Jo Cox

"Niemand will über den Mord sprechen"

Ein Mann legt Blumen ab zum Gedenken an die ermordete Abgeordnete Jo Cox auf dem Parliament Square in London
Blumen im Gedenken an die ermordete Abgeordnete Jo Cox auf dem Parliament Square in London © EPA / Hannah Mckay
"Times"-Journalist Michael Binyon im Gespräch mit Axel Rahmlow · 17.06.2016
Der Mord an der Labour-Abgeordneten Jo Cox hat Großbritannien unter Schock gesetzt. Der Journalist Michael Binyon sagt, Brexit-Gegner wie -Befürworter versuchten nun, Spekulationen über einen Zusammenhang mit dem Referendum zu vermeiden, um das Land nicht noch tiefer spalten.
Nach dem Mord an der Labour-Abgeordneten Jo Cox versuchen Großbritanniens Politiker den Eindruck zu vermeiden, es bestehe einen Zusammenhang mit der Brexit-Frage. Das sagte der britische Journalist Michael Binyon im Deutschlandradio Kultur. "Niemand will darüber sprechen", so Binyon. Man wolle die Trennung zwischen Gegnern und Befürwortern eines EU-Austritts nicht noch vorantrieben oder das traurige Ereignis politisch nutzen.

Zu wenig Respekt vor Politikern als Menschen

Mit Blick auf eine Umfrage, wonach 20 Prozent der britischen Abgeordneten schon einmal Opfer eines tätlichen Angriffs waren, sagte Binyon, es mangele in Großbritannien vermutlich an Respekt gegenüber Politikern. Im Fernsehen und in Radiodiskussionen werde "übel über unsere Politiker" gesprochen; es werde gesagt, sie würden absichtlich Schlechtes tun. Vielleicht habe man daher wenig Respekt für sie als Menschen.
Nach Einschätzung des "Times"-Journalisten befinde sich Großbritannien eine Woche vor dem Referendum in einer sehr angespannten und schwierigen Lage. Vor Wahlen gebe es normalerweise nicht so viel Hass und Leidenschaft wie derzeit.

"Woher kommt dieser wahnsinnige Hass?"

Die Motive des Täters sind weiterhin unklar. Die Polizei verhöre den Verdächtigen, es gebe dazu bislang aber noch keine Aussage, sagte Korrespondent Friedbert Meurer im Deutschlandradio Kultur.
"Es gibt ja im Moment nicht allzu viele Fingerzeige dafür, dass das etwas zu tun haben könnte mit der Referendum-Debatte", so Meurer weiter. Man versuche sich Klarheit über den mutmaßlichen Täter zu verschaffen. "Er war ein Einzelgänger, sein Bruder sagt, er war in psychiatrischer Behandlung. Er hat angeblich in den USA Kontakte zu einer rechtsradikalen Vereinigung dort gehabt."
Im Moment laute die Frage vor allem, "woher kommt dieser wahnsinnige Hass gegen Politiker, woher kommen die Hassmails, wie können wir unsere Politiker schützen?" Es gebe eine allgemeine Diskussion über Gewalt, aber das werde unterschieden von der Debatte ums Referendum. Da werde im Moment kein Zusammenhang gesehen.
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