Jesus als Transperson im Theaterstück

"Irritierend, berührend und erhellend"

07:14 Minuten
Der Schauspieler Brix Schaumburg in eimer Theaterszene. Er sitzt als queerer Jesus an einem Tisch und bricht Brot.
Schauspieler und Transmann Brix Schaumburg als queerer Jesus beim Brotbrechen. © Karsten Fink
Veit Dinkelaker im Gespräch mit Ute Welty · 16.09.2021
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In Frankfurt am Main wird im Rahmen einer Ausstellung über Geschlechtervielfalt ein Online-Theaterstück mit Jesus als Transperson gezeigt. Pfarrer Veit Dinkelaker findet es nachvollziehbar, dass ausgegrenzte Menschen sich mit Jesus identifizieren.
Im Bibelhaus Erlebnis Museum in Frankfurt am Main feiert das Stück "The Gospel According to Jesus, Queen of Heaven" am Donnerstagabend Online-Premiere. Das Ein-Personen-Stück über Jesus als Transmann gehört zum Begleitprogramm der Ausstellung "G*tt w/m/d - Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten" im Museum.
Geschrieben wurde das Stück von der schottischen Transfrau Jo Clifford. Schauspieler Brix Schaumburg ist der erste offiziell geoutete Transgender-Schauspieler und unterstützt die gesellschaftliche Initiative #Actout. Er hatte sich bei Clifford die exklusive Erlaubnis für eine Übersetzung und Aufführung geholt.

Ein erhellender Perspektivwechsel

Im Grunde sei die Genderfrage nicht Neues, sagt Pfarrer Veit Dinkelaker, der zusammen mit Silvia Meier das Bibelhaus Erlebnis Museum leitet und Vorstand der Frankfurter Bibelgesellschaft ist. "Wir finden seit biblischen Zeiten Spuren, die zeigen, dass es eine der Grundfragen der Menschheit ist. Denn Sexualität und Geschlechtlichkeit gehören zu den Grundkonstanten des Menschseins."
Man versuche in der Ausstellung die Perspektiven von Menschen einzubringen, die sich nicht in die Kategorie Mann oder Frau einordnen lassen, weil sie sich mit ihrem Geschlecht qua Geburt nicht identifizierten. "Es ist sehr erhellend, die Perspektive zu wechseln, und das macht auch dieses Theaterstück aus."
Jo Clifford habe gesagt, sie habe sich bei dem Stück etwas von der Seele geschrieben. "Und mir leuchtet ein", meint Dinkelaker, "dass Menschen, die keine Anerkennung finden und ihr Leben lang darum ringen, einen Platz in der Gesellschaft zu finden, der ihnen verweigert wird, dass die sich mit Jesus identifizieren."

Jesus war auf der Seite der Marginalisierten

Clifford und andere benutzten das Evangelium, um das zu bewältigen. Das sei irritierend, berührend und an manchen Stellen erhellend. Und es sei komplett nachvollziehbar.
"Denn es ist keine Neuigkeit, dass Jesus sich mit den Ausgestoßenen, Marginalisierten und Entrechteten identifiziert hat. Wer jetzt meint, Jesus würde vereinnahmt, der kann ihn ja auch für sich vereinnahmen und dann sind wir wieder quitt", so Dinkelaker.
2017 hat es in Brasilien heftige Proteste gegen das Stück gegeben. Ob es in Deutschland eine Art Widerstand aus konservativen Kreisen geben werde, könne er nicht sagen. Das Stück werfe ein Licht auf die Lebensumstände von Transpersonen.
Transgender-Schauspielerin Renata Carvalho bei einer Aufführung des Stücks "The Gospel According to Jesus, Queen of heaven" in Sao Paulo.   Carvalho steht in einem schwarzen knielangen Kleid auf der Bühne und spricht in den Publikumsraum hinein.
Transgender-Schauspielerin Renata Carvalho bei einer Aufführung des Stücks in Sao Paulo. Carvalho und ihr Team waren danach heftigen Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt.© picture alliance / AP / Andre Penner
"Das ist in anderen Gesellschaften noch viel schwieriger als bei uns, namentlich in Brasilien. Und das war dann auch abzulesen. Wahrscheinlich brauchte man mehr Mut, in Brasilien so ein Stück auf die Bühne zu bringen als jetzt hier in der Bundesrepublik."
Aber auch in Frankfurt sei man immer wieder auf Unverständnis für die Ausstellung gestoßen. "Das ist dann eine Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen und zu gucken, ob wir das hinkriegen, dass wir uns gegenseitig wahrnehmen und schätzen."
Besonders bei den Jugendgruppen, die in der Ausstellung gewesen seien, habe er eine große Dankbarkeit gespürt. "Es sollte nichts Ungewöhnliches sein, Gott in einer Vielfalt zu denken, die angemessen ist. Wer sich auf ein bestimmtes Gottesbild festgelegt hat, der hat mit der Bibel ein Problem, weil es darin ja heißt: Du sollst dir kein Bildnis machen."

"The Gospel According to Jesus, Queen of Heaven"
Online-Theateraufführung
Bibelhaus Erlebnis Museum
bis 15. Dezember 2021

"G*tt w/m/d - Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten"
Ausstellung
Bibelhaus Erlebnis Museum
bis 19. Dezember 2021

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