Jazz-Konzeptalbum

Jazz mit Planetenstimmgabeln

Die Erde im Weltall, aufgenommen am 26.7.1971
Auch der Erde ist ein Song gewidmet. © picture-alliance / dpa / NASA
Von Ralf bei der Kellen |
Die Jazzlegende Sun Ra behauptete, vom Saturn zu stammen. Auf seinen Spuren wandert seit Jahren Kathrin Lemke, die mit "Planetary Tunes" ihr zweites Album vorlegt: das jedem Planeten des Sonnensystems einen Song widmet.
Kathrin Lemke: "Es gibt diese Außerirdischen bei der Sesamstraße, das sind zwei Typen, die sehen aus wie das Krümelmonster aber mit so Antennen. Und da kommt auch immer so Musik. Und die unterhalten sich und sagen eigentlich immer nur : Yepyepyepyep, o-o, yepyepyep. Und entdecken dann so Alltagsgegenstände auf der Erde."
Bis heute sind sich die Kritiker nicht völlig einig, ob Sun Ra – jener fast schon mythische Big Band-Leader, der behauptete, er stamme vom Saturn – ein gerissener Scharlatan war oder ein "Visionär des Jazz". Und so kann man auch bei Kathrin Lemke nie ganz sagen, wo der Schalk aufhört und der Ernst anfängt.
Legt man das aktuelle, zweite Album ihrer Gruppe "Heliocentric Counterblast" auf, ist man sich ob des Intros nicht ganz sicher, was einen erwartet. Spätestens bei der ersten Eigenkomposition mit dem Titel "Mother Earth" weiß man aber: Dieser Gruppe geht es – ganz ernsthaft – um modernen Jazz.
"Das hatte auch vorher noch in Klammern den Titel 'Peace Song', weil ich finde, das ist so: alles wird gut, Liebe, und so weiter ...
Das hat so ein bisschen die Ästhetik und den Stil, aber ich hab das jetzt nicht geschrieben in dem Sinne, es soll genauso klingen – das wär' ja blöd."
Aus diesem Grund heißt die CD auch nicht "Interplanetary Melodies", so wie ein bekanntes Sun Ra-Album, sondern "Planetary Tunes". Und nomen est omen: Es handelt sich um ein Konzeptalbum im Ra'schen Geist, aber aus der Feder von Kathrin Lemke. Neben "Mother Earth" kommen noch Mars, Pluto, Uranus, Neptun und – natürlich – Saturn vor.
Jeder Planet hat seine eigene Tonart
Dabei hat, wie Lemke den Laien gerne aufklärt, jeder Planet seine ganz eigene Tonart.
Kathrin Lemke: "Ja, komm, also – das weiß man doch! Wenn man die Rotationen von Planeten nimmt und die dann immer oktaviert und oktaviert und oktaviert, dann hat jeder Planet einen Schwingungsgrundton. Da kann man sich auch im Internet schlau machen, es gibt auch extra Planetenstimmgabeln, die kann man sich bestellen, das Set für 700 Euro. Und dann hast du für jeden Planeten die passende Stimmgabel. Damit das alles im Einklang ist."
Und Pluto – wie hier zu hören – schwingt eben in "des". Ob Sun Ra das wusste?
Zwischen dem ersten Album des Heliocentric Counterblast von 2012 und dem aktuellen sind einige Saturnumdrehungen vergangen, die Band hat viel live gespielt, was man dem neuen Album deutlich anhört. War der Erstling von einem Projektensemble aufgenommen, stammt das aktuelle Album von einer eingespielten Gruppe.
Von den Konzerten der letzten Jahre war das auf dem Jazzfestival im Österreichischen Nickelsdorf 2014 herausragend, da man hier einen besonderen Gast hatte:
Kathrin Lemke: "Marshall Allen war auch da, er hat das ganze Konzert mit uns gespielt und das war natürlich dann auch wieder geil, das hat total Spaß gemacht."
Und das ist nun der ultimative Ritterschlag: Denn Allen spielte seit 1958 mit Sun Ra und leitet seit dessen Tod das Arkestra. Im Gegensatz zu seinem Meister weilt Allen noch auf der Erde – und konnte 2014 seinen 90. Geburtstag feiern.
Kathrin Lemke: "Der ist immer so flauschig in seinen guten Vibes, es hat ihm gefallen, 'Hallo, wie geht's?', er raucht die ganze Zeit wie wahnsinnig, trinkt Bier und ist tippi-toppi fit. Also, das ist echt ... geheimnisvoll." (lacht)
Als Frontfrau immer noch eine Ausnahme
Als Frontfrau einer achtköpfigen Band ist Kathrin Lemke immer noch eine Ausnahme in der Szene – und das obwohl in letzter Zeit immer mehr Musikerinnen auf den Titelblättern der Jazzmagazine erscheinen, die zudem häufig noch sehr jung sind. Wie sieht Kathrin Lemke diese Entwicklung?
"Es bleibt auch so die Frage, wie viele Frauen dann spielenderweise noch in 10-15 Jahren auch dabeibleiben und dann wirklich auf Dauer und dann nicht sagen: ach, ich unterrichte doch nur oder ich kümmer' mich um die Kinder, das bleibt echt noch zu sehen, weil – so viele 40, 50jährige gibt's jetzt auch nicht. Und mit 20 ... klar gibt's viele, aber das heißt noch nichts, da musst du irgendwie noch nichts machen, da kriegst du dein Geld von zu Hause und – machst halt mal."
Wobei sie durchaus Respekt vor der Leistung der Youngsters hat. Aber –wie das Beispiel Sun Ra zeigt – geht es auch um einen langen Atem. Sie selbst will auf jeden Fall dran bleiben.
"Ja, wenn das Schicksal es will, hab ich's vor."
Was bei ihren guten Beziehungen zu den Sternen aber eigentlich kein Problem sein dürfte.
Die CD "Planetary Tunes" ist bei Enja Records erschienen, hat eine Spieldauer von 55 Minuten und 33 Sekunden und kostet ca. 17 Euro.
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