Jens Kreuter: Verkürzter Zivildienst funktioniert auch
Heute stimmt der Bundestag über eine geplante Verkürzung des Wehr- und Zivildienstes ab. Ein nur noch sechsmonatiger Zivildienst werde zwar neue Herausforderungen mit sich bringen, die Qualität werde aber nicht darunter leiden, sagte der Bundesbeauftragte für den Zivildienst, Jens Kreuter.
Marietta Schwarz: Der Bundestag stimmt heute über eine Verkürzung des Wehrdienstes ab. Ab 1. Juli werden die Wehr- und Zivildienstpflichtigen dann nur noch sechs statt bisher neun Monate ableisten müssen. Wer will, kann seinen Zivildienst aber freiwillig verlängern. Diese Abstimmung ist fast ein bisschen in den Hintergrund geraten, vor der Debatte um die Abschaffung des Wehrdienstes, die Verteidigungsminister zu Guttenberg losgetreten hat, und auch da stellt sich natürlich die Frage: Was passiert mit dem Zivildienst, wenn es den Wehrdienst nicht mehr geben sollte?
Viele Wohlfahrtsorganisationen schreien schon jetzt auf, weil sie sagen, in nur sechs Monaten könne man keinen Menschen mehr sinnvoll einarbeiten. Wir sprechen darüber mit Jens Kreuter, dem Bundesbeauftragten für Zivildienst. Guten Morgen, Herr Kreuter.
Jens Kreuter: Guten Morgen!
Schwarz: Herr Kreuter, reden wir also zunächst über den verkürzten Zivildienst. Die Wohlfahrtsverbände – ich hab' das erwähnt -, die sind ziemlich unglücklich über die sechs Monate. Sie auch?
Kreuter: Ach, ich habe da nicht Gefühle zu entwickeln, sondern das erinnert uns einfach daran, dass der Zivildienst schon immer Wehrersatzdienst war und ist, und wenn aus verteidigungspolitischen Gründen der Wehrdienst verkürzt, oder sonst irgendwie verändert wird, dann hat der Zivildienst dem nachzufolgen.
Die Herausforderung war jetzt, die Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass trotz der Verkürzung ein möglichst sinnvoller Zivildienst bestehen bleibt, und ich glaub', das ist mit dem Gesetz, das heute zur Abstimmung steht, auch ganz gut gelungen.
Schwarz: Wie wird sich denn die Qualität dieses Dienstes in Zukunft verändern?
Kreuter: Ich hoffe, möglichst wenig. Es wird sicher Veränderungen geben. Es hat aber auch schon immer Veränderungen gegeben, seitdem der Zivildienst mal 20 Monate lang war. Mit neun Monaten war es auch nicht so schlecht. Das heißt, verkürzen heißt ja nicht unbedingt verschlechtern, nicht jede Veränderung ist eine Verschlechterung.
Es wird in manchen Bereichen sicher Veränderungen in den Aufgabenbereichen geben, aber mit dem Instrument der freiwilligen Verlängerung, das in diesem Gesetzentwurf neu vorgesehen ist, gibt es auch die Chance, neue Dinge zu machen.
Schwarz: Bleiben wir aber trotzdem mal bei diesen sechs Monaten. Brauchen wir dadurch in Zukunft neue, möglicherweise weniger anspruchsvolle Zivildienststellen, weil man die Leute nicht mehr ausreichend ausbilden kann?
Kreuter: Ich glaube nicht, dass wir neue Plätze brauchen. Wir haben im Moment ungefähr doppelt so viele Plätze wie Zivildienstpflichtige. Das ist ein Teil des Geheimnisses, warum der Zivildienst so gut funktioniert, dass die jungen Männer sich wirklich selber aussuchen können, wohin sie gehen. Wie gesagt, da mag es hier und da kleinere Veränderungen geben, aber insgesamt ist ja das Interesse auch der Einrichtungen, den jungen Männern was mitzugeben, ihre Arbeit vorzustellen, da Beziehungen aufzubauen, und dieser rein betriebswirtschaftliche Blick, wie viel Stunden arbeiten die, der ist auch für die Einrichtungen nicht das Entscheidende.
Die Sorgen muss man ernst nehmen, gar keine Frage, aber insgesamt ist da ein Paket jetzt geschnürt worden mit weniger Urlaub, so schade das für die Zivis ist, mit Veränderungen bei der Lehrgangsstruktur, die dafür sorgen, dass es auch für anspruchsvolle Einsatzstellen ein attraktives Angebot bleibt.
Schwarz: Herr Kreuter, reden wir jetzt aber auch mal über die Abschaffung, die mögliche Abschaffung, die in der Diskussion ist. Im vergangenen Jahr traten über 90.000 Zivildienstleistende ihren Dienst an, 90.000 Stellen, die mit Wegfall der Wehrpflicht erst mal unbesetzt wären. Mit welchen Folgen?
Kreuter: Tja, die Frage hat das Bundeskabinett auch gestellt. Die Familienministerin soll bis Anfang September einen Bericht zu dieser Frage vorlegen. Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir den jetzt nicht innerhalb von einer Woche aus dem Hut zaubern und dann über das Radio bekannt geben. Da wird sorgfältig dran gearbeitet, da wird es auch Möglichkeiten geben für die Wohlfahrtsverbände, die Dienststellen, sich einzubringen. Ich, es ist kein Geheimnis: wenn es die Wehrpflicht nicht mehr gibt, gibt es den Zivildienst nicht mehr, und die Aufgaben, die Zivildienstleistende bisher erledigt haben, werden dann entweder nicht mehr erledigt, die fallen wirklich weg, oder jemand anders muss sie erledigen.
Schwarz: Ihre Familienministerin, Kristina Schröder, die geht ein bisschen weiter. Die sagt, ohne Zivildienst wäre unsere Gesellschaft weniger menschlich. Was also tun?
Kreuter: Ich glaube schon, dass es wichtig ist, diese Dimension mit im Blick zu haben. Die Kunst, die politische Kunst der nächsten Monate wird sein, diese möglichen Folgen, die gerade für das soziale Klima sicherlich spürbar wären – allein die Tatsache, dass da 90.000 Männer, die wahrscheinlich mit dem Aufgabenbereich, den sie im Zivildienst übernehmen, sonst nie im Leben was zu tun gehabt hätten, dass die positiv geprägt werden -, allein diese Tatsache darf man nicht unterschätzen. Aber alles das darf nun auch umgekehrt nicht zur Begründung für die Wehrpflicht werden. Da sind sich auch alle einig.
Schwarz: Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hat gestern eine Alternative zur Abschaffung vorgeschlagen. Wer einen freiwilligen Dienst absolviert, soll demnach Vorteile bei der späteren Berufseinstellung haben. Halten Sie das für einen guten, einen praktikablen Vorschlag?
Kreuter: Also die Idee, dass jedes Engagement, auch im Zivildienst, aber auch in freiwilligen Diensten, honoriert werden soll und geschätzt werden soll von der Gesellschaft, das ist ja etwas, worüber alle sich einig sind. Das wird schon heute versucht und auch heute gemacht, es gibt verschiedene Formen von Anerkennung, Zertifikate, Zeugnisse und so weiter. Gerade der Bereich der Jugendfreiwilligendienste wird so oder so ausgebaut werden. Das ist ja einfach toll, wenn im Moment junge Frauen oder ausgemusterte junge Männer sich in einem freiwilligen sozialen Jahr engagieren. Das ist sicher ein Bereich, der wichtig ist, der Zukunft hat.
Wie weit der den Zivildienst möglicherweise auch mal ersetzen kann, oder in welchem Umfang er ihn ersetzen kann, das ist eine der Fragen, über die sich alle in den nächsten Monaten auch Gedanken machen. Ich sag' nur mal die Zahlen: Wir haben etwa gut 30.000 FSJ-ler und wir haben über 90.000 Zivildienstleistende im Jahr. Das ist also sicher nicht mit Knopfdruck von einem Tag auf den anderen eins zu eins ersetzbar.
Schwarz: Der Bundesbeauftragte für Zivildienst, Jens Kreuter, war das im Gespräch. Ihnen vielen Dank.
Kreuter: Vielen Dank Ihnen!
Viele Wohlfahrtsorganisationen schreien schon jetzt auf, weil sie sagen, in nur sechs Monaten könne man keinen Menschen mehr sinnvoll einarbeiten. Wir sprechen darüber mit Jens Kreuter, dem Bundesbeauftragten für Zivildienst. Guten Morgen, Herr Kreuter.
Jens Kreuter: Guten Morgen!
Schwarz: Herr Kreuter, reden wir also zunächst über den verkürzten Zivildienst. Die Wohlfahrtsverbände – ich hab' das erwähnt -, die sind ziemlich unglücklich über die sechs Monate. Sie auch?
Kreuter: Ach, ich habe da nicht Gefühle zu entwickeln, sondern das erinnert uns einfach daran, dass der Zivildienst schon immer Wehrersatzdienst war und ist, und wenn aus verteidigungspolitischen Gründen der Wehrdienst verkürzt, oder sonst irgendwie verändert wird, dann hat der Zivildienst dem nachzufolgen.
Die Herausforderung war jetzt, die Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass trotz der Verkürzung ein möglichst sinnvoller Zivildienst bestehen bleibt, und ich glaub', das ist mit dem Gesetz, das heute zur Abstimmung steht, auch ganz gut gelungen.
Schwarz: Wie wird sich denn die Qualität dieses Dienstes in Zukunft verändern?
Kreuter: Ich hoffe, möglichst wenig. Es wird sicher Veränderungen geben. Es hat aber auch schon immer Veränderungen gegeben, seitdem der Zivildienst mal 20 Monate lang war. Mit neun Monaten war es auch nicht so schlecht. Das heißt, verkürzen heißt ja nicht unbedingt verschlechtern, nicht jede Veränderung ist eine Verschlechterung.
Es wird in manchen Bereichen sicher Veränderungen in den Aufgabenbereichen geben, aber mit dem Instrument der freiwilligen Verlängerung, das in diesem Gesetzentwurf neu vorgesehen ist, gibt es auch die Chance, neue Dinge zu machen.
Schwarz: Bleiben wir aber trotzdem mal bei diesen sechs Monaten. Brauchen wir dadurch in Zukunft neue, möglicherweise weniger anspruchsvolle Zivildienststellen, weil man die Leute nicht mehr ausreichend ausbilden kann?
Kreuter: Ich glaube nicht, dass wir neue Plätze brauchen. Wir haben im Moment ungefähr doppelt so viele Plätze wie Zivildienstpflichtige. Das ist ein Teil des Geheimnisses, warum der Zivildienst so gut funktioniert, dass die jungen Männer sich wirklich selber aussuchen können, wohin sie gehen. Wie gesagt, da mag es hier und da kleinere Veränderungen geben, aber insgesamt ist ja das Interesse auch der Einrichtungen, den jungen Männern was mitzugeben, ihre Arbeit vorzustellen, da Beziehungen aufzubauen, und dieser rein betriebswirtschaftliche Blick, wie viel Stunden arbeiten die, der ist auch für die Einrichtungen nicht das Entscheidende.
Die Sorgen muss man ernst nehmen, gar keine Frage, aber insgesamt ist da ein Paket jetzt geschnürt worden mit weniger Urlaub, so schade das für die Zivis ist, mit Veränderungen bei der Lehrgangsstruktur, die dafür sorgen, dass es auch für anspruchsvolle Einsatzstellen ein attraktives Angebot bleibt.
Schwarz: Herr Kreuter, reden wir jetzt aber auch mal über die Abschaffung, die mögliche Abschaffung, die in der Diskussion ist. Im vergangenen Jahr traten über 90.000 Zivildienstleistende ihren Dienst an, 90.000 Stellen, die mit Wegfall der Wehrpflicht erst mal unbesetzt wären. Mit welchen Folgen?
Kreuter: Tja, die Frage hat das Bundeskabinett auch gestellt. Die Familienministerin soll bis Anfang September einen Bericht zu dieser Frage vorlegen. Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir den jetzt nicht innerhalb von einer Woche aus dem Hut zaubern und dann über das Radio bekannt geben. Da wird sorgfältig dran gearbeitet, da wird es auch Möglichkeiten geben für die Wohlfahrtsverbände, die Dienststellen, sich einzubringen. Ich, es ist kein Geheimnis: wenn es die Wehrpflicht nicht mehr gibt, gibt es den Zivildienst nicht mehr, und die Aufgaben, die Zivildienstleistende bisher erledigt haben, werden dann entweder nicht mehr erledigt, die fallen wirklich weg, oder jemand anders muss sie erledigen.
Schwarz: Ihre Familienministerin, Kristina Schröder, die geht ein bisschen weiter. Die sagt, ohne Zivildienst wäre unsere Gesellschaft weniger menschlich. Was also tun?
Kreuter: Ich glaube schon, dass es wichtig ist, diese Dimension mit im Blick zu haben. Die Kunst, die politische Kunst der nächsten Monate wird sein, diese möglichen Folgen, die gerade für das soziale Klima sicherlich spürbar wären – allein die Tatsache, dass da 90.000 Männer, die wahrscheinlich mit dem Aufgabenbereich, den sie im Zivildienst übernehmen, sonst nie im Leben was zu tun gehabt hätten, dass die positiv geprägt werden -, allein diese Tatsache darf man nicht unterschätzen. Aber alles das darf nun auch umgekehrt nicht zur Begründung für die Wehrpflicht werden. Da sind sich auch alle einig.
Schwarz: Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hat gestern eine Alternative zur Abschaffung vorgeschlagen. Wer einen freiwilligen Dienst absolviert, soll demnach Vorteile bei der späteren Berufseinstellung haben. Halten Sie das für einen guten, einen praktikablen Vorschlag?
Kreuter: Also die Idee, dass jedes Engagement, auch im Zivildienst, aber auch in freiwilligen Diensten, honoriert werden soll und geschätzt werden soll von der Gesellschaft, das ist ja etwas, worüber alle sich einig sind. Das wird schon heute versucht und auch heute gemacht, es gibt verschiedene Formen von Anerkennung, Zertifikate, Zeugnisse und so weiter. Gerade der Bereich der Jugendfreiwilligendienste wird so oder so ausgebaut werden. Das ist ja einfach toll, wenn im Moment junge Frauen oder ausgemusterte junge Männer sich in einem freiwilligen sozialen Jahr engagieren. Das ist sicher ein Bereich, der wichtig ist, der Zukunft hat.
Wie weit der den Zivildienst möglicherweise auch mal ersetzen kann, oder in welchem Umfang er ihn ersetzen kann, das ist eine der Fragen, über die sich alle in den nächsten Monaten auch Gedanken machen. Ich sag' nur mal die Zahlen: Wir haben etwa gut 30.000 FSJ-ler und wir haben über 90.000 Zivildienstleistende im Jahr. Das ist also sicher nicht mit Knopfdruck von einem Tag auf den anderen eins zu eins ersetzbar.
Schwarz: Der Bundesbeauftragte für Zivildienst, Jens Kreuter, war das im Gespräch. Ihnen vielen Dank.
Kreuter: Vielen Dank Ihnen!