"Jewish Challenge Television“

Eine junge jüdische Stimme

05:48 Minuten
Improvisierte Fernsehatmosphäre mehrerer Live-Schalten in einem Bild.
Volles Programm: Das "Jewish Challenge Television" nimmt den Sendebetrieb auf. © Screenshot: JC-TV
Von Thomas Frank · 03.07.2020
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Eine jüdische TV-Sendung in Deutschland gibt es nicht - bis jetzt! Die Europäische Janusz-Korczak-Akademie hat in der Coronakrise ein interaktives Netz-Format von Juden für Juden entwickelt. Das Programm ist vielfältig - aber auch etwas brav.
Die jüdische Internet-Fernsehsendung "Jewish Challenge Television", kurz "JC TV", feiert Premiere. Die israelische Musikerin Shuli Natan spielt in ihrem Wohnzimmer "Jerusalem aus Gold". Das Lied, mit dem sie 1967 weltberühmt wurde. Verwunderlich ist nur, dass der Song vorher schon einmal lief: Als YouTube-Clip in Schwarzweiß, mit der jungen Shuli Natan.
Doch nicht nur das, der gesamte Auftakt verläuft zäh. Bis die Sängerin auftritt, sind schon knapp 40 Minuten verstrichen. Davor präsentiert ein Moderatoren-Trio Werbevideos: zum jüdischen TV-Projekt und dessen Gründer, die Europäische Janusz-Korczak-Akademie. "2009 haben wir eine neue jüdische Bildungsstätte gegründet und sie nach dem polnisch-jüdischen Arzt, Schriftsteller und Janusz Korczak genannt", erklärt Stanislav Skibinski.

Interaktives Angebot

Die Europäische Janusz-Korczak-Akademie hat "JC TV" gemeinsam mit der Jewish Agency ins Leben gerufen, der offiziellen Einwanderungsorganisation Israels. Die Idee entstand während der Coronakrise, als es darum ging, Bildungsangebote ins Netz zu verlegen. Binnen weniger Wochen stellte ein neunköpfiges Team "Jewish Challenge Television" auf die Beine, den ersten jüdischen TV-Sender in Deutschland. Er ist interaktiv, heißt: Zuschauer können an Workshops teilnehmen oder Interviewgästen Fragen stellen.
Warum der Name Jewish Challenge, jüdische Herausforderung? Dazu Stanislav Skibinski: "Unsere Herausforderung als jüdische Bildungsorganisation ist, stark zu sein, effektiv zu sein und Leute zur Begegnung einzuladen, damit die Leute, die antisemitisch aktiv sind, nicht so erfolgreich wären wie es jetzt der Fall ist aus unserer Erfahrung."

Mit Kunst gegen Antisemitismus

"JC TV" soll helfen, dem grassierenden Antisemitismus entgegenzuwirken. Zum Beispiel mit Kunst. Der Sender präsentiert den Kurzfilm "Kippa" von Regisseur Lukas Nathrath. Er handelt von Oskar, einem jüdischen Jugendlichen, der an seiner Schule von Mitschülern gemobbt, ausgegrenzt und sogar scheinhingerichtet wird. Nachdem er im Ehtikunterricht bekannt hat, Jude zu sein.
In der Schultoilette lauern die Mobber Oskar auf: "Willst du wieder zurück zu Deiner Mum? Mit dem geilen neuen Auto? Woher habt ihr eigentlich das Cash für das neue Auto?" – "Geklaut, so wie die Juden alles klauen, habe sie den Palästinensern das ganze Land geklaut. – "Ich habe niemandem was geklaut." – "Ja, weil euch schon alles gehört, oder was?" – "Digger, was gehört uns?" – "Alles."
Lukas Nathrath griff für seinen mehrfach preisgekrönten Film auf wahre Begebenheiten zurück. Ein jüdischer Jugendlicher zum Beispiel wurde an einer Berliner Schule von arabisch- und türkischstämmigen Mitschülern so heftig gemobbt, dass er die Schule verlassen musste, ohne dass die Schulleitung etwas dagegen unternommen hatte. "Weil Angst bestand, dass man dann vielleicht selbst als anti-muslimisch oder rassistisch gebrandmarkt werden würde", erzählt der Filmregisseur im Gespräch mit Moderator Arseniy Pavlenko, zugeschaltet per Videokonferenz. "Das finde ich wahnsinnig gefährlich, und deswegen war das auch ein emotionaler Beweggrund für mich, diese Geschichte unbedingt erzählen zu wollen".

Mehr als Holocaust und Nahostkonflikt

Das Moderatorenteam ist jung, sendet aus Studios in Berlin und München. Es verkörpert eine "junge jüdische Stimme", die bislang zu kurz kam. Und will weg von den Stereotypen, Klischees und gängigen Bildern, die gemeinhin mit dem Judentum verbunden werden.
Die 20-jährige Sofija Pavlenko erläutert: "Judentum ist nicht nur Holocaust, nicht nur Nahostkonflikt, und schon gar nicht nur Antisemitismus, sondern Judentum ist eigentlich so eine positive Religion und eine so positive Kultur, dass es einfach schade wäre, wenn man es den Leuten nicht zeigen würde."

Mehr Kontroversen täten dem Programm gut

Ein vielfältiges Programm haben die Macher von "JC TV" zweifellos geboten: Interviews mit dem jüdischen Menschenrechtsaktivisten Natan Scharansky, mit dem Psychologen und Stress-Experten Louis Lewitan, Quizrunden zu jüdischer Geschichte oder ein Gespräch mit Vertretern des Projekts "YouthBridge" in München, in dem sich junge Menschen aus verschiedenen Kulturen gemeinsam sozial engagieren. Sofija Pavlenko spricht mit Teilnehmern von "YouthBridge", die aus verschiedenen sogenannten ethnischen Communities stammen: "Aber wo kommst du eigentlich her? – Habt ihr diese Frage schon einmal gestellt bekommen?" – "Okay, ca. 80 Prozent der Leute, die ich kennengelernt habe in meinem Leben, haben diese Frage genauso mir gestellt oder ähnlich."
Pavlenko führt aber leider keine Gesprächsregie. Der Talk wird zur reinen Befragungsrunde, die ziemlich schnell ermüdet. Grundsätzlich ist "Jewish Challenge Television" eine interessante Idee, doch in der Ausführung leider langweilig. Kontroverse Diskussion statt eine "Wir-haben-uns-alle-lieb"-Mentalität wäre reizvoller gewesen.
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