Jenseits des Mainstreams
Filmemachen ist Männersache. Ein Beweis? Seit fast 80 Jahren wird der Oscar in der Kategorie "Beste Regie" an Männer verliehen. Trotzdem gibt es natürlich auch Regisseurinnen. Eine von ihnen ist Isabelle Stever. Die Berlinerin dreht mit wenig Geld Filme jenseits des Mainstreams und hat dafür schon mehrere Preise gewonnen
Isabelle Stever: "Als ich das erste Mal gesehen hab, wie an diesem Ort, den ich ausgesucht hab, dieses Mädchen, was ich ausgesucht hab, in dem Kostüm, was ich ausgesucht hab mit dem Hintergrund, entlang läuft - war das wie so ein Suchtfaktor."
Isabelle Stever sitzt auf der Couch ihrer Berliner Altbauwohnung, in rotem Shirt und blauer Jeans, die langen, dunkelblonden Haare zum Pferdeschwanz gebunden. Stever lässt lange Pausen zwischen den Antworten und raucht eine Zigarette nach der anderen.
Stever: "Dass man so ein Bild schafft und dieses Bild an ein anderes Bild reiht und dann eine Geschichte erzählt, das macht wahnsinnigen Spaß."
Filmszene Erste Ehe:
Er: "Du bist das Problem, Dich sollte man hier rausschmeißen."
Sie: "Schätzchen, das ist meine Wohnung. Du schmeißt hier niemanden raus."
Er: "Deine Scheiß-Wohnung von Deiner Mutter. Du hast doch keine Ahnung, Du Fotze."
Sie: "Du wolltest Dich doch zusammenreißen und dieses Wort nicht mehr sagen."
Er: "Du Fotze."
Sie: "Okay, das war’s."
"Erste Ehe" - ein junges Paar streitet sich durch die eigene Hochzeitsparty. Nach einigen Kurzfilmen war dies Isabelle Stevers erster abendfüllender Spielfilm. Ihre Abschlussarbeit an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, an der sie bis 2001 studierte.
Während des Drehs lebte Stever in einer leeren Wohnung, weil ihre Möbel am Set gebraucht wurden. Die Beleuchter transportierten die Leiter mit der U-Bahn. In jeder Szene fehlten Requisiten. Und die Finanzierung stand sowieso lange auf der Kippe.
Stever: "Wenn das Geld wirklich nicht kommt, dann hatt’ ich tatsächlich die Idee, eine Niere zu verkaufen – als ich erfahren hab, dass man 20.000 Mark für ne Niere kriegt oder wahrscheinlich noch weniger, hab ich dann meine Schwester gefragt, ob sie auch bereit ist, ihre Niere für meinen Film herzugeben - und sie war da sehr unsicher."
Die 42-jährige Stever lacht, und doch zeigt diese "Idee" ihre Hingabe zum Film. Zu einer bestimmten Art Film zumindest. Während ihres Studiums hatte sie als Regie¬assisten¬tin beim Privat¬fernsehen eine Menge Geld verdient, aber bald wieder gekündigt.
Stever: "Es hat einmal einer im Team gesagt: Wir drehen das Zeug, das zwischen den Werbungen läuft. Und das ist nicht meine Einstellung. Vor ungefähr fünf, sechs Jahren hab’ ich mich sehr bewusst dafür entschieden, dass ich diese Art von Arthouse Filmen, oder wie man das nennen will, machen will und dass ich wahrscheinlich nie Geld verdienen werde."
Dafür gewinnt sie Filmpreise. Für "Erste Ehe" erhielt Stever 2002 den First Steps Nachwuchspreis. Ein Produzent wurde auf sie aufmerksam und bot ihr die Regie für einen zweiten langen Film an: "Gisela". Eine unkonventionelle Dreiecksgeschichte über zwei Männer und eine Frau, die vor allem eines verbindet: ihre Einsamkeit. Stever gewann mit "Gisela" in diesem Jahr den "Crossing Europe Award" in Linz.
Filmszene Gisela:
Er: "Bestimmt ein harter Job so an der Kasse."
Sie: "Ich mag’s ganz gerne. Außer wenn jemand ausrastet."
Er: "Du gefällst mir, weißt Du das."
Sie: "Quatsch."
Er: "Doch ehrlich. Ich mag’s, wenn man mich zum Lachen bringt."
Sie: "Aber das war doch gar nicht witzig."
Er: "Find ich schon."
Stever: "Es geht eigentlich um Gisela. Es ist fast ein Experiment diese Frau. Und vielleicht ist sie ja was ganz Modernes, weil sie wirklich außerhalb von Moral lebt. Und Moral verändert sich ja stark in unserer Zeit, bis hin zu Hilflosigkeit, weil man ja nicht genau weiß, was passiert, wenn die Moral völlig verschwindet."
Regie führen - das ist für Stever eine sehr emotionale Angelegenheit, aber auch harte Arbeit. Es gibt bei ihr keine Zufälle, sagt sie. Jede Szene werde genau entwickelt. Und vor dem Dreh stehen lange Proben mit den Schauspielern.
Stever: "Ich denk mir Situationen aus, die nicht im Drehbuch stehen, wo ich das Gefühl hab, dass sie die Figuren charakterisieren. Und dann werden die Situationen improvisiert. Dann haben die Schauspieler eine Erinnerung, ne richtige Erinnerung an Erlebtes und müssen nicht intellektuell da rangehen."
Filmszene Gisela
Paul: "Hab Schluss gemacht."
Georg: "Mit wem?"
Paul: "Mit wem wohl?"
Georg: "Gisela. Man. Gisela."
Paul: "Ja mit wem sonst."
Isabelle Stever wurde 1963 in München geboren. Sie wuchs in einem katholischen Elternhaus auf, der Vater Rechtsanwalt, die Mutter Hausfrau. Vor ihrer Filmausbildung studierte sie acht Jahre Diplom Mathematik. Nebenher malte und schrieb sie. Und dann entdeckte sie durch ihren Freundeskreis das Filmemachen, mit dem sie ihre Leidenschaften verbinden konnte. So ähneln Stevers Filme heute mathematischen Beweisanordnungen. Sie setzt ihre Figuren wie Behauptungen und untersucht sie ohne Vorurteil.
Stever: "Ich glaub, mich interessiert das Unreflektierte, also die Diskrepanz zwischen dem, was man will und dem was man tut. Und ich find es ganz schön, wenn die Figuren ihre Schwächen ausleben dürfen und dafür nicht vor ein Gericht gestellt werden, vor ein dramaturgisches."
Isabelle Stever hat einen 14-jährigen Sohn, war zweimal verheiratet und lebt inzwischen wieder in einer Beziehung.
Im nächsten Jahr will sie wieder drehen, auch wenn die Finanzierung noch nicht steht. Man dürfe in Deutschland in den ersten beiden Filmen schräger und innovativer sein als später, sagt Stever und zündet sich die nächste Zigarette an. Deshalb sei der dritte Film der schwierigste. Aber es wird schon werden, schließlich lautet der Arbeitstitel "Glückliche Fügung".
Isabelle Stever sitzt auf der Couch ihrer Berliner Altbauwohnung, in rotem Shirt und blauer Jeans, die langen, dunkelblonden Haare zum Pferdeschwanz gebunden. Stever lässt lange Pausen zwischen den Antworten und raucht eine Zigarette nach der anderen.
Stever: "Dass man so ein Bild schafft und dieses Bild an ein anderes Bild reiht und dann eine Geschichte erzählt, das macht wahnsinnigen Spaß."
Filmszene Erste Ehe:
Er: "Du bist das Problem, Dich sollte man hier rausschmeißen."
Sie: "Schätzchen, das ist meine Wohnung. Du schmeißt hier niemanden raus."
Er: "Deine Scheiß-Wohnung von Deiner Mutter. Du hast doch keine Ahnung, Du Fotze."
Sie: "Du wolltest Dich doch zusammenreißen und dieses Wort nicht mehr sagen."
Er: "Du Fotze."
Sie: "Okay, das war’s."
"Erste Ehe" - ein junges Paar streitet sich durch die eigene Hochzeitsparty. Nach einigen Kurzfilmen war dies Isabelle Stevers erster abendfüllender Spielfilm. Ihre Abschlussarbeit an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, an der sie bis 2001 studierte.
Während des Drehs lebte Stever in einer leeren Wohnung, weil ihre Möbel am Set gebraucht wurden. Die Beleuchter transportierten die Leiter mit der U-Bahn. In jeder Szene fehlten Requisiten. Und die Finanzierung stand sowieso lange auf der Kippe.
Stever: "Wenn das Geld wirklich nicht kommt, dann hatt’ ich tatsächlich die Idee, eine Niere zu verkaufen – als ich erfahren hab, dass man 20.000 Mark für ne Niere kriegt oder wahrscheinlich noch weniger, hab ich dann meine Schwester gefragt, ob sie auch bereit ist, ihre Niere für meinen Film herzugeben - und sie war da sehr unsicher."
Die 42-jährige Stever lacht, und doch zeigt diese "Idee" ihre Hingabe zum Film. Zu einer bestimmten Art Film zumindest. Während ihres Studiums hatte sie als Regie¬assisten¬tin beim Privat¬fernsehen eine Menge Geld verdient, aber bald wieder gekündigt.
Stever: "Es hat einmal einer im Team gesagt: Wir drehen das Zeug, das zwischen den Werbungen läuft. Und das ist nicht meine Einstellung. Vor ungefähr fünf, sechs Jahren hab’ ich mich sehr bewusst dafür entschieden, dass ich diese Art von Arthouse Filmen, oder wie man das nennen will, machen will und dass ich wahrscheinlich nie Geld verdienen werde."
Dafür gewinnt sie Filmpreise. Für "Erste Ehe" erhielt Stever 2002 den First Steps Nachwuchspreis. Ein Produzent wurde auf sie aufmerksam und bot ihr die Regie für einen zweiten langen Film an: "Gisela". Eine unkonventionelle Dreiecksgeschichte über zwei Männer und eine Frau, die vor allem eines verbindet: ihre Einsamkeit. Stever gewann mit "Gisela" in diesem Jahr den "Crossing Europe Award" in Linz.
Filmszene Gisela:
Er: "Bestimmt ein harter Job so an der Kasse."
Sie: "Ich mag’s ganz gerne. Außer wenn jemand ausrastet."
Er: "Du gefällst mir, weißt Du das."
Sie: "Quatsch."
Er: "Doch ehrlich. Ich mag’s, wenn man mich zum Lachen bringt."
Sie: "Aber das war doch gar nicht witzig."
Er: "Find ich schon."
Stever: "Es geht eigentlich um Gisela. Es ist fast ein Experiment diese Frau. Und vielleicht ist sie ja was ganz Modernes, weil sie wirklich außerhalb von Moral lebt. Und Moral verändert sich ja stark in unserer Zeit, bis hin zu Hilflosigkeit, weil man ja nicht genau weiß, was passiert, wenn die Moral völlig verschwindet."
Regie führen - das ist für Stever eine sehr emotionale Angelegenheit, aber auch harte Arbeit. Es gibt bei ihr keine Zufälle, sagt sie. Jede Szene werde genau entwickelt. Und vor dem Dreh stehen lange Proben mit den Schauspielern.
Stever: "Ich denk mir Situationen aus, die nicht im Drehbuch stehen, wo ich das Gefühl hab, dass sie die Figuren charakterisieren. Und dann werden die Situationen improvisiert. Dann haben die Schauspieler eine Erinnerung, ne richtige Erinnerung an Erlebtes und müssen nicht intellektuell da rangehen."
Filmszene Gisela
Paul: "Hab Schluss gemacht."
Georg: "Mit wem?"
Paul: "Mit wem wohl?"
Georg: "Gisela. Man. Gisela."
Paul: "Ja mit wem sonst."
Isabelle Stever wurde 1963 in München geboren. Sie wuchs in einem katholischen Elternhaus auf, der Vater Rechtsanwalt, die Mutter Hausfrau. Vor ihrer Filmausbildung studierte sie acht Jahre Diplom Mathematik. Nebenher malte und schrieb sie. Und dann entdeckte sie durch ihren Freundeskreis das Filmemachen, mit dem sie ihre Leidenschaften verbinden konnte. So ähneln Stevers Filme heute mathematischen Beweisanordnungen. Sie setzt ihre Figuren wie Behauptungen und untersucht sie ohne Vorurteil.
Stever: "Ich glaub, mich interessiert das Unreflektierte, also die Diskrepanz zwischen dem, was man will und dem was man tut. Und ich find es ganz schön, wenn die Figuren ihre Schwächen ausleben dürfen und dafür nicht vor ein Gericht gestellt werden, vor ein dramaturgisches."
Isabelle Stever hat einen 14-jährigen Sohn, war zweimal verheiratet und lebt inzwischen wieder in einer Beziehung.
Im nächsten Jahr will sie wieder drehen, auch wenn die Finanzierung noch nicht steht. Man dürfe in Deutschland in den ersten beiden Filmen schräger und innovativer sein als später, sagt Stever und zündet sich die nächste Zigarette an. Deshalb sei der dritte Film der schwierigste. Aber es wird schon werden, schließlich lautet der Arbeitstitel "Glückliche Fügung".