Jesuit und Dieb Jörg Alt

Ziviler Ungehorsam gegen Lebensmittelverschwendung

08:43 Minuten
Der Jesuit Jörg Alt ist begleitet mit einer Outdoor-Jacke, er träg auch einen Helm und eine Stirnlampe. Aus einer Mülltonne holt er Lebensmittel.
Genommen, um es zu verteilen: Der Jesuit Jörg Alt beim Containern von Lebensmitteln. © privat
Jörg Alt im Gespräch mit Gesa Ufer · 06.01.2022
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Zwölf Millionen Tonnen genießbare Lebensmittel landen in Deutschland pro Jahr in den Mülltonnen von Supermärkten. Um das zu ändern, engagiert sich der Nürnberger Jesuit Jörg Alt. Als Mittel dient ihm dabei ziviler Ungehorsam.
Jörg Alt ist Sozialethiker und Jesuit, doch er ist auch Aktivist, der sich im Rahmen des Aufstands der letzten Generation engagiert. Im vergangenen Jahr hat er mit einer von der Presse dokumentierten Aktion auf Lebensmittelverschwendung aufmerksam gemacht. Denn in Deutschland werden pro Jahr zwölf Millionen Tonnen Nahrungsmittel von Supermärkten weggeworfen, deren Haltbarkeitsdatum zwar abgelaufen war, die aber noch essbar wären.

Selbst bei Polizei angezeigt

Was war geschehen? Alt, der sich als „Jesuit und Dieb“ bezeichnet, containerte bei Supermärkten Lebensmittel, um sie dann in Nürnberg vor einem Discounter zu verteilen. Als Containern wird die Entnahmen von weggeworfener, aber noch essbarer Nahrung aus Mülltonnen etwa von Supermärkten bezeichnet. Das ist strafbar, wie das Bundesverfassungsgericht im August 2020 feststellte.
Alt will dies ändern und ist dafür auch bereit, ins Gefängnis zu gehen. Dass es so weit kommen könnte, ist nicht ausgeschlossen. Denn als er die Lebensmittel verteilte, reagierte zwar zunächst niemand. „Dann habe ich die Polizei selbst angerufen und gesagt, hier werden gestohlene Lebensmittel verteilt. Sie müssen jetzt kommen. Und dann kamen sie.“
Doch die Beamten reagierten anders als erwartet, berichtet der Jesuit: „Das ist ja eine coole Aktion“, hätten die Polizisten gesagt. Alt habe aber weiterhin darauf bestanden, dass er Diebesgut verteilt. Schließlich folgte die Anzeige.

Ermittlung wegen besonders schweren Diebstahls

Ende Dezember hatte Alt dann das entsprechende Schriftstück im Briefkasten. Gegen ihn werde nun sogar wegen besonders schweren Diebstahls ermittelt. Grund dafür sei, dass er „mit einem handelsüblichen Dreikantschlüssel einen verschlossenen Bereich geöffnet habe“.
Dass ihm dies nun vorgeworfen werde, bezeichnet der Jesuit als „absolut lächerlich“. Zumal sich der dazugehörige Paragraf unter anderem auch auf den Diebstahl von „national wichtigen Dingen, Waffen oder Sprengstoff“ beziehe, wie er erklärt.

Über Missstände nachdenken

Doch Alt geht es weder um Sprengstoff noch um Waffen, sondern um Lebensmittel und deren Verschwendung. Denn Essen sei etwas, „das im Rahmen des Klimawandels massiv bedroht werden wird“. Hinzukomme, dass in reichen Ländern viel Nahrung produziert, aber auch vernichtet wird. Anderswo würden hingegen Menschen unter dem Klimawandel leiden, hungern und sterben.

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Mit seiner Aktion des zivilen Ungehorsams wolle er dazu anregen, über diese Missstände nachzudenken. Denn weder Politik noch Gesellschaft hätten verstanden, welche Gefahren durch den Klimawandel in den nächsten zehn Jahren drohten. Dieser werde auch hierzulande die Ernährungslage „massiv beeinflussen“, unterstreicht der Jesuit.

Über den Wert von Nahrung aufklären

Skeptisch ist Alt gegenüber der neuen Bundesregierung. Zwar habe Landwirtschaftsminister Cem Özdemir angekündigt, Containern entkriminalisieren zu wollen. Doch werde „die FDP den Teufel tun, den absoluten Schutz des Privateigentums durch Sozialpflichtigkeit aufzuweichen“, ist sich der Jesuit sicher.
Alt verweist indes darauf, dass das Verfassungsgericht bei seiner Entscheidung darauf hingewiesen habe, dass bei weggeworfenen Lebensmitteln durch gesetzliche Regelungen auch andere Prinzipien zur Geltung gebracht werden könnten als das des Schutzes des Privateigentums. Stichwort: Eigentum verpflichtet. Ein Vorbild könnte etwa das französische Lebensmittelschutzgesetz sein.
In diesem werde die ganze Produktionskette in den Blick genommen, „von der Produktion über die Verarbeitung, die Lieferung, den Verkauf und den individuellen Verbrauch“, wie Alt erläutert. Daneben sei es zudem wichtig, „dass wir die Bevölkerung über den Wert von Nahrungsmitteln aufklären“.
(rzr)

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