Jetzt bohren sie endlich!

Von Axel Flemming · 13.10.2009
Eigentlich sollte der "Schatz von Spremberg" schon seit Jahresbeginn gehoben oder besser gefördert werden. Doch die Wirtschaftskrise hatte die Pläne durchkreuzt. Nun aber ist soweit. Die Lagerstätten befinden sich in unmittelbarerer Nähe zur polnischen Grenze und wurden bereits zu DDR-Zeiten von 1954 bis 1980 erkundet. Aktuell findet eine Neubewertung statt. Die Erkundung des Lausitzer Kupfervorkommens in der brandenburgisch-sächsischen Grenzregion zwischen Spremberg und Weißwasser soll beginnen -so sieht es jedenfalls der Investor aus Panama. 130 Millionen Tonnen Kupfererz werden in der Lagerstätte vermutet. Sollte sich das bewahrheiten, wäre es ein Segen für die ansonsten so gebeutelte Region. Experten allerdings warnen vor zu großer Euphorie.
Das Industriegebiet Ost am Rande der Stadt im Landkreis Spree-Neiße bietet derzeit viel Gebiet und wenig Industrie. Aber das könnte bald anders werden.

Schon von weitem sieht man den Bohrturm, 36 Meter hoch, der hier auf die Wiese gestellt wurde. Das Gelände ist mit Bauzäunen aus Metall abgegrenzt. Container für die Arbeiter sind schon angeliefert, ein Tank, ein Generator, um Strom zu erzeugen.

Volker Spieth, Geschäftsführer der Firma Kupferschiefer Lausitz (KSL) steht unter dem Turm, mit dem in den nächsten Monaten eine von zwei Erkundungsbohrungen in die Tiefe getrieben wird. Anfang des Jahres 2010 sollen drei weitere Erkundungsbohrungen folgen. Aber schon zu Weihnachten hofft er auf die ersten Ergebnisse für das edle Metall, denn es geht um viel Geld:

"Die Tonne hat heute einen Wert von - sagen wir mal - 500 Dollar. Jetzt haben sie anderthalb Millionen Tonnen, anderthalb Millionen mal fünfhundert, das sind ... siebeneinhalb, mit den Nebenmetallen wahrscheinlich bis 10 Milliarden Euros. Wir fangen hier an, aber das Ende ist nicht abzusehen."

Denn langfristig stellen sich Experten weltweit eher auf Kupfermangel ein, was den Preis noch weiter in die Höhe treiben könnte.

Auch Brandenburgs Landeskasse wird direkt von einem Kupferabbau profitieren. Bei Bergwerken sieht das Gesetz eine Förderabgabe vor, zehn Prozent des Erlöses gehen ans Land. Und die Höhe dieser Summe hängt vom Kupferpreis ab.

Darüber freut sich Ulrich Junghanns (CDU), der Wirtschaftsminister des Landes, der auch oberster Bergherr im Land Brandenburg ist.

"Es ist außerordentlich erfreulich, dass Spremberg in den letzten Jahren eine Entwicklung genommen hat, von der man in der Tat sagen kann, dass wirtschaftlicher Verstand, wirtschaftliche Weitsicht und kluges gemeinschaftliches Handeln aller Verantwortlichen auch zum Erfolg führt. Wir wollen den Erfolg der Erkundung und wir wollen den wirtschaftlichen Erfolg des Kupferbergbaus hier unterstützen. Wir wollen anfahren hier und dafür gemeinschaftlich ein gutes Glückauf!"

Und so spielt die Trachtenkapelle des Musikvereins Spremberg, während Wirtschaftsminister, Bürgermeister und Geschäftsführer sich gemeinsam zum Bohrturm bewegen. In alter Bergmannstradition wird der Start mit Hammerschlägen eingeläutet.

"Ein herzliches Glückauf!"

Mit einem leisen Brummen startet der Motor. Dann beginnt sich der dicke Stahlbohrer langsam zu drehen. Zentimeter für Zentimeter gräbt er sich in die Erde. Das Bohrgestänge dreht sich schneller, täglich wird das Loch etwa 50 Meter weiter in die Erde getrieben. Wenn alles gut geht und es zu keinen unvorhersehbaren Ereignissen kommt, dann könnten die Ingenieure in 26 Tagen, also knapp einem Monat unten sein.

Die Lagerstätte befindet sich in 1.300 Meter Tiefe und ist 2,5 Meter stark. Mit einer diamantenbesetzten Kernbohrkrone soll dort unten ein zylindrischer Bohrkern aus dem Erz geschnitten werden. Im Labor werden die Bohrkerne dann geophysikalisch untersucht, um sich darüber klar zu werden, in welchen Schichten die Lagerstätte aufgebaut ist. Wer soweit nach unten will, erfleht gerne die Gnade von ganz oben.

Judith Natho, die evangelische Stadtpfarrerin von Spremberg, hat ihren Segen für die Bohrung gegeben:

"Allmächtiger Gott, Du hast uns für ein Leben in Gemeinschaft geschaffen. In dem, was Menschen mit Hilfe der Technik zum Wohle anderer zu Wege bringen, zeigt sich Deine Kraft. Du hast uns die Erde anvertraut und uns beauftragt, sie für unsere Gemeinschaft nutzbar zu machen. Du hast uns aber auch die Verantwortung darüber übertragen. Und so bitten wir dich: Segne die Menschen, die hier arbeiten werden, und gewähre ihnen Schutz vor aller Gefahr, damit ihr Werk gelingen möge."

Auf einer 12 Hektar großen Fläche gegenüber des Bohrturms sollen in etwa fünf Jahren Hallen stehen, in denen das Kupfererz verarbeitet wird. Einen Eisenbahnanschluss gibt es schon, das ist wichtig, denn die Verhüttung, die Trennung von Metall und Gestein wird nicht in Spremberg stattfinden.

Spieth ist inzwischen auf der Bohrplattform, blickt in die Landschaft und in die Zukunft. Er sieht ...

" ... einen kleinen mittelständischen Betrieb, in dem vielleicht 400 Leute arbeiten, der aussehen würde wie schön angemalte bunte Lagerhallen. Die Schächte würden auf der anderen Seite der Straße stehen, es würde Bandstraßen geben, die das Erz von dort zur Aufbereitung bringen, dort wird das Erz konzentriert, wir haben, wenn's ganz hoch kommt 10 Prozent Erz im Gestein und 90 Prozent gehen wieder runter, da wo es hergekommen ist. Denn die Räume, die wir schaffen, müssen wir wieder vollfüllen, insbesondere aus Sicherheitsgründen für die Leute, die da arbeiten."

Dass unter der Wiese ein großer Schatz liegt, war nie ganz vergessen. Von 1954 bis 1980 wurde bereits ein Areal von 3 mal 15 km mit 130 Bohrungen erkundet. Damals überlegte die DDR-Regierung in der Tat, ob sich eine Förderung lohnen könnte. Aber das hätte eine Investition von vier Milliarden DDR-Mark bedeutet, zu teuer für die Planwirtschaft, zumal der Weltmarktpreis für Edelmetalle damals sehr gering war.

"Ich kann mich erinnern, als 10/11-Jähriger hier mit meinem Vati unterwegs gewesen zu sein. Da stand so hundert Meter weiter rechts von mir ein Bohrturm, man erkennt noch die Stelle, die müssen damals mit Wasser gefährdenden Stoffen geschlampert haben, dort wächst also noch heute nichts. Da kann ich mich erinnern ist hier in der Stadt gesprochen worden: Es wird demnächst Kupfer abgebaut."

Fast 30 Jahre danach sieht es nun so aus, als könnte der Schatz tatsächlich gehoben werden. Der damals Elfjährige ist jetzt Sprembergs Bürgermeister Klaus-Peter Schulze. Sogar ein zweigeschossiges Haus, das jetzt aber wieder abgerissen werden soll, wurde schon vor Jahrzehnten als Hauptquartier für die Kupfersucher gebaut.

"Das war die Aufbauleitung, die 1975 hier schon vorbereitet wurde, um das Bergwerk für den Kupferbergbau zu errichten. Denn das Bergwerk Spremberg sollte nach DDR-Planungen das in Sangerhausen, das planmäßig 1996 auslaufen sollte, ersetzen. Diese beiden Punkte rechts und links und wir sind jetzt hier in der Mitte an einer Stelle, wo viele von uns nicht gedacht hätten, dass das noch mal ernst wird."

Am 14. August 1980 kam der Brief vom Ministerium: "Die Aufbauleitung ist aufzulösen." Ein paar Leute erzählen von den Erkundungen zu DDR-Zeiten, die der Staat wohl nicht nur wegen der Kupfer-Weltmarktpreise gestoppt hat.

Angeblich hätten für die damals eingeplanten 5.000 Bergleute auch nicht genügend Wohnungen gebaut werden können. Klaus John steht mit einem Vorschlaghammer neben dem Bohrturm. "Für mich geht ein Traum in Erfüllung", sagt der Rentner.

"Das ist ein 10-Kilo-Hammer. Das ist die Bohrlochnummer. Mit dem habe ich den Holzpfahl eingekloppt. Am 30. April. Und heute steht der Bohrturm hier. Ging relativ schnell."

71 Jahre ist er jetzt alt. Er war Bergmann, hat in Sangerhausen im heutigen Sachsen-Anhalt seinen Beruf erlernt und im Mansfelder Kupferrevier unter Tage gearbeitet. Im Jahr 1979 wurde John nach Spremberg geschickt, hat mit vielen anderen geholfen, die Lagerstätte zu erkunden.

Vielleicht sei es gut, dass der Bergbau erst jetzt wieder beginnt, denn jetzt erfolgt alles nach modernsten Methoden und nach besten Umweltstandards, sagt er.

Im Erz von Spremberg sind höchstens zehn Prozent Kupfer enthalten, allerdings auch mit bedeutend wertvollen Verunreinigungen, weiß KSL-Chef Spieth:

"Das Metallkonzentrat wäre ja noch verunreinigt mit anderen Metallen: Gold, Silber, Platin, Molybdän, Nickel, ja es sind angenehme Verunreinigungen, neben dem Kupfer..."

... denn der Wert wird auf etwa 2,5 Mrd. Euro geschätzt. Den Rest, der nicht verwertet wird, bezeichnen die Bergleute als Abraum.
Das Unternehmen KSL verspricht, dass die großen Mengen Gesteinsbrocken nicht wie früher zu großen Halden aufgeschüttet werden, sondern wieder die Gänge im Bergwerk füllen sollen.

Zwei Millionen Euro werden für die Erkundungsbohrungen ausgegeben. In den nächsten zwei Jahren will KSL dann weitere fast 20 Millionen noch drauflegen - erst dann steht fest, ob das milliardenteure Bergwerk tatsächlich gebaut wird.

Wenn es so kommt, dann werden etwa 700 Bergleute im Bergbau arbeiten und drei- bis fünfmal mehr im Umfeld.

Geschäftsführer Spieth: "Wir setzen hier in Spremberg ein Signal, wonach es klug, ratsam, zukunftsträchtig ist, wenn wir uns in der Lausitz, in Brandenburg, in Deutschland auf die Ursprünge unserer Wohlstandserwirtschaftung zurückbesinnen. Auf den Bergbau, auf den nachhaltigen Bergbau, umweltschonend, langfristig tragfähigen Gemeinwesen, mit dem wir solide Arbeitsplätze in der Region, anfänglich wenige, hoffentlich bald mehr, schaffen."

Aber nicht alle sind so euphorisch. Wolfgang Krüger, der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Cottbus:

"Ich halte das eher für Bergmannsfolklore. Sie wissen, dass ja die Exploration der Kupfervorkommen rund um Spremberg schon zu DDR-Zeiten abgeschlossen war. Man wusste um die entsprechenden Kupferlagerstätten. Man hatte nur nicht das Geld und die Technologie, um wirtschaftlich diese Lagerstätten abzubauen. Es hatte dann einen dramatischen Verfall der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt gegeben, die das deutlich unwirtschaftlich gemacht hatten. Das ist, glaube ich eher eine nicht unerhebliche, auch nicht unwichtige, aber es ist eher eine Fußnote dieser ganzen Bergbautradition in der Lausitz ... "

... und ob nach den Probebohrungen tatsächlich ein Bergwerk für 700 Millionen Euro gebaut wird, hängt auch von der Entwicklung des Kupferpreises ab. Mittlerweile kostet eine Tonne rund 6500 Dollar. Zu Jahresbeginn war der Preis weniger als halb so hoch. Aber Bergbau ist eine Aufgabe, wenn nicht für die Ewigkeit, dann doch für lange Zeiten.

KSL-Geschäftsführer Spieth: "Wenn wir heute in der Milchwirtschaft wären, dann würden wir das wahrscheinlich nicht machen. Aber wir sind ja im Kupfergeschäft, wo ich nicht endlos viele Kühe hinstellen kann morgen. Sondern wo sie 15/20 Jahre brauchen, bis sie neue Produktion haben. Wenn ich also möchte, dass die Jungs in China vielleicht ein Handy haben oder in Indien jetzt kleine Autos fahren, da muss das Zeug irgendwo herkommen. Und da wir unsere Lagerstätten nicht einfach so anschalten können und dann läuft das hinten raus. Sondern da das langfristige Entwicklungen sind, hält sich auch die Wirtschaftsentwicklung langfristig positiv aufwärts, solange auf unserer Welt es mehr Menschen gibt als vor 50, 100 oder was immer Jahren."

Auch wenn der Spremberger Bodenschatz nie wirklich ganz in Vergessenheit geraten ist, nicht alle wussten mehr davon. Besonders über die Wende-Wirren schien der Bodenschatz auch tief in der Erinnerung vergraben:

"Und ein Indiz, dass sie wirklich nachhaltig in Vergessenheit geraten war, war dass hier auch mit der deutschen Wiedervereinigung das nicht als Bergwerkseigentum übertragen wurde, dass die Treuhand das eben nicht in ihren Fundus aufgenommen hatte. Ein Glück, weil ich denke: dadurch konnten die Kräfte freier wirken und gestalten und wir konnten, nachdem wir in den 90er Jahren schon mal obskure Antworten auf die Gewinnung hier hatten, die aber wenig nachhaltig waren, dann mit der 2007er Entwicklung auch wirklich einen Wettbewerb ausrufen in der Lausitz."

Klaus Freytag, der Präsident des Landesbergamtes. 2007 bewarben sich gleich vier internationale Konzerne. Die KSL, die Kupferschiefer Lausitz GmbH bekam den Zuschlag. Sie ist eine 100-prozentige Tochter des panamaischen Bergbaukonzerns Minera. Im Dezember verlegte sie ihren Sitz von Berlin nach Spremberg. Und die Stadt half unbürokratisch:

"In der Hochphase des Sommers, der Sommerpause, ist also in kürzester Zeit hier der Betriebsplan, die Betriebsgenehmigung für die Bohrung erteilt worden und das haben wir seltenst erlebt, meistens bekommt man dann in den Behörden-Beteiligungsverfahren in dem berühmten Sommerloch so Schreiben 'ja wir können uns im Moment nicht so positionieren, da fehlen wichtige Leute.' Und die Industriebetriebe stellen sich auch oftmals darauf ein. Aber hier war eben Druck auf dem Kessel, wie man so schön sagt und hier hatten die Lotsen der Stadt Spremberg innerhalb von drei Wochen alles zusammengetragen, so dass wir dann auch als Amt agieren konnten. Daher auch noch mal besten Dank an die Mannschaft von Bürgermeister Schulze."

Die Region könnte kräftig profitieren. Die Gewerbesteuer fließt in die Stadtkasse. Und Sprembergs Bürgermeister Klaus-Peter Schulze hofft darauf, dass auch die Jugend wieder Hoffnung hat, in der Region einen Job zu finden.

"Und wenn ich höre, dass der erste Abiturient, der jetzt in Freiberg Geologie studiert, hier schon mal sein Praktikum macht, dann ist das ein gutes Zeichen, und ich hoffe, das wird so weitergehen."

"In den benachbarten polnischen Kupferrevieren bekommen Bergleute 2,5 Mal mehr Lohn als im Landesdurchschnitt, das wird hier nicht so extrem sein", sagt Schulze, aber die harte Arbeit wird gut bezahlt. Und er schmunzelt, der Vorteil an einem Bergwerk sei doch, dass es nicht ins Ausland verlegt werden kann.

"Es ist kein Erfolg der städtischen Wirtschaftsförderung, dass das hier passiert, sondern es war einfach Zufall, dass vor 250 Millionen Jahren hier das Zechstein-Meer war und an der Stelle 'ne ziemlich tiefe Stelle war, wo kein Sauerstoff war und damit konnte sich der Schiefer und die damit verbundenen Einlagen bilden, die vielleicht in der nächsten Generation Wohlstand und Arbeit bringen."

Und der Bürgermeister träumt schon davon, dass die Kupfer-Kumpels in schmucken Uniformen an Feiertagen durch die Stadt ziehen. Die acht Musiker von der Trachtenkapelle Spremberg wären jedenfalls gerne dabei.