Jazz-Sängerin

Zweimal stärker als ein Mann

Frauenhaende druecken die Tasten eines Bechstein-Fluegels beim Klavierspiel.
Eigentlich sollte Carmen McRae nach den Wünschen der Eltern Konzertpianistin werden © dpa / picture-alliance / Stephan Goerlich
Von Karl Lippegaus · 10.11.2014
Die 1920 in Harlem geborene Künstlerin Carmen McRae zählt bis heute zu den kraftvollsten Stimmen des Jazz. Der Weg nach oben war schwer. Als Frau musste sie sich durchkämpfen im chaotischen, anstrengenden Show-Business.
Mit acht Jahren bekommt die 1920 in Harlem geborene Carmen McRae ihre ersten Klavierstunden. Die Eltern erhoffen sich für ihre einzige Tochter eine Karriere als Konzertpianistin. Carmen McRae:
"Ich aber versteckte die Noten für Popsongs unter denen für die Klassik. Sobald alle außer Hörweite waren, spielte ich diese Songs."
Irene Kitchings, die Exfrau des Jazzmusikers Teddy Wilson, eine talentierte Pianistin und Komponistin, macht die junge Carmen mit vielen großen Jazzmusikern der Swing-Ära bekannt. Irene schreibt zwei wunderbare Songs für Billie Holiday und Carmen trägt sie vor:
"Ich kann sagen: Sie hatte großen Einfluss auf mein Leben, aber ich auch ein wenig auf sie. Anfangs schrieb ich ein dummes kleines Lied nach dem anderen. Dann zeigte ich ihr das und sie hat mir wirklich Mut gemacht. Ein paar Songs waren nicht so schlecht, die meisten aber waren schrecklich. Eines Tages meinte sie zu mir: Ich habe noch nie einen Song geschrieben, du schreibst ständig. Dann setzte sie sich ran und der erste Song, den sie schrieb, ich weiß den Titel nicht mehr (...)".
Revolution im Jazz
Ende der 1930er Jahre erlebt die 17-Jährige in "Minton's Playhouse" in Harlem eine Revolution im Jazz: ein neuer Stil, der Bebop macht Furore. Carmen verliebt sich in den charmanten Schlagzeuger der Hausband im Minton's, Kenny Clarke, der sie vom Fleck weg heiratet. Auch die "Heilige Dreifaltigkeit" des Bebop - Charlie Parker, Dizzy Gillespie und Thelonious Monk werden ihre Freunde.
"Einmal war ich dort! Es steht in meiner Autobiografie oder wie sie den Quatsch nennen, den sie über einen verbreiten. Als ich wieder ins Minton's kam, hatte ich schon Platten gemacht. Tony Scott hatte da eine Band und Tony hat mich echt unterstützt; er überzeugte Teddy Hill, damals Manager im Minton's, dass ich dort lernen sollte, wie man stehend am Mikrofon arbeitet. Bis dahin hatte ich immer nur am Klavier gesessen und gesungen, fünf oder sechs Jahre lang."
Rauchen macht McRaes Stimme dunkler und rauer
Als Frau - zumal als Farbige - muss Carmen zweimal so stark sein wie ein Mann. Nie wird sie vergessen, dass sie es schwerer hatte als jede andere prominente Sängerin ihrer Generation. Es wird ein einsamer Aufstieg zum Gipfel und sie spürt, wie zufallsbedingt, wie chaotisch und anstrengend es im Showbusiness zugeht.
Eigenwillig jede Zeile phrasierend, den Beat kunstvoll und sinnlich verschleppend, presst Carmen alles aus einem Song, während ihre Stimme durchs viele Rauchen rauer und dunkler wird:
"Ich wollte eigentlich nie Klavier spielen. Ich spielte gerne, wollte aber nie Pianistin werden. Das Singen hatte von Anfang an Priorität. Dann merkte ich, das Spielen war eine echte Hilfe, damit bekam ich einen Job. Zirka fünfeinhalb Jahre lang, es half mir, als ich dann aufstand, um zu singen. Ich wusste nicht, was ich mit meinen Händen tun sollte, ich wollte sie abhacken, aber stimmlich war mir klar, was zu tun war."
Selbstbewusst steuert Carmen McRae ihre Karriere, die Musik ist ihr wichtiger als alles andere. Nur für sie will sie den Menschen in Erinnerung bleiben. Jazzgesang war für sie eine aussterbende Kunst aus echtem Feeling, präzisem Timing und Freiheit im Ausdruck.