Jeder Blick ein Befehl

Von Gerrit Stratmann · 15.12.2010
Das gameslab ist ein interdisziplinäres Forschungszentrum für Computerspiele. Hier interessiert man sich aber auch für neue Interaktions- und Steuerungsmöglichkeiten. Deshalb gibt es einen Eye-Tracker: ein Gerät, das die Augenbewegungen eines Benutzers erfassen und auswerten kann.
Manövrieren, Truppen bewegen, Ausrüstung verwalten, sich durch Menus klicken: Bei Computerspielen muss die Maus ständig zielgenau zu einem Punkt auf dem Monitor gesteuert werden. Die Augen erledigen das mühelos nebenbei.

Die Idee, einen Computer mit Blicken zu steuern, ist nicht neu. Wie weit das bei den heute üblichen Spielprinzipien klappt, hat sich Informatikstudent Stefan Krohn im Berliner gameslab angeschaut. Sein erstes Fazit:
"
Ob das jetzt sinnvoller ist, weiß ich nicht, aber es ist auf jeden Fall ein anderes Gefühl. Es ist intensiver, wenn man irgendwo hingucken kann und dann direkt mit dem interagiert, was man sieht, als wenn man so einen blöden Mauszeiger irgendwohin bewegt und da drauf klicken muss. Also es ist ein direkteres Spielempfinden einfach."

Der 32-jährige Stefan Krohn arbeitet für seine Abschlussarbeit an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin an der Blicksteuerung von Spielen. Der dortige Eye-Tracker des gameslab steht für solche studentischen Projekte zur Verfügung. Das schmale, längliche Gerät wird unterhalb des Bildschirms platziert und auf den Benutzer davor ausgerichtet.
"Klassischerweise kommt Eye-Tracking aus der Marktforschung und wird traditionell eigentlich zur Untersuchung von Benutzerfreundlichkeit eingesetzt."

Erklärt Julia Sommer, die das Gerät und die Studenten, die damit arbeiten wollen, betreut.

"Das Eye-Tracking-System, das wir haben, funktioniert über Kameras und Infrarot. Und zwar wird Infrarotlicht auf die Netzhaut projiziert und dann filmen die Kameras die Pupillen ab, und mit der Reflexion von der Netzhaut und der Bewegung von den Pupillen berechnet der Eye-Tracker die Position von den Augen auf dem Bildschirm."

Wenn der Hersteller eines Autorennspiels zum Beispiel wissen möchte, wo die Bannerwerbung am besten zur Geltung kommt, ist das eine typische Aufgabe für den Eye-Tracker. Während eine Testperson den Wagen steuert, registriert das Gerät haargenau, wohin der Fahrer gerade blickt – und wo es sich folglich lohnt, Werbung anzuzeigen.
"Je größer der rote Punkt, desto länger – das ist die Fixationsdauer – desto länger wurde auf einen Punkt geguckt. Bei geraden Strecken, natürlich, klar, wird der riesig groß, und sobald es dann wieder in eine Kurve geht, muss man sich neu orientieren."

Für Computerrennspiele macht es also Sinn, die Werbung auf den langen Geraden zu platzieren, weniger in den Kurven.

Stefan Krohn hat ein paar kleine Programme geschrieben, die den Eye-Tracker einmal auf andere Weise benutzen, als es für Zwecke der Marktforschung oder das Studium der Benutzerfreundlichkeit von Webseiten üblich ist. Er betrachtet den Eye-Tracker als Eingabegerät ähnlich einer Maus oder einem Joystick.

"Es ging halt darum, herauszufinden, was funktioniert und was nicht funktioniert bei dieser Eingabemethode und da habe ich ein paar kleinere Spielprojekte gemacht, die das ein bisschen verdeutlichen sollen."

Als Testbett dient ihm eine weitläufige, hügelige 3D-Welt, wie sie in Rollenspielen häufig zum Einsatz kommt. Während Spieler sich normalerweise mit den Pfeiltasten durch die virtuelle Umgebung bewegen, reicht hier ein Blick und ein Tastendruck, um in die gewünschte Richtung zu manövrieren. Mit etwas Übung lenkt er auch eine Kugel mit den Augen durch ein Labyrinth oder fixiert bewegte Objekte auf dem Bildschirm, um sie abzuschießen. Gegenüber der Maussteuerung sieht Stefan Krohn einen entscheidenden Vorteil.

"Gerade wenn man einen großen Bildschirm hat, macht man ja relativ große Bewegungen. Mit den Augen geht das relativ schnell. Also es ist auch für die Hand logischerweise nicht so anstrengend, für die Augen ist das überhaupt nicht anstrengend, jetzt von da oben nach da unten zu gucken, und mit der Maus müsste ich ja wirklich schon eine Strecke zurücklegen."

Der Eye-Tracker lässt sich von Brillen oder Kontaktlinsen nicht ablenken. Ohne spürbare Zeitverzögerung überträgt er die Blicke auf den Monitor. Kleine Objekte treffgenau zu fixieren ist allerdings ungewohnt, da es beim normalen Sehen ausreicht, viele Dinge aus den Augenwinkeln wahrzunehmen. Aber das Prinzip hat Potential, findet Julia Sommer.
"Spiele werden ja auch immer von der Grafik her realistischer und die Personen sollen immer mehr sich selber eingebunden fühlen im Spiel, und da ist natürlich eine Spielfigur mit Blicken zu steuern, irgendwie eine Idee, die erfolgversprechend sein könnte für so einen Spielverlauf."

Ob und wie Eye-Tracking in Zukunft bei Spielen eingesetzt werden wird, ist für Stefan Krohn trotz seiner Versuche noch eine offene Frage. Ihm selbst fehlt für eine spannende Umsetzung derzeit noch die zündende Idee.
"Für mich war es erstmal, um zu gucken, was kann man machen bzw. was funktioniert damit, und wenn man das alles ausgelotet hat, dann könnte man sicher überlegen, dazu ein Spiel zu entwickeln."

Im Augenblick verhindern aber nicht nur fehlende Anwendungen, dass Eye-Tracking als zusätzliche Steuerungsmöglichkeit Einzug in private Haushalte hält. Auch der Preis ist noch nichts für den schmalen Geldbeutel. Das ganze Eye-Tracking System im gameslab kostet einen fünfstelligen Betrag – und wird auf absehbare Zeit wohl noch ein Forschungsgerät bleiben.