbeiten.
"Und manchmal ist es auch ganz banal. Klar wir schreiben ne E-Mail und so und dann lesen wir nochmal gemeinsam drüber also logisch manchmal schiebt man sich einfach rüber an den Platz und sagt guck mal: Alle Argumente drin? Ah ne, denk nochmal an das, nimm den mal nicht in CC besser oder doch oder also."
Noch ist Jobsharing ein kleines Phänomen. Aber die diejenigen, die es betreiben, haben uns begeistert von ihrer Arbeit erzählt - und auch Nico und ich haben sehr gerne im Tandem gearbeitet.
"Omi, Hast du noch Fragen? Hört sich gut an, ne?"
"Ich denk da nochmal drüber nach …"
"Wär auch was für dich!"
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