Jenseits von Bollywood

Von Christian Schmitt |
Das Goethe-Institut in Delhi versucht mit der Filmreihe "Getürkt", in Indien einen anderen Blick auf Deutschland zu vermitteln. Gezeigt werden Werke deutsch-türkischer Filmemacher der so genannten Dritten Generation, die Probleme, Hoffnungen und Ängste der multikulturellen Gesellschaft widerspiegeln. Diese Themen sind vielen Indern vertraut, schließlich sind manche Familien über die ganze Welt verstreut.
Um den indischen Zuschauern ein Bild von Deutschland zu vermitteln, wird ein kleiner Umweg über die Sichtweise von jungen Türken in Deutschland genommen. Das Motto heißt "Kino der dritten Generation". Die heutige dritte Generation sind die Nachfahren der Generationen des Zweiten Weltkriegs, und der Gastarbeiter. Sie ist Teil der multikulturellen Gesellschaft, mit all den Hoffnungen und Ängsten, die damit verbunden sind. Das Thema passt nach Indien, immer noch wandern viele Inder in Richtung Westen aus. Heiko Sievers, Mitorganisator des Festivals hat daher das Thema bewusst gewählt:

"Für Indien ist das besonders interessant, weil viele Inder ähnliche Erfahrung, entweder persönlich haben oder viele von ihren Verwandten in den USA, in England, von Australien, also in vielen Ländern. Sie kennen die Probleme, die auch türkische Immigranten der zweiten und dritten Generation in Deutschland kennen."

Heimo Richter, Botschafter der Bundesrepublik, brachte die Parallelen zwischen Indien und Deutschland auf einen Nenner. Indiens Selbstverständnis in der "Unity in Diversity", die Einheit in der Vielfalt, könne auch für Deutschland gelten. Dennoch konnten die überwiegend indischen Gäste einige Unterschiede zu ihrem Heimatland feststellen.

In "En Garde", einem Film der deutsch türkischen Regisseurin Ayse Polat, geht es um die Beziehung eines deutschen und eines türkischen Mädchens, beide sind in einem katholischen Heim untergebracht. Auch wenn der Handlungsort für Inder recht ungewöhnlich ist, hat Zuschauer S.P. Sharma dennoch registriert, wie sehr der deutsche Staat bemüht ist, Probleme zu lösen:

"Diese Kinder sind ihren Eltern nicht sehr nahe, daraus ergeben sich Probleme. Der Film hat genau diese Problematik beleuchtet und wie die deutschen Behörden versuchen sie zu lösen. Indem sie solche Heime einrichten, um den Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Es wird gezeigt, was getan werden müsste, um der jungen Generation eine normale Situation, eine bessere Situation zu ermöglichen, bevor ihnen etwas Schlimmes überhaupt passiert."

Die wenigen deutschen Zuschauer blickten nicht nur auf die Leinwand, sondern beobachteten auch die Reaktionen ihrer indischen Sitznachbarn. Die Filme dieses Festivals, zeigen ungeschminkt die Probleme, die es immer noch im deutsch türkischen Verhältnis gibt.

Ghettoisierung in den Großstädten und Ausländerfeindlichkeit trüben das Bild einer funktionierenden multikulturellen Gesellschaft. Dass das Bild von Deutschland aber geschädigt werden könnte, glaubt Katharina Bene nicht. Die Studentin ist gerade für ein Praktikum in Neu Delhi:

"Filme in jeder Hinsicht zeigen immer nur einen Ausschnitt aus der Realität. Realität ist ja auch so vielfältig, es gibt keine Landkarte, die eine Landschaft wirklich eins zu eins abbildet. Deswegen ist jetzt auch gerade diese deutsch-türkische Sicht oder türkisch-deutsche Sicht immer nur ein Ausschnitt."

Um die Landkarte deutscher Kultur so genau wie möglich zu zeichnen, setzt das Goethe-Institut auf Vielfalt. Die Zuspitzung auf deutsch türkische Beziehungen und deren Konflikte hält Dr. Stefan Dreyer, Direktor der Zweigstelle in Delhi, dennoch für wichtig.

"Diese Thematik ist eine, die für das Einwanderungsland Deutschland, für die Diskussion um Multikulturalität in Deutschland, eine große Rolle spielen. Und ich denke, wir sind auch gut beraten, diese Diskussion über künstlerische Produkte in Ausland zu tragen. Dann denke ich, dass eine Facette dieses doch großen Komplexes über diese Filme sehr gut transportiert wird."

Es ist ein sehr ehrliches Bild von Deutschland, das hier in Indien gezeigt wird, und das kommt gut an. Wo die stets schillernde und bunte Bollywood-Filmindustrie herrscht, werden sozial-kritische Werke dankbar angenommen. Die Inder haben ein Bedürfnis nach Filmen, die Probleme aufzeigen, anstatt sie zu vertuschen. Und auch wenn in den Filmen das sonst so bewunderte Deutschland mit all seinen Problemen dargestellt wird, so könnte es doch wieder Vorbild sein. Nämlich kritisch mit sich selbst umzugehen, und dadurch den Anstoß zur Verbesserung zu geben.