Jenseits der Konventionen
Nach den Maßstäben des 18. Jahrhunderts verbrachte die Schriftstellerin Caroline Schlegel-Schelling ihr kuzes Leben in ziemlich unordentlichen Verhältnissen. Sie war alleinerziehende Mutter, hatte ein uneheliches Kind und mehrere Männer gleichzeitig.
Das ausgehende 18. Jahrhundert war eine Aufbruchszeit für Frauen: die Aufklärung und die aus ihren Idealen entstandene "Gelehrtenrepublik", die Französische Revolution und die ihr folgenden politischen Umwälzungen waren zwar nicht hauptsächlich an Frauen gerichtet, aber sie eröffneten ihnen mittelbar neue Freiheiten und Freiräume. Und dann erst die aufkeimende deutsche Romantik, mit ihren Idealen gleichberechtigter Beziehungen zwischen Mann und Frau!
Zugleich war es aber auch weiterhin eine Zeit, in der Geburten noch weitgehend unkontrolliert und für Frauen reale Todesrisiken waren, und in der Säuglinge und Kleinkinder regelmäßig und in großen Zahlen starben. Diesen Parametern weiblicher Existenz zwischen Freiheit und Zwang folgt auch das Leben von Caroline Michaelis, Professorentochter aus Göttingen, geboren 1763. Brav verheiratet mit einem Jugendfreund, dem Arzt Franz Wilhelm Böhmer, eine erste, beinah fatale Geburt, zwei weitere Kinder, die beide nicht lange überleben und schon bald Witwe. Woraufhin es allerdings interessant wird. Denn statt eine weitere brave und bequeme Ehe einzugehen, entscheidet sich Caroline Böhmer selbstständig und allein mit ihrer Tochter zu leben.
Dem ersten Schritt aus den Konventionen heraus folgen weitere: eine Affäre mit einem Franzosen, eine uneheliche Schwangerschaft. Grund für eine mehrmonatige Inhaftierung und darauffolgende Ächtung in großen Teilen Deutschlands ist allerdings etwas anderes: ihre zu große Nähe zu Georg Forster und zur von diesem federführend mitverantworteten "Mainzer Republik", dem schnell wieder rückgängig gemachten republikanischen Versuch auf deutschem Boden unter französischer Schirmherrschaft.
Als Errettung aus dem gesellschaftlichen Abseits stellt sich die Verbindung zu den Brüdern Schlegel heraus, die sich rührend um die politisch verfolgte Hochschwangere kümmern. Caroline wird später den älteren, Wilhelm August Schlegel, heiraten, eine Freundschaftsehe, die andere Beziehungen nicht ausschließt.
Zugleich war es aber auch weiterhin eine Zeit, in der Geburten noch weitgehend unkontrolliert und für Frauen reale Todesrisiken waren, und in der Säuglinge und Kleinkinder regelmäßig und in großen Zahlen starben. Diesen Parametern weiblicher Existenz zwischen Freiheit und Zwang folgt auch das Leben von Caroline Michaelis, Professorentochter aus Göttingen, geboren 1763. Brav verheiratet mit einem Jugendfreund, dem Arzt Franz Wilhelm Böhmer, eine erste, beinah fatale Geburt, zwei weitere Kinder, die beide nicht lange überleben und schon bald Witwe. Woraufhin es allerdings interessant wird. Denn statt eine weitere brave und bequeme Ehe einzugehen, entscheidet sich Caroline Böhmer selbstständig und allein mit ihrer Tochter zu leben.
Dem ersten Schritt aus den Konventionen heraus folgen weitere: eine Affäre mit einem Franzosen, eine uneheliche Schwangerschaft. Grund für eine mehrmonatige Inhaftierung und darauffolgende Ächtung in großen Teilen Deutschlands ist allerdings etwas anderes: ihre zu große Nähe zu Georg Forster und zur von diesem federführend mitverantworteten "Mainzer Republik", dem schnell wieder rückgängig gemachten republikanischen Versuch auf deutschem Boden unter französischer Schirmherrschaft.
Als Errettung aus dem gesellschaftlichen Abseits stellt sich die Verbindung zu den Brüdern Schlegel heraus, die sich rührend um die politisch verfolgte Hochschwangere kümmern. Caroline wird später den älteren, Wilhelm August Schlegel, heiraten, eine Freundschaftsehe, die andere Beziehungen nicht ausschließt.
Freund Goethe und neue Liebe Schelling
Ab 1796 sind die Brüder und Caroline Schlegel in Jena Mittelpunkt des für die deutsche Romantik maßgeblichen "Jenaer Kreises". Zur 20 Kilometer entfernten Weimarer Klassik unterhalten sie ambivalente Verbindungen: Während die Romantiker zu Schiller – nicht zuletzt aufgrund dessen altmodischer Frauenbilder – bald auf Distanz gehen, bleibt Goethe stets ein wohlmeinender väterlicher Freund der jungen Wilden mit ihren unordentlichen Familienverhältnissen.
Die sich allerdings ab 1799 aufzulösen beginnen. Caroline verliebt sich in den jungen Philosophen Friedrich Schelling, was zum Zerwürfnis mit Friedrich Schlegel und dessen Freundin Dorothea führt. Interessanterweise aber nicht mit dem "betrogenen" Ehemann August Wilhelm. Es folgen ein weiterer tragischer Kindstod und, nach einigen glücklichen Jahren mit Schelling, Carolines eigener Tod 1809, mit 46 Jahren.
All diese tief ins deutsche Geistesleben des 18. und 19. Jahrhunderts hineingreifenden Ereignisse erzählt die Biografin Sabine Appel einfühlsam, aber ohne falsche Anbiederung an ihre Hauptfigur, mit kritischem Blick auf persönliche Schwächen und auf den historischen Hintergrund dieser Lebensgeschichte. Sie liefert auch knappe und übersichtliche Zusammenfassungen der relevanten geistesgeschichtlichen Zusammenhänge.
Auffallend ist freilich ihre lineare Erzählweise, die dem frühen, noch konventionelleren Leben Carolines genauso viel Gewicht und Raum gibt wie der "romantischen" Phase, die doch geistesgeschichtlich – und auch hinsichtlich der Emanzipation, inklusive "moderner" Liebesbeziehungen und "offener" Ehen – die weitaus interessantere ist. Aber das ist letztlich nur konsequent, geht es doch Appel ganz offensichtlich nicht vorrangig um die – bestens bekannte – Literaturgeschichte, sondern um eine umfassende Biografie dieser widersprüchlichen weiblichen Figur in einer widersprüchlichen, von Brüchen gezeichneten Zeit.
Besprochen von Catherine Newmark
Die sich allerdings ab 1799 aufzulösen beginnen. Caroline verliebt sich in den jungen Philosophen Friedrich Schelling, was zum Zerwürfnis mit Friedrich Schlegel und dessen Freundin Dorothea führt. Interessanterweise aber nicht mit dem "betrogenen" Ehemann August Wilhelm. Es folgen ein weiterer tragischer Kindstod und, nach einigen glücklichen Jahren mit Schelling, Carolines eigener Tod 1809, mit 46 Jahren.
All diese tief ins deutsche Geistesleben des 18. und 19. Jahrhunderts hineingreifenden Ereignisse erzählt die Biografin Sabine Appel einfühlsam, aber ohne falsche Anbiederung an ihre Hauptfigur, mit kritischem Blick auf persönliche Schwächen und auf den historischen Hintergrund dieser Lebensgeschichte. Sie liefert auch knappe und übersichtliche Zusammenfassungen der relevanten geistesgeschichtlichen Zusammenhänge.
Auffallend ist freilich ihre lineare Erzählweise, die dem frühen, noch konventionelleren Leben Carolines genauso viel Gewicht und Raum gibt wie der "romantischen" Phase, die doch geistesgeschichtlich – und auch hinsichtlich der Emanzipation, inklusive "moderner" Liebesbeziehungen und "offener" Ehen – die weitaus interessantere ist. Aber das ist letztlich nur konsequent, geht es doch Appel ganz offensichtlich nicht vorrangig um die – bestens bekannte – Literaturgeschichte, sondern um eine umfassende Biografie dieser widersprüchlichen weiblichen Figur in einer widersprüchlichen, von Brüchen gezeichneten Zeit.
Besprochen von Catherine Newmark
Sabine Appel: Caroline Schlegel-Schelling. Das Wagnis der Freiheit. Eine Biographie
C.H. Beck, München 2013
287 Seiten, 19,95 Euro
C.H. Beck, München 2013
287 Seiten, 19,95 Euro