Jetzt sind Taten gefragt

Von Jochen Thies |
Nun kann in Berlin regiert werden. So lautet ein erstes Fazit der drei Landtagswahlen, die gestern ohne große Überraschungen über die Bühne gingen. Sorgengebeugt, wie wir nun einmal sind, haben wir uns - weil es keine Überraschungen gab - sogleich über die schwache Wahlbeteiligung gebeugt. Aber sie signalisiert im Grunde genommen Normalität.
Normalität zum einen, weil die Deutschen noch erschöpft von letzten Wahljahr sind, Normalität zum anderen, weil keine dramatischen Entscheidungen anstanden. In den alten Demokratien des Westens, in Großbritannien und in den USA, ist die Wahlbeteiligung auch nicht höher. Geringe Wahlbeteiligung zeigt - natürlich nicht nur - einen gewissen Grad von Entspanntheit an.

Die Wähler haben unter landespolitischen Gesichtspunkten entschieden, auch das ein gutes Anzeichen nach der Polarisierung der letzten Jahrzehnte, des permanenten Versuchs, aus Landtagswahlen, ja sogar mitunter aus Kommunalwahlen, einen bundespolitischen Test zu machen. Nicht von ungefähr haben sich eine Reihe von Spitzenpolitikern in den Ländern in ersten Reaktionen gestern Abend so geäußert, dass die Koalitionsentscheidungen vor Ort fallen würden, dass man mit der Bundesparteizentrale reden würde, aber Berlin sei eigentlich ziemlich weit weg.

Somit kann die schwarz-rote Berliner Koalition nun ohne Verzug in die schwierigen innenpolitischen Themen einsteigen. Keine ihrer Schlüsselfiguren hat Schaden genommen. Und sollte Mathias Platzeck anhaltende Schwierigkeiten haben, ein Profil als Parteivorsitzender zu gewinnen, stünde mit Kurt Beck als dem strahlenden Sieger von Rheinland-Pfalz ein Kandidat bereit, den die SPD ohne Murren als Parteivorsitzenden akzeptieren würde.

In einer Partei, die noch die Wunden leckt, die Gerhard Schröder ihr geschlagen hat, die um ihr Profil ringt, sind nicht Karrieristen und Opportunisten gefragt, sondern bodenständige Politiker. Das ist - wenn man so will - der Fingerzeig von gestern für die SPD.

Angela Merkel, die keine Machtverschiebungen an der Spitze der Union zu ihren Ungunsten zu befürchten hat, muss nun Führungsqualitäten beweisen. Bis zum Beginn der Fußballweltmeisterschaft hat sie zusammen mit Franz Müntefering eine große Last zu stemmen. Die Wähler, das wurde gestern klar und deutlich signalisiert, wollen kein Geschwätz, sie wollen Taten sehen.