Wieder keine Oper in der Stiftskirche

Gottfried von Einems "Jesu Hochzeit" ist eine auf Bibelzitaten beruhende Mysterien-Oper, deren Aufführung immer wieder von der Katholischen Kirche verhindert wurde. So scheiterte 1980 die Uraufführung in der Ossiacher Stiftskirche. Nun wurde sie dort im Stiftshof gezeigt, denn auch diesmal verweigerte der Klerus die Nutzung der Kirche.
Die Uraufführung von Gottfried von Einems Oper "Jesu Hochzeit" hätte 1980 eigentlich in der Ossiacher Stiftskirche stattfinden sollen, doch die lokalen Kirchenfürsten verhinderten es. Also spielte man das Stück – unter heftigem Protest – bei den Wiener Festwochen.
Lang vergangene Zeiten, könnte man meinen. Anno 2016 gab es zwar keinerlei Diskussionen im Vorfeld, jedoch verweigerte der Kärntner Klerus Gottfried von Einems Mysterien-Oper erneut Einlass in die Stiftskirche. Ein Glücksfall, denn so fand die Premiere im wunderbaren Stiftshof unter freiem Himmel statt. Durch einen Torbogen schimmert sanft der Ossiacher See, allmählich dämmert es, die Luft wird kühler, während vor, neben und um das Publikum herum die Vereinigung von Jesus mit der Tödin stattfindet.
Letztere ist im Libretto von Lotte Ingrisch (Gottfried von Einems Witwe) der Gegenpol zum lebendigen, liebenden Erlöser. Regisseurin Nicola Raab zeigt das Paar als metaphysische Wettstreiter, aber auch als ambivalent Liebende. Das zentrale Duett kommt scheppernd vom Band, während die beiden anmutig lauschen, sich sonst jedoch durchaus im Kampfmodus befinden. Anfangs befinden sich sämtliche Protagonisten auf einer Art Leseprobe, man sitzt an einem großen Tisch und blättert in den Noten, die gerade nicht Singenden kommentieren ihre aktiven Kollegen mit zustimmenden oder skeptischen Gesten. Aus dem gebrochen theatralen Spiel wird allmählich Ernst, der ganze Raum verwandelt sich zum Reflexionsort über existentielle Fragen.
Die Musik funktioniert perfekt
Lazarus erscheint als blonder Teenager, seine Schwester – die Verführerin Magdalena – zerreisst im Wahn Notenpapier. Der Tisch wird mit allerlei sakralen Utensilien bestückt, ein Baum (kein Dornbusch) fängt an zu brennen. Bei jeder Bewegung des formidablen Chors (vom koproduzierenden Stadttheater Klagenfurt) knirscht der Kies und sorgt für eigene musikalische Akzente. Der theologische Diskurs wird immer wieder geerdet, jedoch ohne ironische Zertrümmerung. Die umfassende Friedensbotschaft des hochpoetischen Librettos (letztlich geht es um die Versöhnung von Leben und Tod) bleibt intakt. Jonathan Stockhammer bringt von Einems oft süffige, zeitweise auch filigran-kantable Musik mit dem Kärntner Sinfonieorchester klangvoll zum Leuchten. Manches verweist auf die (späteren) Opern eines John Adams, anderes tönt wie eine Weiterschreibung Joseph Haydns. Jenseits aller Stilfragen: die Musik funktioniert perfekt und ist dem Sujet angemessen.
Boris Grappe singt Jesus mit strahlendem Bariton, Ursula Hesse von den Steinens Tödin besitzt dunkel glühendes Vokalfundament und erscheint als undurchschaubare Figur irgendwo zwischen harmlosem Revuegirl mit Bubikopf und aggressivem Unterweltswesen. Grandios auch Dan Paul Dumitrescu als Josef sowie Julia Koci als Lazarus.
"Jesu Hochzeit" ist gerade heute, in Zeiten globaler Religionskonflikte, ein wichtiges Stück.